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Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.40 (1909)
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110 Aemilius Hacker und Dr. Günther Freiherr von Saar

tauchten die komischen Käuze von Robben auf und sahen neugierig dem Tun
der Jäger zu, bis sie dasselbe Schicksal ereilte.

Späterhin liefen wir einen Walfischfänger an und übergaben die Post. Am
Schlepptau förderte er zwei Walfische. Nach weiteren zwölf Stunden kam endlich
Spitzbergen in Sicht. Die Wolken hingen fast bis zum Meere herab. Ein ganz
schmaler Streifen endlos nordwärts ziehenden Eises, von schwarzen Fels- und
Moränenpartien durchbrochen. Bald heiterte es sich auf, der Horn-Sund-Peak leuch¬
tete über das schwarzgrüne Meer und wir liefen in den Hornsund ein. An dessen
Ende liegen die Holzgebäude einer seit Jahrzehnten verlassenen russischen Jagd¬
kolonie. Dort hausen jetzt Blaufüchse, die die Bauten unterminierten. Einen frei
herumliegenden Schlitten nahm ich für alle Fälle in unser künftiges Zeltlager mit.

Des stürmischen Wetters wegen konnte der Beisund, die derzeit größte Wal¬
fischtranstation Spitzbergens, nicht angelaufen werden, und schon am 15. Juli,
4 Uhr früh, langten wir im Eisfjord an; eine Stunde später erfolgte am Mo¬
ränenrande des Nordenskiöldferners die Ausbootung. Ein letzter Händedruck
Kapitän Bades — die „Oihonna" dampfte ab und war bald außer Sicht. Aber nun
hieß es zugreifen!

Vergessen waren schon Sturzseen und Seekrankheit, und wir waren froh, daß
Sturm und Regenschauer kurz vorher zu toben aufgehört. Einen Kilometer von
dem Platze, wo wir an Land gegangen, zwanzig Schritte entfernt vom steilen Mo¬
ränenabfalle ins Meer, das gewaltige Schneemassen umsäumten, fand sich ein
absolut trockner, ja idealer Lagerplatz. Mit Rollwagen und Boot schafften wir
unser Gepäck dahin, und der Abend des 15. fand uns schon häuslich eingerichtet.
An gewaltigen Pflöcken von Strandholz, die wir tief in den Moränenschotter ein¬
getrieben, hatten wir die Zelttaue befestigt. Unweit waren zwei Süßwassertümpel
und einen Viertelkilometer entfernt sprang lustig ein kleiner Gletscherbach, der
herrliches Trinkwasser lieferte. Möwen aller Art umflatterten uns und zu Füßen
tummelten sich die Robben im massenhaften Treibeis, neugierig zu uns herüberlugend.

An die 3040 m hoch bricht der gewaltige Nordenskiöldferner mit einer in
Seraks aufgelösten Eismauer unmittelbar in den Fjord ab, terrassenförmig baut sich
das Gletschermassiv in ununterbrochener Folge von Serakbrüchen wohl an die
500 m hoch auf und darüber erhebt sich ein herrlicher Berg, dessen Steilflanken
von Eiscouloirs durchfurcht sind, der Terrier 1 ) (Abb. 2, S. 117).

Baron Nordenskiöld mit seinem Sohne Gustav, Baron de Geer und der be¬
rühmte englische Alpinist Sir Martin Conway waren unsere Vorgänger in diesem
Teile Spitzbergens gewesen. Schon am 2. August 1882 hat Baron de Geer den
nach ihm benannten Gipfel nördlich des Nordenskiöldgletschers erstiegen, einen
übrigens ganz harmlosen Berg von ca. 1200 m Höhe. Conway hatte über den
Nordenskiöldgletscher eine Schlittenexpedition zur Erforschung des Inlandseises
unternommen, mußte aber nach unsäglichen Schwierigkeiten und unsichtigen
Wetters halber mehrere Tage später umkehren, ohne einen Gipfel erstiegen zu
haben. Conway schreibt über den Terrier: er sei einer der auffallendsten Berge
Spitzbergens, den die Schweden die Pyramide" nannten; und über den Norden¬
skiöldgletscher: „der Anblick sei so prächtig, daß es unmöglich sei, es dem Leser be¬
greiflich zu machen, der ähnliches noch nie gesehen habe. Er strahle in allen Farben,
weiß, blau, grün, manchmal wie in Silber getaucht, einfach unbeschreiblich schön!"

Daß wir vor allem die Pyramide bezwingen müßten, war uns sofort klar. Von
ihr mußten wir ja den Weg übers Inlandseis nach der Hinlopen Street übersehen
können.

*) Diesen Berg, den wir als Erste er- J oseph a-Pyramide".
stiegen, nannte ich Erzherzogin-Maria-