/ 527 pages
Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.03 (1872)
Search


292

Centralalpen. — Venediger-Gruppe.

IV. Umbalthal und Dreiherrenspitze.

3499-l m = 11057' N. M.-Mapp., 11090' Keil, 11082'
Sonklar.

Am ersten unserer Rasttage war das Wetter ziemlich
ungünstig gewesen, was uns allerdings wenig kümmerte, jetzt
am zweiten, hatte es sich wieder völlig aufgeheitert und wir
beschlossen, sogleich nach Beendigung der Führ er Versammlung
wieder aufzubrechen. Um zwei Uhr standen wir gerüstet da,
für 2 Tage mit Proviant versehen, von Thomele und dem
neu geschaffenen Obmann, Ploner, begleitet. Es galt dem
südwestlichen Theile der Venediger-Gruppe, dem Umbalthale.
Bald hatten wir den freundlichen durch Häusergruppen und
Culturen so schön belebten Thalkessel von Prägraten hinter
uns und gelangten zur Stelle wo nach rechts das Manrerthal
sich öffnet. Von der Brücke über den ihm eutströmenden
Bach bietet sich ein sehr schöner Einblick in dasselbe: über
dem von dunklen Fichten beschatteten tosenden Wildbach
leuchtet ernst und majestätisch ein schön geformter Gipfel
mit mächtigen Firnlagern bekleidet heraus*). Immer näher
rücken jetzt auch im Hauptthale die schroffen Wände zusammen,
während die schmale Thalseite noch mit dem prächtigsten
Baumwuchs geziert ist. Besonders fallen alte hochstämmige
Buchen und Ahorneauf, auch herrliche moosbewachsene Fichten.
Diese Vegetation, verbunden mit dem Anblick des tosenden
Wildbaches, der jungen Isel, die schäumend über bemooste
Blöcke hindonnert, gibt Bilder, welche vielmehr aus den Kalk¬
alpen zu stammen scheinen, — so reich sind sie an malerischen
Einzelnheiten.

Bald war die Böwellalpe wo eine Schüssel Milch uns für
den Weitermarsch stärkte, erreicht. Hinter derselben wird
der bisher breite Weg schmäler, die Stürze der Isel verwandeln
sich in Wasserfälle, wovon einer, geziert durch eine herrliche
Fichtengruppe, besondere Aufmerksamkeit verdient. Etwas
weiter nach oben hört der Baumwnchs auf, und jene eigen-
thümliche Form der schmalen Klamm beginnt, welche allen
Thälern dieses südwestlichen Theiles der Venediger-Gruppe eigen
ist. Die vorherrschenden grünen Schiefer brechen in so glatten,

*) Vergl. Th. Harpprecht: das Maurerthal (im zweiten Hefte dieses
Jahrganges.)