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Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.08 (1877)
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Zu Tizians Gedächtniss.

Mit einem Lichtdruck. (Tafel VII.)

Unser zweites Heft bringt als Beilage eine An siebt der
Umgebung von Pieve di Cadore — Tizians Heimath — aus
Emil Kirchners Meisterhand.*)

In dem Gegenstand bietet sich wohl kein dem alpinen
Wesen fremdes Interesse dar : ist es doch die mächtige
Alpenwelt, die mit dem grossen Geist, dessen vierhundert¬
jähriges Jubiläum eben die Nachwelt feiert, in innigster Be¬
ziehung steht Von dem, was er der Mit- und Nachwelt
geboten, gebührt ein gut Theil dem, was er aus der Um¬
gebung, in der er geboren ward und lebte, empfangen; von
der Hochalpenluft durchathmet und durchgeistigt, gegenüber
dem majestätischen Aufbau der Berge empfing er die ideale
Grundlage zu jenen Schöpfungen, welche die Menschheit Jahr¬
hunderte durch entzücken und wir erkennen in der von Tizian
so liebevoll behandelten Landschaft die Formen wieder, welche
uns beim Besuch seiner Heimath entgegentreten.

Die Zeit, in welcher er der Welt gegeben wurde, war
von einer eigentümlichen Bedeutung für die Gegend seiner
Heimath. Während in ganz Italien seit dem 13. Jahrhundert
eine rasche und reiche Folge der bedeutendsten Künstler sich
entwickelte , deren Wirken und Schulen den Nachfolgern zu
Gute kamen, hatte diese Gegend keinen Antheil an der Ent-

*) Aufgenommen nahe der Strasse zwischen Tai di Cadore und Pera-
rollo. Der Ort links ist Pieve di Cadore mit Rathhaus und Dom, auf
dem Rücken die Ruine des Castello, unten Sotto Castello, im Hintergrund
der Monte Cridola.

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