Senn, die Kreuzspitze.
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ihm, dem ersten Ersteiger zu Ehren, Hauslabkogl zu nennen. Die
übrigen angeführten Erhebungen des Kreuzkammes mögen sich, so
lange mit der generellen Bezeichnung «Kreuzköpfe» begnügen , bis
es Jemand der Mühe werth findet, selbe zu ersteigen und somit das
Recht erhält, für sie eigene Namen zu schaffen. Jedenfalls gebührt
der Name Kreuzspitze exclusiv nur der unsrigen.
Ihre erste von mir und Cyper ausgeführte Ersteigung erfolgte
Anfangs Oktober des genannten Jahres, seitdem ich sie öfter wieder¬
holte. Die Richtung des Weges wird immer dieselbe bleiben, wie
sie von uns das erstemal eingeschlagen worden. Man geht von Vent
auf dem gewöhnlichen, ziemlich rauhen Fussteige durch das Nieder¬
thal an der «Käser», einer Hütte für den Ochsenhirten, und der
Niederthalferners , lässt diesen aber links liegen und hält sich an
den Fusssteig, welcher in der Nähe der Seitenmoräne allmählig auf¬
steigend zu einer Stelle führt, wo man bei alten Mauerresten eine
Siesta zu halten gewohnt ist. Wir sind bei dem vielgenannten
Südosten lagern im gemeinschaftlichen Bette der Schalf- und Marzell¬
ferner, welche nach ihrer Vereinigung im Munde des Volkes ge¬
wöhnlich den Kollektivnamen «Niederthalferner» haben, auch zeigen
sich bereits manche prachtvolle Bergriesen und das untere Ende des
Niederjochferners. Zahlreiche dazwischen an die Abhänge sich an¬
lehnende grüne Bergweiden tragen durch ihren Kontrast nicht wenig
zur Verschönerung dieses Anblickes bei. Man kann, um allenfalls
auszuruhen, leider nicht auf einer Bank der Sanmoar - Hütte Platz
nehmen, sondern muss sich mit einigen zurecht gelegten Steinplatten
begnügen. Das wenige noch vorhandene Mauerwerk ist der Ueber-
rest einer ehemaligen Schäferhütte, welche schon vor langer Zeit in
die günstigeren Weidebezirke des unteren Niederthaies verlegt wor¬
den war. Es gehört nämlich fast der ganze Bezirk des Niederthaies
gewissen Hofbesitzern aus dem Thale Schnals, welche alljährlich
Mitte Juni eine Heerde von beiläufig 1800 Schafen und 70 Ochsen
über das Niederjoch her übertreiben und Mitte September auf dem¬
selben Wege wieder zurückkehren (abfahren). Dieses Recht auf
Benützung der Weide besitzen die Schnalser seit undenklichen Zeiten,
es deutet dies darauf hin, dass, wie die Sage berichtet, Vent vom
Süden her «gefunden» und bevölkert wurde Es gibt noch Urkunden
aus dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts, welche eines Streites
zwischen den Hofbesitzern von Vent und Schnals über die Rechte
im Niederthaie sowie dessen Schlichtung erwähnen.
Vermöge eben derselben Urkunden stand Vent damals unter der
Gerichtsbarkeit von Castelbell und in kirchlicher Beziehung unter
der Pfarre Tschars im Vintschgau. Die vielen sonderbar klingenden
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