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Amtsblatt 1939 Nr. 05 - Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck
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Amtsblatt Nr. 5

aus, die seit der Wiedervereinigung Österreichs mit dem
Deutschen Reiche eingetreten ist.

Der Kapitalsdienst der Tiwag für ihre beiden Anleihen
von Zusammen nordamerikanische Dollar 6,000.000.—
konnte im Laufe der Jahre feit der Aufnahme dieser Dar¬
lehen im allgemeinen anstandslos besorgt werden. Nur
im Jahre 1932 traten wegen der infolge der Krise der
österreichischen Creditanstalt eingeführten Beschränkung
im freien Überweisungsverkehr gegenüber dem Auslande
Schwierigkeiten auf, da seitens der Österreichischen Natio-
nalbank die Freigabe der erforderlichen Devisen nicht
zeitgerecht erfolgt ist. Es war der einzige Fall, daß die
Stadt Innsbruck von dem amerikanischen Treuhänder
der Dollaranleihe an ihre Haftung für Kapital und Zin¬
sen aus der Dollaranleihe gemahnt wurde. Alle übrigen
Verpflichtungen geldlicher Art wickelte die Tiwag stets
reibungslos ab.

Infolge dieser stetigen und ruhigen Entwicklung war
die Tiwag auch in der Lage, für das im Unternehmen in¬
vestierte Aktienkapital, dessen Höhe bis zur Umstellung
auf Mark 8 13,000.000.— betrug, eine entsprechende Divi¬
dende Zu bezahlen. So warf sie in den Jahren 1929 und
1930 eine solche von 6^>, sodann in den folgenden Jahren
bis 1935 eine solche von 4^, in den Jahren 1936 und 1937
eine Dividende von 5^> aus. Nur das Jahr 1932 blieb aus
Gründen der vorsichtigen Verwaltung dividendenlos.
Außerdem wurden in den Baujahren für das damals
gezeichnete Aktienkapital entsprechende Bauzinsen ver¬
gütet. Im Jahre 1937 wurden die Aktien der Tiwag,
deren Nennwert von 3 10.— auf 3 100.— erhöht wurde,
an der Wiener Börse Zum Handel eingeführt.

Mit der Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deut¬
schen Reiche änderten sich auch für die Tiwag die Verhält¬
nisse grundlegend. Die Stromlieferung an die Vayern-
werke war nun nicht mehr eine Lieferung an das Aus¬
land, die bisherigen aus der Zusammenarbeit der Tiwag
mit den Varzernwerken bestandenen Schwierigkeiten im
Devisenverkehr waren weggefallen, der Kapitalsdienst
der Tiwag für die beiden amerikanischen Anleihen kann
jetzt im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen nur mehr
über die Deutsche Konversionskasse erfolgen.

Im Sinne der nationalsozialistischen Wirtschafts¬
planung ist es gelegen, daß große, überörtliche Versor¬
gungsbetriebe, insbesondere Energiebetriebe, die nicht
nur für einen kleinen Umkreis Bedeutung besitzen, son¬
dern darüber hinaus imstande sind, weitumliegende
Gebiete, ja durch den Zusammenschluß von Fernleitungen
alle Gebiete bis Zur Nordsee mit elektrischer Energie Zu
beliefern, wesentlich unter den direkten Einfluß des Rei¬
ches gelangen. Im Sinne dieser Auffassung begannen die
Beauftragten des Reiches im Sommer 1938 die Verhand¬
lungen mit der Tiwag, bZw. deren Großaktionären, das
war der Österreichischen Creditanstalt-Wiener Bankverein
in Wien, dem Lande Tirol und der Stadt Innsbruck.
Nach langen Verhandlungen gingen die Aktien der Öster¬
reichischen Creditanstalt-Wiener Bankverein und der son¬
stigen Wiener Banken und des Landes Tirol an die Ver¬
einigte Industrie A. G. in Berlin, deren Aktien im Be¬
sitze des Deutschen Reiches sind, über.

Die Tiwag plante in Erfüllung ihrer Aufgabe, die
Wasserkräfte des Landes Tirol zur Erzeugung elektri¬
schen Stromes auszuwerten, den Ausbau weiterer Kraft¬
werke in Tirol, so besonders des Kirchbichler Innkraft-
werkes, wozu entweder eine Kapitalsvermehrung auf
mehr als das Doppelte oder die Aufnahme eines großen
Kredites bei Geldanstalten nötig war. Für die beiden
Fälle konnte die Stadt Innsbruck bei der gegebenen

Finanzlage nicht Vorsorge treffen, da sie für eine Kapi¬
talsvermehrung nicht die erforderlichen Barmittel zur
Verfügung zu stellen in der Lage war und für so hohe
Darlehen der Tiwag keine weitere Haftung mehr hätte
übernehmen können. Hier stellte nun der Oderbürger¬
meister den nationalsozialistischen Grundsatz „Gemein¬
nutz geht vor Eigennutz" oder abgewandelt „Staatswohl
geht vor Gemeindewohl" voran, indem er sich zum Ver¬
kaufe der der Stadt gehörigen Tiwagaktien entschloß. Bei
den Verhandlungen mit der Stadt Innsbruck über den
Verkauf der Tiwagaktien konnte die Vereinigte In¬
dustrie A. G. aber nicht den gleichen Maßstab anlegen,
wie bei den übrigen Aktienbesitzern, da die Stadt Inns¬
bruck einerseits die Inhaberin der Mehrheit aller Tiwag¬
aktien war, andererseits, wie in den früheren Aufsätzen
ausgeführt, in dem Gründungsvertrag zwischen der Stadt
Innsbruck und der Bankengruppe und im Strom¬
lieferungsvertrag mit dem Elektrizitätswerk Innsbruck,
ferner in den Verträgen über die beiden amerikanischen
Dollaranleihen eine Reihe von Bindungen zwischen der
Tiwag und der Stadt Innsbruck, bzw. dem Elektrizitäts¬
werk Innsbruck, enthalten waren, die den Verhandlun¬
gen von vornherein eine besondere Richtung wiesen. Die
Stadt mutzte dabei an dem Gedanken festhalten, der einst
die Stadt in weitem Vorausblick unter großen Opfern
und mit unerhörtem Wagemut zum Ankauf des Achensees
und zur Gründung der Tiwag veranlaßte, das ist der Ge¬
danke, daß die bestehenden elektrischen Wasserkraftwerke
der Stadt, das Sillwerk und das Mühlauer Kraftwerk,
dauernd für die Stromversorgung der Stadt nicht aus¬
reichen werden und daher durch den Ausbau des Achensee-
kraftwerkes eine starke Quelle zusätzlichen Strombezuges
geschaffen werden müsse. Wie im früheren Aufsatz er¬
wähnt, hatte sich die Stadt Innsbruck im Gründungs¬
vertrag vom 31. März 1924 und im Stromlieferungsver-
trage einmal das Recht auf den Bezug einer bestimmten
Menge elektrischen Stromes gesichert, das durch die gan¬
zen Jahre seit der Vetrlebsaufnahme des Achenfeewerkes
unter großen Opfern der Stadt — es war schwer für die
mit 8,000.000 KV^K festgelegte Energiemenge einen Absatz
zu finden — gehandhabt wurde, andererseits war ein
Heimfallsrecht des Achensees und des Kraftwerkes in
Jenbach sowie das Recht zur begünstigten Übernahme der
Fernleitung JenbachInnsbruck zugunsten der Stadt
Innsbruck vorgesehen.

In eingehenden Besprechungen und langwierigen Ver¬
handlungen, die der unbedingten Sicherung der Strom¬
versorgung der Stadt Innsbruck und der Erzielung eines
möglichst günstigen Aktienpreises für die abzugebenden
Aktien dienten und in denen der Oberbürgermeister
Dr. Denz voll und ganz die Interessen der Stadt Inns¬
bruck wahrte, kam der Vertrag vom 6. August 1938,
bzw. 2. September 1938 zustande, dem die Landeshaupt¬
mannschaft mit Bescheid vom 24. August 1938 die Geneh¬
migung erteilte.

In dem Vertrag wurde vereinbart, daß die Stadt¬
gemeinde ihren gesamten Besitz von Tiroler Wasserkraft¬
werke-Aktien an die Vereinigte Industrieaktiengesell¬
schaft abgibt, wofür die Stadt Innsbruck eine Kaufvreis-
summe von rund RM. 6,500.000.— erzielte. Alle Bestim¬
mungen des Gründungsvertrages hinsichtlich der Ver¬
pflichtung der Tiwag, an die Stadt Innsbruck Strom zu
liefern, und die Bestimmungen des Heimfallsrechtes des
Achensees und des Achenseekraftwerkes sowie des Ein¬
lösungsrechtes der Fernleitung JenbachInnsbruck nach
Ablauf der im Gründungsvertrag vorgesehenen Frist sind
aufrecht geblieben. Desgleichen ist das Stromlieferungs¬
übereinkommen zwischen der Tiwag und dem Elektri-