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Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.39 (1908)
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Dr. G. A. Kuhfahl

Abb. i. Dom- und Affensleingruppe.

jedem Hindernisse sorgsam ausweicht, richtete der sportlustige Alpinist nun sein
Augenmerk gerade auf die ungangbarsten Stellen.

Auf diese Weise wurden im Bereiche der mitteldeutschen Granit- und Sandstein¬
gebirge im Badischen und Hannoverschen, in Franken und an verschiedenen anderen
Stellen solche »Kletterschulen« entdeckt. Je flacher die Heimatscholle im allgemeinen
sich dehnt, um so höher steigt gewöhnlich die Wertschätzung derartiger Felswändchen
oder Bergknirpse. Als Kuriosum sei hierzu an einen Fall aus Westdeutschland erinnert,
wo man in edler Begeisterung sogar einen harmlosen Uferhang mit Sprengschüssen und
Spitzhacke erst bearbeiten ließ. Nur wer als eifriger Liebhaber der Bergsteigerei
dauernd an das Tiefland gebannt ist, wird ganz verstehen können, welch knaben¬
hafte Kletterlust auch den ernsten Mann gelegentlich in Erinnerung an frühere alpine
Unternehmungen erfaßt, und welch herzliches Vergnügen ihm dann diese bescheidenen
Kletterblöcke bereiten, die ihr Haupt oft genug noch nicht einmal über die Wipfel
des Buchen- oder Fichtenwaldes hinausheben.

Allen jenen Klettergärten ist kaum etwas mehr als eine beschränkte lokale Be¬
deutung beizumessen; ein Besuch von fernher und ein breiteres Interesse der Öffent¬
lichkeit ist kaum zu erwarten, selbst wenn gelegentlich einmal in Tagesblättern oder
touristischen Zeitschriften Beschreibungen solcher Kletterfahrten auftauchen. Keines
solcher Felsgebilde vermag etwas anderes darzustellen, als gewissermaßen ein von
der Natur gebotenes Turngerät, denn keines wird der Aussicht halber oder sonst
aus ähnlichen Gründen erklettert, die uns beim wirklichen Alpinismus zu leiten pflegen.
Das Klettern ist hier vielmehr lediglich Selbstzweck.

Nicht alle deutschen Mittelgebirge aber, die nordwärts der Alpen liegen und
heute von Bergsteigern als Tummelplatz aufgesucht werden, sind in dieser verhältnis¬
mäßig untergeordneten Weise bloß als Kletterschule zu bewerten. Unter ihnen be¬
steht eine Ausnahme, die Anspruch auf eigenes Interesse nicht nur in landschaftlicher,
sondern auch in sportlicher Beziehung zu erheben vermag, das ist das Elbsand-
steingebirge südlich von Dresden, die sogenannte Sächsische Schweiz.

Eine ganze Reihe von Tatsachen wirkt hier zusammen, um dem meilenweiten
Waldgebirge gerade im Gegensatze zu den Kletterschulen soviel Eigenart zu ver¬
leihen, daß sein Besuch allein sich auch für fernerwohnende Sportleute völlig ver-