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Amtsblatt 1939 Nr. 04 - Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck
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Amtsblatt Nr. 4

selbst, meine Parteigenossen, werden ja noch in kürzester Zeit
Gelegenheit haben, hier selbst Einblick zu nehmen und sich
mit dem Haushaltsplan eingehend zu beschäftigen, und ich
bin heute bereits überzeugt, daß Sie dann zumindest meinen
Standpunkt als den einzig tragbaren anerkennen werden.

Meine Parteigenossen! Wie Ihnen ja bereits bekannt ist,
gelangen mit 1. April 1939, also schon in kürzester Zeit, auch
in der Ostmark als kommende Haupteinnahme jeder Ge¬
meinde die Bürgersteuer und die Gewerbesteuer zur Ein¬
Hebung, über das Wesen dieser beiden Steuern schicke ich für
iene, die sich mit dieser Frage noch nicht beschäftigt haben,
folgendes voraus.

Für die Vürgersteuer zahlungspflichtig ist grundsätzlich jede
natürliche Person, die am IN. Oktober 1938 das 18. Lebens¬
jahr vollendet und in der Gemeinde einen Wohnsitz oder den
gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Für die Gewerbesteuer ist grundsätzlich jeder Gewerbe¬
treibende, selbstverständlich einschließlich der Firmen mit
Rechtspersönlichkeit, verpflichtet, ausgenommen sind lediglich
die freien Berufe (die sogenannten selbständigen Arbeiter)
sowie Land- und Forstwirtschaft.

Für die Bürgersteuer ist im allgemeinen maßgebend das
Einkommen des Jahres 1937, für die Gewerbesteuer der Er¬
trag des Unternehmens im Jahre 1938 sowie das Kapital des
Unternehmens im gleichen Jahre.

In beiden Fällen sieht das Gesetz Meßbeträge vor, die zum
Beispiel bei der Bürgersteuer dahin gehen, daß bei bestimm¬
ten Einkommensgrenzen soundso viel Mark als Meßbetrag
festgesetzt sind.

Den Gemeinden ist es nun überlassen, je nach ihrer Finanz¬
lage und ihren tatsächlichen Bedürfnissen höhere oder niedere
Hebesätze festzusetzen. Wenn beispielsweise ein Hebesatz
von sagen wir einmal 400 Prozent festgesetzt wird, so ist der
im Gesetze festgelegte Meßbetrag, der für den Steuerpflichti¬
gen in Frage kommt, mit vier zu multiplizieren, und das Er¬
gebnis ist dann die Steuerschuldigkeit aus dem Titel der
Bürgersteuer.

Die Festsetzung dieser Hebesätze hätte nach dem Gesetze für
die Bürgersteuer spätestens bis zum 1. März 1939 durch Ent¬
schließung des Oberbürgermeister zu erfolgen. Ebenso war im
Wege der Entschließung der Hebesatz der Gewerbesteuer
festzusetzen.

Hinsichtlich der Bürgersteuer bestimmt das Gesetz, daß die
Festsetzung eines Hebesatzes über 300 Prozent die Zustim¬
mung des Innenministeriums erfordert. Für die Festsetzung
des Hebesatzes für die Gewerbesteuer ist ebenso die aufsichts¬
behördliche Genehmigung erforderlich.

Meine Parteigenossen! Nach dem Vorgesagten werden Sie
verstehen, daß ich unter keinen Umständen daran denken
konnte, die Hebesätze besonders niedrig zu halten. Ich mußte
mich vielmehr mit der Tatsache abfinden, daß hier nur der
Rechenstift entscheidend sein konnte. Der Hebesatz der Bürger¬
steuer wurde nun auf Grund einer im Einvernehmen zwi¬
schen dem Reichsinnenministerium und dem Reichskommissar
Gauleiter Vürckel getroffenen Anordnung für alle kreis¬
freien Städte der Ostmark einheitlich mit 500 Prozent fest¬
gesetzt, beziehungsweise darüber hinausgehende Anträge wohl
aller Oberbürgermeister der Ostmark nicht genehmigt.

Ich stehe nicht an, in aller Offenheit zu erklären, daß ich
selbst einen erheblich höheren Satz beantragt habe, ich freue
mich dennoch über diefe Entscheidung, da sie wohl die Hoff¬
nung rechtfertigt, daß den Gemeinden der Ostmark eben durch
entsprechend höhere Ertragsanteile der Ausfall ersetzt wird.
Der Hebefatz von 500 Prozent ist nach meinem Erachten als
ausgesprochen günstig zu bezeichnen und liegt unter dem
Durchschnitt des Hebesatzes der Städte des Altreiches, wobei
nicht übersehen werden darf, daß dieser Durchschnitt an sich
seit dem Jahre 1933 niedriger geworden ist, da eine Reihe
von Städten ihre Hebesätze zufolge Gesundung ihrer Wirt¬
schaft etwas senken konnten. Ich bitte Sie also, zur Kennt¬
nis nehmen zu wollen, daß für das Jahr 1939 ein Hebesatz
zur Bürgersteuer mit 500 Prozent in Kraft tritt, und ich
bitte Sie weiter, bei der Bürgerschaft unserer Stadt dafür

Verständnis zu erwecken, daß dieser Hebesatz als durchaus
günstig einzuschätzen ist.

Zur Frage der Gewerbesteuer liegen die Verhältnisse etwas
anders. Hier habe ich mich nach sehr eingehender Überlegung,
nach Einholung von Vergleichsziffern der Städte des Alt¬
reichs und nach entsprechender Rücksichtnahme auf die wirt¬
schaftliche Struktur unserer Bevölkerung entschlossen, den
Hebesatz mit 320 Prozent und damit für Bank-, Kredit- und
Wareneinzelhllndelsunternehmen, die in der Stadt Innsbruck
eine Betriebsstätte unterhalten, ohne in Innsbruck ihre Ge¬
schäftsleitung zu haben, also für jene, die Zweigstellensteuer
zahlen, mit 416 Prozent festzusetzen und um die aufsichts¬
behördliche Genehmigung dieser Festsetzung zu bitten. Diese
aufsichtsbehördliche Genehmigung ist erteilt.

Diefer Hebefatz liegt etwas über dem Durchschnitt des Hebe¬
satzes der gleichartigen Städte des Altreiches, er war und ist
aber in dieser Höhe für Innsbruck nach meiner vollen Über¬
zeugung dann eine absolute und unumgängliche Notwendig¬
keit, wenn ernstlich eine gesunde Wirtschaftsführung der
Stadt erreicht werden soll.

Ich bitte Sie, meine Ratsherren, nicht nur felbst für diese
Maßnahme Verständnis zu haben, sondern auch um das nötige
Verständnis bei allen jenen, die diese Steuer trifft, zu sorgen.
Ich bitte Sie, mir zu glauben, wenn ich Ihnen sage, ich habe
nach allen Richtungen hin und her gerechnet und mir mit
aller Eindringlichkeit die Frage vorgelegt, welche Einsparun¬
gen wären möglich und würden solche einen niedrigeren
Hebesatz ermöglichen. Das Ergebnis aller dieser Überprüfun¬
gen war aber nur eines, die Erkenntnis, daß sich meine Hoff¬
nungen hinsichtlich der Ertragsteile in einem außerordentlich
großen Ausmaße erfüllen müßten, wenn auch bei Annahme
diefes Hebesatzes ein annähernd ausgeglichener Haushalt
hergestellt werden soll.

Einem Einwand möchte ich vielleicht von vornherein be¬
gegnen. Ich habe bei der Festsetzung der Hebesätze nicht die
Absicht verfolgt, etwa die in früheren Jahren angehäufte
Schuldenlast nunmehr in kürzester Zeit durch EinHebung be¬
sonders hoher Steuern zur Abdeckung zu bringen. In dieser
Richtung liegt mein Ehrgeiz zweifellos nicht. Wohl aber sehe
ich es als meine absolute Pflicht an, vom ersten Tage an an
die Stelle der bisherigen Schuldenwirtschaft eine gesunde
Finanzgebarung zu setzen, und es ist mein Ehrgeiz, daß die
Stadt Innsbruck die ihr obliegenden Aufgaben nicht wie
bisher vernachlässigt, sondern tatsächlich erfüllt.

Ich darf aber auch nicht verfäumen, an dieser Stelle in Er¬
innerung zu rufen, daß mit 1. April die Fürsorgeabgabe, sehr
häufig als Lohnabgabe bezeichnet, in Wegfall kommt. Hier
ist also auf der einen Seite für einen sehr erheblichen Teil
der Steuerpflichtigen die Entlastung Zug um Zug gegeben.
Ebenso bringe ich in Erinnerung, daß die bisherige Erwerbs¬
steuer in Wegsall gekommen ist und daß auch hier für fehr
viele Steuerpflichtige zur Erwerbssteuer eine entsprechende
Entlastung besteht. Wenn ich dazu die unzweifelhaft eingetre¬
tene Besserung der gesamten Wirtschaftslage und damit ge¬
rade bei allen Gewerbetreibenden eine erhebliche Steigerung
des Einkommens in die Waagschale werfe, dann glaube ich
auch hinsichtlich der Auswirkungen beruhigt sein zu können.
Ich bitte aber nochmals, mir heute bereits das zu glauben,
was Sie bei Bearbeitung des Haushaltplanes bestätigt fin¬
den werden, daß ich lediglich unter dem Zwange der außer¬
ordentlich schweren finanziellen Lage Innsbrucks gehandelt
habe.

Für den 1. April tritt eine wenn auch nicht allzu wesent¬
liche Verschiebung der Einnahmen der Stadt in zwei weiteren
Einnahmeposten ein. Wie Ihnen wohl allen bekannt ist, wird
in Innsbruck die sogenannte Untervermietabgabe eingehoben.
Jeder, der irgendeinen Raum in Untermiete weitergibt, hat
von dem hiefür erhaltenen Entgelt eine lOprozentige Abgabe
an die Stadt abzuführen. Wenn Sie nun bedenken, daß in
der weitaus größten Zahl aller Fälle nur wirtfchaftliche Not
zur Untervermietung zwingt, dann ist eine Belastung dieses
Einkommens asozial, da sie gerade an sich Notleidende trifft.
Dazu kommt, daß die Haupterwägung, die früher zur Ein¬
führung dieser Abgabe geführt hat, heute wohl nicht mehr
zutreffend ist. Die Gastgewerbebetriebe waren früher der