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Amtsblatt 1939 Nr. 04 - Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck
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Amtsblatt Nr. 4

bürgermeister in Fortsetzung der Tagungsfolge zur Ver¬
eidigung der beiden anläßlich der letzten Tagung nicht
vereidigten Ratsherren und schickte der Eidesabnahme
noch folgende Ausführungen voraus:

„Meine Parteigenossen!

Erlauben Sie mir, in aller Kürze zum Aufgabenkreis eines
Ratsherrn Stellung zu nehmen. Wie ich aus verschiedenen
Äußerungen weiß, sind nicht ganz selten zwei falsche Mei¬
nungen vertreten. Die erste geht dahin, daß die Ratsherren
überhaupt nichts zu sagen hätten. Die zweite Ansicht schlägt
in das Gegenteil aus und lehnt sich damit stark an eine demo¬
kratisch-parlamentarische Denkungsweise an.

Ich glaube, daß wohl niemand daran zweifelt, daß die Er¬
folge, die die nationalsozialistische Bewegung und, von ihr
getragen, das deutsche Volk, in den letzten sechs Jahren er¬
zielt hat, nur dadurch möglich wurden, daß jeder Parlamen¬
tarismus ausgeschaltet und in Ablehnung zeder anonymen
Verantwortungslosigkeit die persönliche Verantwortung des
Einzelnen in den Vordergrund gerückt wurde. Auf die ge¬
meindliche Selbstverwaltung übertragen, wirkt sich dieses so¬
genannte Führerprinzip dahin aus, daß die ausschließliche und
alleinige Verantwortung dem verantwortlichen Führer der
Gemeinde übertragen ist, so daß sich dieser nicht, wie es viel¬
leicht ab und zu sehr angenehm sein könnte, auf anonyme
Beschlüsse eines unpersönlichen Stadtrates oder Gemeinde¬
rates ausreden kann. Wenn aber nun die volle Verantwor¬
tung auf eine Perfon abgestellt wird, dann ist es unvermeid¬
lich, daß ihr auch das volle Entscheidungsrecht gewahrt sein
mutz. Kein anständiger Mensch würde sich bereit finden, die
volle Verantwortung für die Führung einer Gemeinde zu
übernehmen, wenn ihm nicht auch das Entscheidungsrecht ein¬
geräumt würde. Es ist daher unzweifelhaft richtig, daß es
nicht Aufgabe der Ratsherren fein kann, etwa gar nach demo¬
kratischen Methoden Beschlüsse zu fassen, die den Führer der
Gemeinde binden, ihn hindern, das zu tun, was er für richtig
hält. Es ist daher sicherlich falsch, wenn etwa der eine oder
der andere glaubt, daß die Ratsherren derartige Machtbefug¬
nisse hätten. Vielleicht weicht aber von der Wirklichkeit noch
weiter die ersterwähnte Ansicht ab, daß die Ratsherren über¬
haupt keine Bedeutung hätten. Die Gemeindeordnung selbst
sieht die Aufgaben der Ratsherren in einer doppelten Rich¬
tung. Sie sind einerseits verpflichtet, den Bürgermeister der
Gemeinde zu beraten, und sind anderseits verpflichtet, dafür
zu sorgen, daß die Matznahmen der Stadtverwaltung in der
Bevölkerung das nötige Verständnis finden.

Ich hoffe, Ihnen auch in Kürze den Beweis erbringen zu
können, wie grotzen Wert ich persönlich darauf lege, tatsäch¬
lich Ihren Rat in allen wichtigen Fragen zu erhalten. Wenn
Sie an die grotzen Entscheidungen, die an mich im Laufe des
letzten Jahres herangetreten stnd, denken, werden Sie ver¬
stehen, datz ich mir sehr oft Ihren Rat gewünscht habe. Eben¬
so werden Sie aber auch gerade im Hinblick auf diese grotzen
Entscheidungen verstehen, wie notwendig es ist, nicht allein
im Wege der Presse, sondern durch den ständigen lebenden!
Kontakt mit den Bürgern der Stadt tatsächlich Verständnis
für die Matznahmen zu erwecken und dieses Verständnis auch
dann zu finden, wenn sich Matznahmen als notwendig er¬
weisen, die nicht gerade populär sind, wie wir ja schon heute
beim Punkt 3 unserer Tagungsfolge feststellen können.

Ich bitte Sie also alle, Ihre Aufgaben für die Zukunft
von vornherein richtig aufzufassen und damit aber auch die
Wichtigkeit Ihrer Aufgabe zu erkennen.

Ich rufe nunmehr die beiden Ratsherren Sigbert Kutz-
tarscher und Ingenieur Robert Rauch zur Vereidigung auf."

Die beiden Ratsherren sprachen sodann dem Herrn Ober¬
bürgermeister die Eidesformel nach und bekräftigten im An¬
schlüsse durch Handschlag den auf den Führer geleisteten
Treueid.

Als letzten Punkt in öffentlicher Sitzung sah die Ta-
aunasfolge eine Erklärung des Oberbürgermeisters zur
Festsetzung der Hebesätze für die Vürgersteuer und die
Gewerbesteuer vor. Herr Oberbürgermeister Dr. Denz
führte hiezu folgendes aus:

„Meine Parteigenossen!

Nunmehr komme ich zu einem weniger erfreulichen Kapitel,
das vorzutragen mir sicherlich keine Freude bereitet und das
sicherlich auch Sie nicht gerade gerne hören werden, wenn ich
auch von vornherein sicher bin, datz Sie das nötige Verständ¬
nis haben werden.

Ich komme zur Frage der Festsetzung der Hebesätze für die
am 1. April 1939 in Kraft tretenden beiden Steuern, die Bür¬
gersteuer und die Gewerbesteuer.

Für Ihr Verständnis mutz ich verschiedenes vorausschicken,
da bis jetzt fast niemand von Ihnen Gelegenheit hatte, näher
in die Geheimnisse der Finanzgebarung der Stadt Innsbruck
einzudringen. In meinem Jahresbericht anläßlich unserer
ersten Sitzung am 11. März habe ich Ihnen dargelegt, daß
Innsbruck nicht nur die verschuldetste Stadt der Ostmark war,
sondern daß darüber hinaus große Fehlbeträge im Haushalts¬
plan bestanden haben, die jeweils nur durch Aufnahme neuer
Darlehen und gleichzeitig damit nur durch Vernachlässigung
auch der wichtigsten Aufgaben der Stadt behoben werden
konnten. Ich brauche gerade Ihnen gegenüber, die Sie alle
so wie ich mit heißer Liebe an unserer Stadt hängen, wohl
nicht erst zu begründen, daß weiterhin eine Vernachlässigung
wichtiger Aufgaben niemals der Weg zum Ausgleich eines
Fehlbetrages im Haushaltsplan fein kann. Diese Aufgaben
müssen unter allen Umständen erfüllt werden. Ebenso denkt
doch wohl auch ernstlich niemand von uns daran, Fehlbeträge
im Haushalt durch Neuaufnahme von Darlehen, also durch
eine ständige weitere Verschuldung der Stadt, auszugleichen.

Es bleibt also nichts anderes übrig, als jene Mittel, die zur
Erfüllung der Aufgaben der Stadt auf allen Gebieten not¬
wendig sind, aus den wirklichen Einnahmen zu decken.

Ganz allgemein stehen einer Gemeinde folgende wesentliche
Einnahmen zur Verfügung:

1. Die Einnahmen aus den eigenen Steuern und Abgaben
der Gemeinde,

2. aus den vom Reiche den Gemeinden zugeteUten Ertrags¬
anteilen an den Reichssteuern,

3. aus den Einnahmen der eigenen Betriebe.

Auf dem Gebiete der gemeindlichen Steuern und Abgaben
und ebenso der Ertagsanteile ist vor allem festzuhalten, daß
der nationalsozialistische Staat grundsätzlich der indirekten
Besteuerung, die den Massenkonsum belastet und damit sozial
ungerecht ist, ablehnend gegenübersteht unö den Übergang
zur direkten sozial gerecht abgestuften Besteuerung sucht. Daß
dieser Grundsatz für uns in der Ostmark in manchen Be¬
langen grundlegende Änderungen bringt und bringen muß,
ist selbstverständlich. Wie weit die Auswirkungen allerdings
auf diesem Gebiete sind und fein werden, läßt sich heute von
mir auch nicht annähernd sagen. Ich kann daher heute beim
besten Willen nicht voraussagen, wie sich die bisherigen
Grundpfeiler der städtischen Einnahmen verändern werden,
wann beispielsweise die Verbrauchsabgabe fallen wird, oder
insbesondere mit welchen Ertragsanteilen die Stadt Inns¬
bruck rechnen kann. Zu letzteren kann ich mich nur darauf
beschränken, die bestimmte Hoffnung zu äußern, daß das
Reich bei Festlegung der der Stadt Innsbruck zufallenden
Ertragsanteile die fo außerordentlich ungünstige Finanzlage
besonders schwer in die Waagschale werfen wird. Darüber
hinaus kann ich mich aber auch bei allem Optimismus in
dieser Richtung der Erkenntnis nicht verschließen, datz trotz¬
dem alle nur denkbar möglichen Anstrengungen seitens der
Stadt selbst gemacht werden müssen, um den Weg einer ge¬
sunden Entwicklung gehen zu können. Aus dieser Erkennt¬
nis entsteht für mich die Verpflichtung, nicht aus Povulari-
tätshascherei den Versuch zu unternehmen, die Steuersätze
möglichst günstig zu halten und dabei die Sorge um die Zu¬
kunft ich weitz nicht wem zu überlassen, sondern vielmehr
die Verpflichtung, tatsächlich auch von den Bürgern dieser
Stadt den entsprechenden Anteil zu verlangen. Diese Er¬
kenntnis kam mir immer deutlicher zum Bewutztsein, als
ich gerade in der letzten Zeit mich mit dem für die Zeit vom
1. April 1939 bis 31. März 1940 laufenden Haushaltsplan ein¬
gehend beschäftigte und jede einzelne Post mir die Größe
und Dringlichkeit so vieler Aufgaben vor Augen führte. Sie