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Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.03 (1872)
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J. Stüdl und Ed. Richter: Hochgall.

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Menschen in St. Wolfgang zum zukünftigen Hochgallführer
zu qualificiren , dann aber um in dem bewohnten oder noch
vom Alpvieh begangenen Terrain, wo das Verirren und Fehl¬
gehen eben so leicht geschehen als unangenehm ist, einen
Wegweiser zu haben. Doch einen solchen zu finden hatte
seine Schwierigkeiten Die beiden Führer, welche die Herren
Hofmann und Kaltdorff hinaufgeleitet hatten, waren todt, der
eine davon, welcher schon früher herzleidend gewesen war,
wie man glaubte, sogar an den Folgen der Partie gestorben.
Diess hatte den Hochgall , der vorher gar als unersteiglich
gegolten , im ganzen Thale in gewaltigen Respect gesetzt, so
dass jetzt niemand daran wollte, da hinauf abermals sein Glück
zu versuchen. Alle möglichen Ausflüchte mussten her , zum
mindesten stellten die Bursche dafür, von uns mitgenommen
zu werden, unverschämte Forderungen. Ueberhaupt traf unser
Unternehmen bei den eben zur Landtagswahl und der darauf
folgenden sonntäglichen Zecherei versammelten St. Wolfgangern
auf eine sehr skeptische Stimmung. Wir mussten gar manche
spitzige Bemerkung hören, worunter mir besonders nur noch
die eine in Erinnerung, die ich denn — etwas abgeschwächt —
wiedergebe : wir würden nicht weiter hinaufkommen , als das
Rindvieh zu gehen pflege.

Doch das störte uns wenig; fanden wir ja bei dem einzigen
gebildeten Manne der sich in St. Wolfgang befindet, bei dem
liebenswürdigen Herrn Curaten P. A. Auer, dessen schrift¬
stellerische Gewandtheit und allseitige Bildung gar merkwürdig
mit der Barbarei die ihn allenthalben umgibt, contrastirt,
eine um so bereitwilligere und ausgiebigere Unterstützung.
Endlich fand sich auch ein Begleiter: Hanns Ausserhofer, ein
19jähriger Bursche, der als Schafler schon viel auf Kees und
Fels herumgekommen; gedrungen gebaut, mit einem offenen
freundlichen Gesicht; die blonden Locken hingen ihm, wie
einem Edelknecht des 13. Jahrhunderts vorn in die halbe
Stirn und hinten den Hals hinab.

So waren wir endlich gerüstet. Frühe suchten wir das
Lager, denn um 2 Uhr sollte aufgebrochen werden.

Als wir zur bestimmten Stunde die unteren Localitäten
des Gasthauses betraten, herrschte dort noch reges Leben.
Bei einem spärlichen Lichtstümpfchen sassen noch späte Zecher,
mit schweren Zungen eine geräuschvolle Unterhaltung führend,
ganz wie damals, als K. Hofmann unsere Wege wandelte.
Rasch war der Morgenimbiss verzehrt, und um x /*3 Uhr traten
wir in die kalte, finstere Nacht hinaus. Hanns trug eine
mächtige Holzfackel, unseren Pfad zu beleuchten. Rasch ging

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