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Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.20 (1889)
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Das Bauerntheater in Südbayern
und Tirol.

Von

Carl Freiherrn v. Gumppenberg

in München.

Das Volk der Hochlande, an Talent, Phantasie und Lebenslust bei
Weitem begabter als das der Fläche, hat sich bis auf unsere Tage
ein Vergnügen zu erhalten gewusst, das sich am platten Lande fast
ganz verlor — das Volkstheater, von Bauern gespielt, geleitet und
mit dramatischer Dichtung versehen.

Mit diesen Worten unseres auf dem Gebiete der Volkssitte wohl¬
bewanderten Lentner dürfte der nachfolgende Versuch, das Bauern¬
theater in Südbayern und Tirol für einen Leserkreis von Alpinisten
zu schildern, einigermaassen gerechtfertigt sein.

Bei dem innigen Zusammenhange unseres in der tausendjährigen
Ueberlieferung erhaltenen Volksdramas mit der Entwicklung der
dramatischen Kunst bei den ältesten Kulturvölkern überhaupt ist
es nöthig, vorerst einen Rückblick auf diesen Entwicklungsgang zu
werfen.

»Unter allen menschlichen Kunsttrieben,« sagt Frühauf, »t nrt
keiner so früh, so stark auf wie der dramatische.« Spielen doch alle
Kinder dramatisch, hat doch das wildeste Volk seine pantomimischen
Tänze, symbolisiren doch alle Religionen in dramatischer Form. Der
Indergott Brahma verlieh die dramatische Kunst dem Weisen Mundi
alswerthvolles Geschenk, und auch die ältesten Schauspiele der Chine¬
sen sind religiösen Inhalts; ihre Form hat sich durch Jahrtausende
bis heute erhalten. Man spielte noch 1864 in einer Bretterbude ohne
Kulissen und Vorhang, mit ernsten Akten wechselten pantomimische
Szenen ab, Kämpfe, Tänze und Gesänge waren eingeschaltet, die
Kostüme strotzten, im Gegensatze zur Ausstattung der Bühne, von