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Der schulärztliche Dienst in öen
Volts- uns Hauptschulen im Schuljahre
Von
phusitatsrat
Dr.
Hanssteiöl
Amtsblatt Nr. 4
Seit der Einführung des schulärztlichen Menstes in
den städtischen Schulen, in den Volksschulen im Jahre
1907 und in den Bürger (Haupt-) schulen im Jahre 1912,
hat der Aufgabenkreis in der schulärztlichen Tätigkeit
eine beträchtliche Erweiterung und Vertiefung erfahren.
Der Ausbau dieses wichtigen Fürsorgezweiges für die
heranwachsende Jugend ist vielfach durch die Ergebnisse
der medizinischen Forschung gefördert worden; mancher¬
lei Neuschaffungen in der allgemeinen Fürsorge zum
gesundheitlichen Wohle der Jugend verdanken solchen
neuen Erkenntnissen ihre Entstehung. Es sei u. a. der
Ausbau der Erholungsfürsorge, die Verhütungsma߬
nahmen von Rachitis, die Tuberkulosenbekämpfung, die
Kropfprophylaxe, das Svezialturnen bei krankhaften
Knochen- und Haltungsveränderungen, die Fortschritte
der Hygiene in den Schulgebäuden und ihrer Einrich¬
tungen erwähnt. In den Anfängen des Schulargtwesens
war dem Schularzt nur die sanitäre Ueberwachung der
Schulgebäude übertragen, bis dann im Jahre 1897 das
Wiesbadener System sich durchsetzte, der Schularzt zum
Schülerarzt wurde und sodann seine Hauptaufgabe die
gesundheitliche Ueberwachung der Schüler bildete. Die¬
ses System ist bis heute in seinen wesentlichen Zügen
grundlegend geblieben.
Der Auf- und Ausbau der schulärztlichen Tätigkeit in
unseren städtischen Schulen ist vorwiegend das Werk
des im Oktober 1934 in den Ruhestand getretenen
Obermedizinalrates Dr. Viktor Tschämler, Stadt-
physikus i. R. Sein verdienstvolles Wirken wurde schon
seinerzeit im Amtsblatte hervorgehoben und gewürdigt.
Seine Anregungen und Anträge fanden bei der Stadt¬
gemeinde immer wieder Anklang und so ist es ihm ge¬
lungen, den schulärztlichen Dienst auf eine von ma߬
gebenden Stellen anerkannte Höhe zu bringen und ihn
für die Gesundheit der heranwachsenden Jugend wirk¬
lich nutzbringend zu gestalten. Einige besondere Daten
in der Entwicklung mögen hervorgehoben sein. Mit
dem Schuljahre 1923/24 wurde am städtischen Real¬
gymnasium die schulärztliche Tätigkeit aufgenommen,
feit 1927/28 werden die Kindergärten ärztlich versorgt.
Am 13. Oktober 1924 wurde nach ausführlicher Be¬
gründung der gesundheitlichen Vorteile und nach einer
vorausgegangenen Elternabstimmung der 9-Uhr-Schul-
beginn für die ersten Klassen der Volksschulen einge¬
führt und seither beibehalten. Mit der Einrichtung der
Turnberatung zur Ergielung der Verbesserung des
Volksschul-Normalturnens im Sinne eines modern
ausgestalteten Kinderturnens, mit der Einführung des
Haltungsturnens für Rückenschwächlinge und des ortho¬
pädischen Turnens für Kinder mit Wirbelfäuleverkrüm¬
mung im Schuljahre 1924/25 (Beschluß des Stadtschul¬
rates vom 12. Mai 1924) wurde zur körperlichen Er¬
tüchtigung der Schuljugend beigetragen. Durch den
Ausbau der Schulbrausebäder seit dem Jahre 1923, aber
auch durch hygienische Belehrungen wurde in besonderer
Weise auf die Reinlichkeitserziehung Einfluß genom¬
men. Seit September 1928 erfolgte zur Hebung des
Kräfte- und Ernährungszustandes der Kinder in allen
städtischen Schulen die Verabreichung von Milch: an
schlechtgenährte und unbemittelte Kinder sind von der
Stadtgemeinde Milchportionen kostenlos abgegeben wor
den. In den Beginn des Schuljahres 1923/24 fällt
di?
Einführung der Kropfvrovhylaxe und Therapie durch
Vollsalz und Iodostarin-Tablettengaben, die bis Ende
des Schuljahres 1926/27 fortgesetzt wurden. Eine be¬
sonders bedeutungsvolle Tat in der schulärztlichen Für¬
sorge ist durch die Errichtung der Schulzahnklinik im
Rahmen der Universitätsklinik gesetzt worden. Der Be¬
trieb der Schulzahnklinik wurde am 1. März 1927 auf¬
genommen. Seit 1926 erfolgt die Mitwirkung bei der
Berufsberatung.
In zahlreichen Anträgen, Abhandlungen und Berich¬
ten ist das ersprießliche Wirken des hochverdienten
Schularztes Dr. Viktor Tschamler niedergelegt. Im
Geiste seines Wirkens wird die schulärztliche Tätigkeit
weitergeführt.
Von 4614 Kindern (2519 Knaben und 2095 Mädchen,
ohne Hilfsfchüler), die die städtischen Volks- und Haupt¬
schulen besuchten, kamen im Berichtsjahre 4301 Kinder
zur schulärztlichen Untersuchung. Die übrigen Kinder
fehlten zum Zeitpunkte der Untersuchung aus irgend
welchen Gründen. Die Befunde an den Hilfsschulkin¬
dern, die ebenfalls alle einer eingehenden Untersuchung
unterzogen wurden, sind wegen der Eigenart der Son¬
derklassen in die statistische Bearbeitung nicht aufge¬
nommen worden. Die Schülerzahl hat seit Jahren, wie
schon von anderer Stelle ausgeführt wurde, eine stän¬
dige Abnahme erfahren. Zieht man etwa die Schüler¬
zahl vor zehn Jahren, alfo die vom Schuljahre 1925/26
zum Vergleich heran, welche nach Abzug der Hilfsschü-
ler 5139 Kinder betrug, so läßt sich ein Rückgang von
525 Schulkindern in den letzten zehn Jahren feststellen.
Dies bedeutet eine Abnahme von gut 11 Prozent oder
entspricht nahezu der Auflassung jener städtischen Schule,
welche die größte Schülerzahl aufweist. Diese Ab¬
nahme würde noch deutlicher hervortreten, wenn man
die noch vor zehn Jahren bestandenen Kriegseinflüsse
auf die Geburtenzahl und die inzwischen eingetretene
vermehrte Zuwanderung von sprengelfremden Kindern
(im Berichtsjahre 235) in Rechnung zieht. Diese weni¬
gen Vergleichszahlen lassen wiederum eine seit zehn
Jahren eingetretene Auswirkung des Geburtenrück¬
ganges, worüber schon im Amtsblatte unter anderen
Gesichtspunkten berichtet ist, in unserer Heimatstadt er¬
kennen.
Die Anfangsuntersuchungen erstreckten sich auf Kin¬
der der ersten Klassen,- dabei waren einzelne Schüler
infolge zurückgebliebener körperlicher oder geistiger
Entwicklung als noch nicht schulreif beurteilt im Ein¬
verständnis mit den Eltern zur Zurückstellung zu bean¬
tragen, während einzelne vorschulpflichtige Kinder bei
körperlicher und geistiger Reife als schulreif angesehen
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