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Amtsblatt 1959 Nr. 12 - Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck
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Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck

Nummer 12

Um 1630 wurde an der Westseite des Rennwea.es ein
großes Gebäude für Feste und Theaterspiele des Hofes
errichtet, das seit dem 18. Jahrhundert teils als Reit¬
schule, teils als Maulhaus, teils als Altenmagazin
und so weiter verwendet wurde. Diese Ruine des letz¬
ten Krieges erinnert uns nur wenig mehr an den
ursprünglichen Zweck.

Diesem alten Hofball-Haus fehlte aber jener intime
harmonische Charakter der Komödienhäuser, die in
Italien bestanden. Daher entschloß sich der Lanoesfürst
zum Bau eines modernen Theaters nach Art der vene¬
zianischen Opernhäuser, des ersten frei stehenden
Operntheaters im deutschen Sprachgebiet.

Hofbaumeister Christoph Gumpp, der schon
25 Jahre vorher am Ballhaus-Theater mitgearbeitet
hatte, erstellte nach Studienreisen in Italien die Pläne
für das neue Operntheater. Dieses Innsbrucker Hof¬
theater entfaltete beim Besuche der Königin Christine
von Schweden, der Tochter Gustav Adolfs, im Jahre
1655 seinen höchsten Glanz.

Wechselvoll ist die Geschichte des Theaters in Inns¬
bruck und immer wieder standen finanzielle Sorgen
Pate. In der Josefinischen Zeit wurde das „t. u. t. Hof¬
uno Nationaltheater" ans Erträgnissen der Viersteuer
subventioniert. Josef II. soll damals gesagt haben!
Für die Komödienlust der Innsbrucker Herren müs¬
sen alle Tiroler das Vier teurer trinken. Wenn sie
nicht zahlen wollen, so sollen sie kein Theater haben."
Die Theateranhänger haben aber trotzdem gesiegt und
es blieb weiter in Betrieb. Während der Vayernherr-
schaft hieß die Bühne königlich-bayrisches Hof- und
Nationaltheater, nachher k. k. Nationaltheater. Für
die anhaltende Theaterfrendigteit der Innsbrucker
war es bezeichnend, daß die kleine Stadt mit zirka
10.000 Einwohnern ein Theater mit !)<i6 Plätzen füllte.

1844 wurde das baufällig gewordene Haus geschlos¬
sen und abgebrochen. Nach zweijähriger Bauzeit wurde
der heute bestehende Theaterbau am Rennweg er¬
öffnet.

Auch zur damaligen Zeit blieb das Theater nicht von
finanziellen Krisen verschont. Hofrat von Mensi, der
Vorsitzende der Theatertommission, schrieb schon im
Jahre 1849 an das Landtagspräsidium' „Ich kann
nicht umhin, wiederholt die Überzeugung auszuspre¬
chen, daß es vom politischen Standpunkt für die Regie¬
rung nicht gleichgültig sein kann, ob in einer Stadt
wie Innsbruck mit vielen Behörden, einer Garnison,
einer Universität nnd dem zeitlichen Aufenthalt von
Tausenden von Reisenden ein Theater besteht oder
nicht!"

Nach vielen Überlegungen ist nun die heutige Forni
der Führung des Tiroler Lanoestheaters gefunden
worden und allen Verufsständen gebührt für diese
Entscheidung des Tiroler Landtages und des Gemein¬
derates der Landeshauptstadt Innsbruck Dank.

Der Wunsch nach Errichtung eines zweiten Hanfes,
zur Ergänzung und Vervollständigung des Theater-
lebens liegt schon Jahrzehnte zurück. Aber immer wie¬
der scheiterten die Bemühungen am Fehlen geeigneter
und zentral gelegener Räumlichkeiten.

Das zähe Festhalten Intendant G o r i t s ch a n s
und seiner Mitarbeiter, für das Kulturleben in Inns¬
bruck eine „Kleine Bühne" zu besitzen, führte den
Innsbrucker Gemeinderat dazu, die notwendigen Be¬
schlüsse zu fassen.

Doch Landestheater oder Kammerspiele bleiben nur
äußere Hülle, wenn man sich nicht für deren inneren
Zweck, für das Spiel auf der Bühne immer wieder die
Frage stellt, „wie entwickelt sich der einzelne Mensch
und wie wird er zum vollen Menschen".

Die Feststellung der Allgemeinheit des Naturgesetzes
besagt, daß keines Menschen Geist sittlich blind ist.
Diese Wurzel der gesellschaftlichen Ordnung tann ver¬
kümmern, wenn die natürliche Veranlagung nicht ent¬
wickelt nnd ansgebildet wird.

Unter öffentlicher Sittlichkeit wolle» wii de,, g
stano einer Gesellschaft verstehen, gemessen an dein,
was in der Öffentlichkeit an sittlichem Standard ge¬
duldet oder gefordert wird. Jode ^eil verlangt, an
der Hebung des sittlichen Standards zu arbeiten, möge
dabei manch Traditionelles über Bord geworfen wer¬
den müssen. Dabei ist vor allem auch an das Theater
zu denken. Diese innere Aufgabe des Theaters finden
wir bereits befürwortet mit großem Nachdruck bei
Plato und Aristoteles. Der erstere will ans dein öffent¬
lichen Leben jede entnervende Art uo» Dichtung.
Musik und Kunst uerbaunen, der letztere leitet aus sei¬
nen Prinzipien die Notwendigkeit einer „guten sitt¬
lichen Erziehung" ab, worin er auch den Hauptzweck
der Politik sieht'.

Ich glaube, auch die Jugend sagt „ja" zur Eröffnung
dieser Bühne. Der Kernpunkt in dieser Frage scheint
mir zu sein, daß unsere Iugeud geschickt und behutsam
unter verständnisvollem Eingehen ans ihre Gegen-
wartsinteressen anf dieses Theater aufmerksam ge¬
macht wird. Wir wissen, daß in Innsbruck viele junge
Leute aus allen Schichten der Vcuö'Iternng vorhanden
sind, die beispielsweise regelmäßig nnd gerne gute
Symphonietonzerte besuchen. Wir haben in Innsbruck
gut besuchte Kurse der Volkshochschule, des Katholi¬
schen Bildungswertes, der Arbeitertammer nnd der
Gewerkschaften. Wir haben eine bescheidene Bühne,
auf welcher junge künstlerische Kräfte ihre Begabung
am Zuhörertreis Gleichaltriger und Erwachsener er-
probeu können.

Man sagt, die Währung ist stabil, die Wirtschaft
fortschrittlich und produktiv. Es muß nuii die Epoche
des kulturellen Aufschwungs und der kulturellen Ver¬
tiefung im Valerlande kommen. Man fragt sich, warum
noch immer ein Aschenbrödeldasein für jene kulturel¬
len Werte, die den Österreicher in Geschichte und vor
der Welt auszeichnen. Werte, die gerade in den Seiten
der Technisierung und Automation, der zunelimenden
Freizeit einer echten Renaissance bedürfen. Nun muß
eine Offensive der Kulturpolitik folgen, geplant mit
Verstand und Herz für den Mitmenschen,

Die Kultur und damit das Theater müssen ader auch
aus der Enge der Exklusivität heransgesuln'l werden.
Die Zeit muß vorbei seiu. wo nur in Iiertömmlicher
Weise an traditionellen Theatern um einem degrenz¬
ten Personenkreis Spitzenleistungeil präsentier! wer¬
den, wobei auch manchmal kommerzielle Erwägungen
eine übergeordnete Rolle spielen. Ein immer größerer
Teil der Venolkerung muß am geistigen Leben Anteil
nehmen tonnen. Auch im einfachen Menschen müssen
kulturelle Interessen geweckt werden. In zäher Erzie¬
hungsarbeit und durch Leistungen bester Schriftsteller
muß das Theater zum feiertäglichen kulturellen Be-
diirsnis für weiteste Kreise unserer Mitmenschen
werden.