/ 440 pages
Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.39 (1908)
Search


Die Sächsische Schweiz als Klettergebiet

187

Schilderungen bedacht, Schauklettern in Szene gesetzt und in einer Weise vor
Laien geprunkt, die sich gerade mit dem Bergsport recht wenig verträgt. Diese
Vorgänge und der sich entwickelnde Massenverkehr hatten u. a. zur Folge, daß
die Forstbehörden, die an den kahlen, baumlosen Sandsteinklippen eigentlich gar
kein wirtschaftliches Interesse besitzen, für den
Schutz der vorgelagerten Kulturen sorgen
mußten und das Betreten ganzer Täler und
Waldbezirke einfach verboten. Der vermitteln¬
den Tätigkeit der Sektion Dresden unseres
Vereins ist es gelungen, diese Sperre, die tat¬
sächlich über eine Reihe der interessantesten
Kletterfelsen verhängt war, dadurch zu besei¬
tigen, daß die Anlegung schmaler Pfade bis zu
den Einstiegstellen erwirkt worden ist. Immer¬
hin mag auch hier den berechtigten Wünschen
der zuständigen Oberforstmeisterei nochmals
Ausdruck gegeben werden, zur Vermeidung
künftiger Einschränkungen die selbstverständ¬
lichen Grenzen des Anstands beim Betreten
des Waldgebiets streng zu wahren, insbeson¬
dere Schädigungen der Kulturen und der Weg¬
bauten zu verhüten und das Anzünden von
Feuer sowie alles Johlen und Lärmen zu un¬
terlassen.

Die rasche Zunahme des Kletterverkehrs
in der Sächsischen Schweiz seit dem Jahre 1902
hatte aber anderseits auch eine Steigerung
der sportlichen Fertigkeit zur Folge, mit der
die vermeintliche Grenze des Menschenmög¬
lichen sich noch um ein beträchtliches Stück
verschob. Die hergebrachten Kletterwege führ¬
ten fast ausnahmslos durch die senkrechten
Kamine; ihre Erschließung und damit die
Möglichkeit weiterer Erstersteigungen von selb¬
ständigen Felsgipfeln war gerade zu jener Zeit
abgeschlossen. Tatendrang und Wetteifer, die
in den kleinen Verhältnissen eines solchen
außeralpinen Felsgebiets unter gegenseitiger
Beobachtung weit heftiger entbrennen, als vor
wirklich großen Unternehmungen, lenkten
deshalb den Blick der jüngeren Generation auf
die bisher unbeachtete freie Wand. Der Erfolg
war in den ersten beiden Jahren gering, denn
die Bezwingung solcher senkrechter, griffarmer
Sandsteinabstürze geht weit über das Maß von
Schwierigkeit alpiner Wandklettereien hinaus.

(Abb. Nr. 8.) Statt auf zuverlässige, scharf kantige Griffe und Tritte ist der Kletterer hier
zumeist nur auf die schwach ausgeprägten höckerigen Vorsprünge oder auf seichte, ab¬
geplattete Vertiefungen im Fels angewiesen; um an diesen fragwürdigen Haltepunkten
nicht abzurutschen, muß die natürliche Rauheit des Sandsteins gründlich dazu ausgenützt
werden, eine möglichst hohe Reibung zu erzielen. Da alle Bewegungen des Körpers

Abb. S. Wandkletterei.