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Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.18 (1887)
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Das Todte Gebirge. 439

fall gegen das Ennsthal zwischen Untergrimming und Liezen und
führen die Wasser der von mächtigen Gosaumergeln und rothen
Conglomeraten erfüllten Mulde von Zlemm*) bei Wörschach der
Enns zu. Längs des Grimmingbachs dagegen gelangt man von
Untergrimming und Klachau in den langgestreckten gleichnamigen
Graben und in die Glanitz, zwei einsame und waldreiche, schon
bis an den Fuss der Haupterhebung eingeschnittene Hochthäler.

Der hier vorherrschende, fast die ganze Trias umfassende und nur
durch eine schmale Zone oolithischer Cardita-Schichten gegliederte
Dolomit prägt der Landschaft einen einfachen, monotonen Charac-
ter auf und verleiht dem Bodenrelief den Typus von Dachver-
schneidungen. In breiten Halden steigen die Hänge auf zu langen
geradlinigen Kämmen, welche sich in ihrem Ansteigen immer zu
zweien vereinen und so verbinden, wie die verschieden hohen Firste
eines complicirten Daches, namentlich dort, wo die Höhe des
Gebirges oder steiler Abfall jede Vegetation ausschliessen und jene
völlig nackten Dolomitlehnen mit ihren Einnen und Schluchten,
Thürmchen und Nadeln zum Vorschein kommen. Dieses Aussehen
zeigt die ganze Verbindungskette, welche vom Salzsteig 1684 m
über den aussichtreiehen Scheitel des Almkogl 2122 m, das
Hirscheck 2118 m, die Einsattlung der Bärenalpe ca. 1750 m
und das Türkenkar 1847 m heranzieht, vor Allem aber der Hoch-
mölbing 2331 m**) mit seinen gleichmässigen, silbergrauen Ab¬
hängen, dem dachfirstähnlichen Gipfelgrat und den langgestreckten
Plateaus und breitrückigen Ausläufern des Kirchfelds und der
Sumper-Alpe.

Fehlt dem Dolomit jede Karrenbildung und dort, wo er un¬
geschichtet auftritt, auch die Erscheinung der Dolinen, so springt
der landschaftliche Contrast um so mehr in die Augen, je unver¬
mittelter derselbe an den Dachsteinkalk grenzt. Begreiflicherweise
tritt dieser Fall nirgends mit grösserer Schärfe ein, als an den
meist geradlinig verlaufenden Verwerfungsspalten oder Bruchlinien,
und gerade diese Gegend bietet dafür ein auffallendes Beispiel.

Der Mölbinggrat bricht nämlich an seiner Ostseite überaus
schroff ab auf das eigentliche, aus flach nach 0. geneigten Bänken
von Dachsteinkalk bestehende Plateau der Warscheneckgruppe, und
knapp am Fuss seiner von senkrechten Schloten durchrissenen Wand
läuft eine derartige Bruchlinie von der Brunn-Alpe querüber nach
Norden. Verfolgt man nun den Viehsteig, der von der Alpe zu
den Weideplätzen im Inneren der Hochfläche führt, so befindet
man sich immer hart an der Linie, und zwar auf der Seite des
oberflächlich mit grünem Teppich überkleideten Dolomits, während
wenige Schritte weiter rechts die Karrenhügel und Gruben des

*) Die Namen Zlam, Zlaim oder Zlemm deuten immer auf das Vorkommen
mergeliger, ©inen lehmigen Boden erzeugenden Gesteine.

**) Diese Messung bezieht sich auf das nördliche Gratende. Der höchste
Punkt liegt weiter südlich und dürfte ersteres um ca. 10 m überhöhen.