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Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.39 (1908)
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Dr. G. A. Kuhfahl

bei solcher Beschaffenheit der Stützpunkte nur unter steter Wahrung der Gleichgewichts¬
lage, ohne hastiges, schnelles Ausgreifen, durch langsames Ausstrecken und Aufziehen
der Glieder vorgenommen werden können, und da die geringen Tritte und Griffe
gewöhnlich auch noch weit auseinanderliegen, so bedarf es keiner besonderen Ver¬
sicherung, daß diese Art der Klettertechnik an Gewandtheit und Zähigkeit die aller¬
höchsten Anforderungen stellt. Erst nach mehrjährigen, systematischen Übungen
gelang es einer Reihe von Kletterern, die sich die Bezwingung der Sandsteinwände
direkt zur Aufgabe gesetzt hatten, solche abschreckende Felsgebilde wie den Prebisch-
kegel, die Barbarine am Pfaffenstein, den Schrammtorwächter und andere in großer
Zahl über ihre Außenseiten zu ersteigen. Neben dem Engländer Oliver Perry-Smith
waren die Dresdener Rudolf Fehrmann, Walter Hünig und Rudolf Nake an diesen
Erfolgen besonders beteiligt. Mehr noch als die ältere Kamintechnik weicht diese
Wandkletterei infolge der Eigenart des Gesteins von gewohnten alpinen Verhält¬
nissen ab und hat zu Leistungen geführt, die an Verwegenheit und Kraftanspannung
in der Felskletterei beispiellos dastehen dürften.

Bei der besonderen Charakterisierung des Elbsandsteingebirgs als Klettergebiet
würde es nun unter gewöhnlichen Umständen erforderlich gewesen sein, entweder
eine möglichst vollzählige Aufstellung aller Kletterfelsen und Anstiegrouten o'der
doch zum mindesten einen Überblick über die Hauptgruppen nach Lage, Zahl und
Größe zu geben. Ich kann mir ein solches genaueres Eingehen auf örtliche Einzel¬
heiten jedoch an dieser Stelle ersparen, da diejenigen Leser, die sich näher mit der
Sache befassen wollen oder einen Besuch der Sächsischen Schweiz zu Kletterzwecken
planen, jetzt bereits eine genügende Literatur vorfinden. Neben den Reisehand¬
büchern und den allgemeinen touristischen oder wissenschaftlichen Schilderungen
des Elbsandsteingebirgs, gibt es zunächst heute zahlreiche Beschreibungen von ein¬
zelnen Klettereien. Die Akademische Sektion Dresden unseres Vereins hat ein Ver¬
zeichnis davon in ihrem Jahresberichte von 1907 1 ) veröffentlicht. Mit freundlicher
Erlaubnis der beiden Verfasser, Oscar Schuster und Walter Voigt, habe ich am
Schlüsse dieses Aufsatzes einen Auszug davon abgedruckt. Vor allen aber ist im
Juni 1908 ein besonderer Kletterführer des Elbsandsteingebirgs im Buchhandel
erschienen, der den Wünschen fremder Besucher am meisten gerecht werden dürfte.
Das von Rudolf Fehrmann verfaßte Buch betitelt sich: »Der Bergsteiger in
der Sächsischen Schweiz:. 2 ) und ist nach Art des ; Hochtourist in den Ostalpen«

oder der Schweizerischen Klubführer
angelegt und ausgestattet.

Ein solcher buchförmiger Kletter¬
führer durch ein außeralpines Mittelge¬
birge bedeutet für die deutsche Berg¬
steigerwelt etwas Neues. Ohne Vorbild
ist er jedoch nicht, denn im sportlustigen
England liegen über die verschiedenen
heimischen Felsgebiete schon seit Jahr¬
zehnten eine Reihe von Bearbeitungen
vor. Darunter befindet sich z. B. ein drei¬
bändiges umfassendes Werk xClimbing
in the British Isles«, sowie als lustiges
Anhängsel der in alpiner Sprechweise
verfaßte und durchaus ernst zu nehmende

Falkenstein


Abb. i). Anstiegslinien des Fallcensteins (siehe Vollbild).

2 ) Erschienen im Selbstverlag. Preis 75 Pfg.

2 ) Verlag von Johannes Siegel in Dresden-A. Preis 4 M.