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Jänner I9(i()
23. Jahrgang
Über das Schicksal ehemaliger Innsbrucks Hilfsschttler
Besprechung der
Inauguraldissertation
von Dr. ^ndlvig
Pcdevilla
Da sich im Gebiete der Stadt Innsbruck die größte Allgc-
mciuc Sonderschule (Hilfsschule) des Landes mit derzeit
1A blassen befindet, deren 227 Kinder zwei bis drei Prozent
der gesamten Innsbrncker Pflichtschülcr betragen, da anßer-
dein in naher Zukunft der Sonderschule endlich ein eigener
(Gebäudeteil (Ofttrakt des Siebcrcr Waisenhauses) zur Ver¬
fügung stcheu wird, ist es Wohl angebracht, hier in der
Innsbrucker Öffentlichkeit eine Arbeit ',u besprechen,, die in
ihren Ergebnissen doch auch
ciue
Rechenschaft dariibcr abgibt,
ob Bestand und weiterer Ausbau der Eondcrschulc berechtigt
sind oder nicht.
Einleitend in seiner 2<!<> Seiten umfassenden Arbeit „Nach¬
forschung über das Schicksal ehemaliger Innsbrucker Hilfs-
schiiler mit besoudercr Berücksichtigung ihrer Berufotiichtig-
teit" läßt Pcdcvilla (^andesschnlinspektor für das Berufs¬
schulwesen in Südtirol) E. Sprangcr den Sah zitieren:
„Man kann den Menschen nicht ohne Herzeleid betrachten."
Pedevilla erläutert
seine
Aufgabe mit tiefem Ernst, iudem
er sagt: „Gewiß ist es hundertmal leichter, Fälle zn unter¬
suchen, als in selbstloser, helfender Hingabe seine Arbeits¬
kräfte verströmen zn lassen nnd ein Berufsleben für jene
einzusehen, die größten psychischen und Physischen Energie-
Verschleiß mit unzähligen Enttäuschungen und nur geringen
Erfolgeu, vor allem von der öffentlichen Meinung ancr-
tanntcn Erfolgen, zn lohnen vermögen. Ehrfurchtsvoll sei
dalier
stets
jener
gedacht, denen ein Leiden irgendwelcher Art
aufgegeben ist, auch dann, wenn sie dieses ans die unterste
Grenze des Menschseins gerückt
Halle:
Ehrfurcht aber beson¬
ders vor jenen, die dieses Leid lindern und lrageu helfen."
Pedevilla hat folgende Untcrsuchungömcthode angewandt:
Bon der Beschreibung dcs Einzelfalles geht er ans, bezieht
die Physische und psychische Umwelt ein, berücksichtig! nach
Möglichkeit die Heredität nnd will zn einer ganzheitliclien
Betrachtung gelange». Er kommt znr Einteilung in nmwelt-
ftabüc nnd nmwelllabile Grnppen, wobei Hilfsschule? ineist
zn der lchteren gehören. Daher müsse in der vorliegenden
Arbeit die Erforschung der Umwelt besonders große Beach¬
tung verdienen, obwohl die Priorität der Umwell doch ihren
Ursprung wieder in dieser bestimmten Beschaffenheit der
Anlagen
hat.
Um so zu
eineiu
ganjheillichen Bild dc>.> Prolüinden
,>i
kommen, benühte Pedevilla alle äußeren
llnierlagrn,
wie
Berichte der
Bolls nnd
Hilfsschule, der Klassenlehrer, des
Jugend und ^-ürsorgeamtes, des Gerichtes, der Veh
der Arbeitgeber, der Verwandten nnd Bekannten,
also
der
„sfrcmdenbcobachtuug", «wie Pcdcvilla sie uennt. Zu dieser
Fremdbeobachtung gehört natürlich auch der direkte Kontakt
mit dem Prubanden, der dann zur Aussage, zum „Königsweg
der Psychologie" führt, znr Selbstbeobachtung.
Die Hansbcsnchc bei Ittl! ehemaligen Hilfsschule!» fanden
vom Jänner bis April l!!.',^
statt.
Sie haben nur dann Er¬
folg, wenn sie mit Einfühlungsvermögen, mit intuitivem
Erfassen, mit tieferem Bcrstchen des anderen gemacht
werden. Pcdevilla zeigt das in mehreren Beispielen. Um bei
diesen
Gesprächen uud überhaupt bei der ganzen Nachfor¬
schung genau orientiert zn sein, hat sich Pedevilla eine
gründliche Kenntnis des Hilfsschulkindcs nnd feiner Schnle
angeeignet. Er gibt einen umfassenden Überblick über die Ge¬
schichte des Hilfsschulwcfens im allgemeinen nnd die der
Innsbrncker im besonderen. Er ist informiert darüber, daß
man in der Heilftädagogik fast von einer internationalen
Krise sprechen tonnte, weil die einen sie in eine medizinische
nnd jugcudpsychologische geteilt wissen wollen, während die
anderen aber, darunter die Österreicher und Deutschen, für
keine Spaltung, sondern Zusammenarbeit aller bei Gleich¬
berechtigung des Arztes, Psychologen und Pädagogen sind.
Pedevilla begreift das Wesen der speziellen
Hcilpadagoa.it
in der Hilfsschule, die im Helfen liegt. Geschickt wendet er bei
der Aussprache mit den Probauden
diesen
Gruudsah an uud
erreicht fast tiefcnpsychologischc Ergebnisse. Pedevilla sagt
selbst: „Der Proband darf nicht das unbehagliche Gefühl
haben, verhört oder gar ausspioniert zn werden. Er muß
vielmehr etwas
Une
Teilnahme eines anderen Menschen an
seinem eigenen Schicksal, seinem Wohl und Wehe verspüren.
Dann geht er ans seiner verschanzten Stellung heraus, zei^t
sich, wir er in Wirklichkeit aussieht, nnd ist anch mit dem im
ersten Moment unerwünschten Besucher ausgcsöhut."
Pedevilla berichtet iu
diesem
'^nsanimenhmig von
einer
ähnlichen Erhebung, die IW5l an Wiener Hilseschiilcrn
gemacht wurde. Hausbesuche worden aber dort nnr in den
notwendigsten Fällen getätigt, freilich ist die Arbeit mit ver¬
sandten Fragebögen bequemer als die mühseligeu uud
zeit«
raubeudeu Hausbesuche. Pedevilla schildert den Borgaug bei
seinen
Besuchen ausführlich und berichtet, daß dank seines
Borgehens ei um in drei Fällen den Eindruck hatte, mir
widerwillig geduldet zu sein.
Pedevilla verwendete natürlich auch
einen
Erl>ebungs-
mil
drei Hauvtpuukteiu Milieuersorschuug, Vebeus-
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