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Amtsblatt 1937 Nr. 05 - Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck
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Amtsblatt Nr. 5

uorzugung kinderreicher Familien bei der Abgabe von Frei-
bankfleisch dürfte auch nicht immer reibungslos vor sich
gehen, da man weiß, daß ohnehin nur minderbemittelte
Kreise dieses Fleisch in Anspruch nehmen. Bei den Bade¬
anstalten müßte das Hallenbad von vornherein ausgenom¬
men werden, solange der zuständige Ausschuß nicht beson¬
dere Anträge stelle. Nicht leicht sei auch die Auswahl der
100 Kinder für die Freiplätze zu den Kindervorstellungen.

Da eine Aktion für den Familienschutz eigentlich Aufgabe
des Bundes sei, sei es erfreulich, daß sich der Herr Bundes¬
kanzler bereits zustimmend geäußert habe, er werde im
Finanz- und Budgetausschuß des Bundestages von dieser
Aeußerung des Bundeskanzlers Erwähnung tun, damit die¬
ser Ausschuß dieselbe Courage bekommt, wie der Gemeinde¬
tag.

Herr Kommerzialrat Miller verwies in der Wechselrede
auf die große Belastung, die der Stadtgemeinde aus der An¬
nahme der Anträge erwachse. Er müsse verlangen, daß diese
Belastung, soweit sie sich auf die Gebühren für Elektrizität
und Gas beziehe, nicht etwa auf die Lichtwerke umgelegt
werde. Wenn dem so wäre, müßte er den Anträgen des
Kulturausschusses ein starres Nein entgegensetzen. Er wüßte
auch, was er mit den Mitgliedern des Verwaltungsaus¬
schusses zu tun hätte, wenn sie in dieser Frage etwa über¬
stimmt würden. Herr Kommerzialrat Miller wird hierauf
vom Herrn Bürgermeister dahin aufgeklärt, daß auf Grund
'der Buidgetpost von 8 30.000 nur der Gemeindefonds be¬
lastet würde.

Herr Aufsichtsrat Süß vertrat die Ansicht, daß es ein Gro߬
teil der BeVölkerung, insbesondere solche Kreise, welche in
Not leben, nicht verstehen werden, daß trotz der beschränk¬
ten Mittel der Etadtgemeinde Gelder ausgegeben werden
für Leute, die es gar nicht notwendig haben, von der Stadt¬
gemeinde Unterstützungen zu erhalten. Die Anträge des
Kulturausschusses nähmen aber von der Aktion grundsätz¬
lich niemanden aus, auch nicht begüterte Familien. Das
werde Unmut in Familien erwecken, die hinsichtlich der Kin¬
deranzahl die vom Kulturausschusse geforderten Voraus¬
setzungen nicht erfüllen, desungeachtet aber in Not leben.
Die ganze Aktion werde sich übrigens nicht im Rahmen je¬
nes Betrages halten lassen, der dafür im Budget ausgewor¬
fen wurde. Im nächsten Jahre werde sicher mehr erfordert
werden, ohne daß etwa mehr Kinder auf die Welt kämen.
Die Aktion werde mehr und mehr ausgenützt werden, ohne
t»atz sie ihren Imeck erfülle.

Herr Stadtrat Dr. Melzer unterstützte in längeren Aus¬
führungen die Anträge des Kulturausschusses, dessen unver¬
änderte Annahme er verlangte. Ebenso Herr Thoma.

Berichterstatter Tommerzialrat Kritz Miller

1. Der Gemeindetag nimmt den Jahresbericht der städti¬
schen Elektrizitätswerke Innsbruck zur Kenntnis und ge¬
nehmigt im Anschlüsse daran die Bilanz per 31. Dezem¬
ber 1936 mit einem ausgewiesenen Reingewinn von
8 151.078.75. Ueber Antrag des Verwaltungsausschusses
wird der Direktion, den Beamten und Arbeitern dieses Wer¬
kes der Dank der Gemeinde ausgesprochen.

2. Der Gemeindetag nimmt im Anschlüsse daran den Be¬

richt über den erfolgten Ausbau des städtischen Sanato¬
riums im Sinne des Beschlusses des Gemeindetages vom
8. Juli 1936 genehmigend zur Kenntnis.

An die öffentliche Sitzung schloß sich noch eine kurze ver¬
trauliche Sitzung.

Neuvergebung öer Direktion öes
Innsbrucker staöttheaters

Der Gemeindetag hat in seiner Sitzung vom 23. März
1937 beschlossen, das Innsbrucker Stadttheater auch in
der Spielzeit 1937/38 fortzusetzen und diese Spielzeit
mit 6 Monaten zu begrenzen. In Verfolg dieses Be¬
schlusses wurde die Direktion des Stadttheaters ausge¬
schrieben. Die Bewerbungsfrist wurde mit drei Mona¬
ten festgelegt. Im Sinne des Beschlusses des Gemeinde¬
tages wurde in der Ausschreibung zum Ausdruck ge¬
bracht, daß die Stadtgemeinde eine finanzielle Beihilfe
zusagt, deren Höhe und Art im Verhandlungswege fest¬
zusetzen ist. Für die Höhe der Beitragsleistung der
Stadtgemeinde werden eingerechnet der Bundes- und
Landeszuschüsse die Erfahrungen der letzten Jahre
maßgebend sein.

Bis zum Abschluß der Ausschreibung (26. April 1937)
langten 28 Bewerbungsgesuche um die Direktion des
Stadttheaters ein. Aus diesen 28 Bewerbern traf der
Kulturausfchuß nach gründlichen Erhebungen und sorg¬
fältiger Prüfung eine kleine Auslese, die er dem Ge-
meindetage zur endgültigen Auswahl unterbreitete. Aus
diesem Vorschlage wählte der Gemeindetag in der
Sitzung vom 7. Mai 1937 Ferdinand Skuhra.

Da sich der Gemeindetag nicht entschließen konnte,
die von Skuhra von der Stadtgemeinde verlangte finan¬
zielle Garantie im vollen Umfange zuzusagen, mußte
im Zeitpunkte der Beschlußfassung allerdings mit der
Möglichkeit gerechnet werden, daß Skuhra die ihm an¬
gebotene Stelle nicht annimmt. Die in der Zwischenzeit
mit Skuhra aufgenommenen Verhandlungen lassen je¬
doch nach ihrem bisherigen Verlaufe auf einen günsti¬
gen Abschluß der Verhandlungen schließen.

Ferdinand Skuhra ist Oesterreicher; er war
als Schauspieler, Sänger und Spielleiter an verschiede¬
nen Bühnen Österreichs und Deutschlands tätig. Er
leitete unter anderem das kleine Schauspielhaus (Ko¬
mödie) in Wien, das deutsche Volkstheater in Prag,
das Ausstellungstheater in Berlin, das Stadttheater in
Brandenburg-Havel, das Stadttheater in Stuttgart und
war Intendant in Saarbrücken und Trier. Skuhra war
Mitglied des Verwaltungsrates und der Tarifausschüsse
des Deutschen Bühnenvereines. Er ist Verfasser verschie¬
dener Fachaufsätze über das Theaterwesen und trat erst
jüngst mit bemerkenswerten Vorschlägen für einen Neu¬
aufbau der Theater in Österreich an die Oeffentlich-
keit.