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Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd.40 (1909)
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54 Henry Hoek

waldberge gebreitet, so war ich zu neuen Taten bereit. Diesmal wollte ich's
ernstlich packen und hatte mir eine feine Ausrüstung zusammengekauft. Und
da Übung bekanntlich den Meister macht, so hatte ich mir gleich einen tüchtigen
Weg ausersehen und verließ morgens in aller Frühe den Bahnhof Posthalde, um
dem Feldberghof zuzustreben.

Wer heute dort mit meiner damaligen Ausrüstung anrücken wollte, würde von
recht belustigten Gesichtern empfangen werden. Die einzelnen Teile kann man
zwar auch jetzt noch gelegentlich sehen, ihre Häufung auf eine Person leider
nicht mehr.

Ein breitkrempiger, mit breitem Bande unter dem Kinn festgebundener Hut
beschattete die Augen, eine dicke Wollhaube darunter bedeckte Gesicht, Ohren
und Hals, soweit das nicht der wollene Schwitzer tat. Ein rauher Lodenanzug
mit langen Haaren, mit riesigem Kragen und ungezählten zuknöpfbaren Taschen
war gewiß sehr malerisch, aber wenig praktisch, da er alsbald voller Eiszotteln
hing. An den Füßen hatte ich etwas ganz Wunderbares, sogenannte Injektions¬
schuhe, das waren Schuhe mit Pelz innen und außen; in den Raum zwischen
den beiden Pelzwänden wurde Öl eingespritzt. Diese Schuhe sahen ungeheuer arktisch
aus und waren sehr teuer. Die Beine steckten in langen, dicken, weißen Über¬
ziehgamaschen, die hoch oben am Schenkel durch Knöpfe festgehalten wurden.
Da die Pumphose sie am Knie sehr auftrieb, so behinderten sie die Bewegungs¬
fähigkeit nicht wenig und rieben mich auch abscheulich wund. Auch einen schönen
Stock besaß ich. Er hatte unten eine schwere Holzscheibe, über deren Zweck
ich mir lange im unklaren war, und eine gefährliche Spitze, war etwa zweiund-
einhalb Meter lang und so dick, daß man einen Bären damit hätte erschlagen können.
Die Schier waren bestes Fabrikat von unangenehm gelber Farbe, mit einer Spitze,
daran man sich spießen konnte, und aufgebogen wie ein halber Reif. Der Ruck¬
sack, mit dickstem Leder besetzt, enthielt weiß Gott was alles, wog fast zwanzig
Pfund, und daran baumelten zwei riesig große, blankbeschlagene Überziehsandalen,
in denen ein kleiner Mann eine Kahnfahrt hätte riskieren können.

Damals war es noch ein Glücksfall, wenn man auf dem Wege von Posthalde
zum Feldberge Spuren fand. Mir blühte diese Blume nicht. Nach einer Stunde
Steigens wurde des Schnees so viel, daß ich die Schier anzog. Die nächsten
Stunden standen dann unter dem Zeichen des Versuches, ob es besser mit oder
ohne Schier voranginge. Schließlich entschied ich mich für mit. Leider begann
es zu schneien, und da Schiwachs mir unbekannt war und ich keine Ahnung
hatte von einer Art des Laufens, die Stollenansatz vermeidet oder verringert, so
wurde das Ganze eine Schinderei. Ziemlich erschöpft, bis auf die Haut durch¬
näßt und unter Verlust fast meines ganzen Tascheninventars, des Hutes und des
Riesenprügels, der bei der letzten Abfahrt in den Schnee schoß und verschwand,
erreichte ich abends spät den Feldberger Hof.

Der nächste Tag brachte guten Schnee und eine strahlende Sonne und damit
eine Ahnung der schisportlichen Wonnen. Im Verlaufe dieses Winters und der
folgenden erklomm ich fast alle die damals für den Schilauf entdeckten Gipfel : Feld¬
berg, 1497 m (Abb. 1, S. 65), Herzogenhorn, 1417 m, Spießhorn, 1350 m, Belchen,
1415 m, Stubenwasen, 1388 m, und Schauinsland, 1286 m. Es waren köstliche, fast
stets einsame Fahrten über einen selten von Spuren gestörten Schnee. Schon hauste
eine ziemlich zahlreiche Schigemeinde auf dem Feldberg, aber abgesehen von
sehr wenigen Ausnahmen kamen ihre Mitglieder kaum über das eigentliche Feld¬
berggebiet hinaus. Und auch diese wenigen hatten nur ein kleines Repertoir
weiterer Fahrten. Über die „Technik", die damals geübt wurde, kann ich mich
sehr kurz fassen : Es gab einfach keine. Da der Einfluß einiger anerkannten