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November
1955
18. Jahrgang
Die Feier der Befreiung
An der Annasäule, jenem Denkmal, das an den Ab¬
zug der feindlichen Truppen am 26. Juli 1703 erinnert,
wurde am 25. Oktober ein riesiger, mit den Farben
und Wappen des Landes Tirol wie der Stadt Inns¬
bruck geschmückter Kranz niedergelegt. Wieder einmal
war ein Vefreiungstag angebrochen, einer jener
Freudentage, denen zumeist lange Sturm- und Not¬
zeiten vorangegangen sind. Wenn auch Innsbruck das
Glück hatte, nur selten in seiner 700jährigen Geschichte
Feinde in seinen Mauern zu sehen, so hatte es doch auch
bereits einige solcher Vefreiungstage erlebt, wie jenen
ermähnten Iulitag 1703, den Abzug der Franzosen am
8. April 1801 unter General Demont nach dem Frieden
von üuneville, die Rückkehr Tirols an Österreich am
24. Juli 1814 und den Abzug der Militärmission am
11. Dezember 1920. Möge es Innsbruck vergönnt sein,
nie mehr wieder einen Vefreiungstag feiern zu können!
Die offizielle Vefreiungsfeier fand auf dem weiten
Platz vor der Hofburg statt, auf dem die Ehrenfor¬
mationen aufgezogen waren und den Taufende von
Zuschauern umsäumten. Freilich paßten die aufge¬
spannten Regenschirme schlecht zu den Freudenmienen,
aber der Wettergott vergoß als Einziger bittere Ab-
schiedstränen um die abziehende Besatzung.
Der Landeshauptmann, Ökonomierat
Alois
Grauß,
schreitet die Front der Ehrenkompanien ab. Am Säu¬
lengang des Landestheaters wird er von den Ver¬
tretern
der Landesregierung, der Landeshauptstadt,
der Kirche und der ausländischen Regierungen begrüßt.
Die Wiltener Stadtmusit
spielt
eine Festfanfare,
Dichterworte Grillpnrzers werden vorgetragen, und
der Marsch ,.O. du mein Österreich" jubelt auf. ehe der
Landeshauptmann
seine
Festansprache
hält,
in der er
u. a.
sagt!
„Überall in Österreich, von der Schweizer Grenze bis
zu den Gestaden des Neusiedler Sees, sind heute die
Menschen froh nnd freudig gestimmt. Unser Vaterland
hat
seine
Freiheit wieder - in Österreichs tausend¬
jähriger
Geschichte hat an diesem Tag ein neuer Ab¬
schnitt begonnen.
In unendlich schwieriger, von Rückschlägen immer
wieder bedrohter Arbeit wurde Schritt für Schritt das
Wiederausbauwert durchgeführt. Es gelang, den Hun¬
ger zu bannen, Häuser instand zu setzen, neue zu bauen,
den Verkehr in Gang
zu
bringen, Rohstoffe heranzu¬
schaffen und die Produktion wiederaufzunehmen. Die
Kriegsgefangenenlager öffneten
—
erst im Westen,
dann im Osten — ihre Tore, und die ehemaligen
Sol¬
daten
kehrten zu ihren Lieben in die Heimat zurück.
Am 11. April dieses Jahres begab sich die österrei¬
chische Regierungsdelegation unter Führung des Bun¬
deskanzlers zu den Staatsvertragsverhandlungen nach
Moskau. Am 2. Mai trat die Votschafterkonferenz zur
Behandlung des Staatsvertrages in Wien zufammen.
Am
15.
Mai wurde der Staatsvertrag dortselbst im
Marmorsaal
des
Belvederes
von den Außenministern
unterfertigt und gesiegelt. Am
7.
und
8.
Juni wurde
er
von Nationalrat und
Bundesrat
einstimmig
ange¬
nommen.
Am 27. Juli trat der Staatsvertrag in
Kraft.
Und
heute, am
25.
Oktober
1955,
ist
die
90tägige
Frist
um,
die
für den Abzug der Besatzungen gesetzt rvar.
Der
letzte
Vesatzungssoldat hat den österreichischen
Boden verlassen — unser Vaterland ist frei.
Tiefe Bewegung erfaßt uns an diefem von allen
Österreichern so lange und so heiß ersehnten Tag. Unser
Herz
ist
voll von Freude und patriotischem Stolz. End¬
lich
hat unser Glaube
den
Lohn,
unser
Verlangen
Erfüllung, unfere Arbeit Krönung gefunden.
Danken
wollen wir, aus ganzem
Herzen
danken.
An
erster Stelle unserem
Herrgott,
der Österreich
nicht verlassen hat, sondern gnädig seinen Schutz und
Beistand
gewährt hat. Dann allen, die unserem
Vater¬
land
in
der Zeit der Not uud des Ringens um Freiheit
großmütig
und verständnisvoll geholfen haben. Ferner
jenen
Männern, die
in
Österreichs Schicksalsjahren die
Verantwortung aus sich
genommen und
für
Österreichs
Freiheit unermüdlich und
unerschrocken gekämpft
haben. Dein österreichischen
Volt,
das sich
in
größter
Bedrängnis
als
so
gläubig,
so
tapfer und so treu
er¬
wiesen
und
unter
schwierigsten Bedingungen niit
außerordentlichem Fleiß
für
den Wiederaufbau
gear¬
beitet hat! dem
Bauern,
dessen
Anstrengungen
es ge¬
lungen ist. das
tägliche Brot für alle
zu sichern,
dem
Arbeiter,
der
auch
in der
Not-
nnd Hnngerszeit auf
seinem
Arbeitsplatz
war und
das
Vaterland in kriti¬
scher
Stunde vor großer
Gefahr bewahrte, den
indù-
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