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Amtsblatt 1963 Nr. 02 - Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck
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Seite 2

Amtsblatt der Laudcöhauptstadt Innsbruck

Nummer 2

Als zweiter Festredner zeigte der 1. Landeshaup
mann-Stellvertreter Hofrat Professor Dr. Hans Gam-
per die Nolle Tirols im Verband der österreichischen
Länder auf und führte eine Reihe historischer Tat¬
sachen über den Einflnß Tirols auf Wien und ganz
Österreich an, nicht zuletzt den hohen Blutzoll, den
die Tiroler immer wieder in den abgelaufenen Jahr¬
hunderten für die Freiheit und den Bestand Öfter¬
reichs leisten mutzten. Schon der berühmte Inns¬
brucker Nechtshiftoriter Julius von Filter, ein gebür¬
tiger Westfale. hatte vor fast 100 Jahren festgestellt!
Ohne Tirol wäre Österreich vielleicht dauernd zur
Stellung einer Macht zweiten Ranges verurteilt ge¬
wesen."

Am Ausgang des Mittelalters habe Kaiser Maxi¬
milian Innsbruck als seine eigentliche Residenzstadt
betrachtet und Wien nur zweimal besucht. In den
Zeiten der Türkennot mußte Tirol allein 120.000 Gul¬
den beisteuern, mindestens doppelt soviel als jedes
andere österreichische Land. Der kunstsinnige Hof zu
Ambras aber hat — wie Hofrat Professor Gamper
weiter ausführte — ebenso wie der Hof zu Wien
nachhaltig beigetragen zur geistigen Heranbildung
des österreichischen Menschen' der Österreicher bekam
dadurch sein eigenes Gepräge, so daß Heimische und
Fremde von einer eigenen österreichischen Ration zu
sprechen begannen, was von anderer Seite wieder auf
das Heftigste verneint wurde/'

Schließlich behandelte der Redner die Frage! Wie
steht es aber mit Tirols Gegenwart und Zukunft?
— Kein Kloster, das Jahrhunderte überdauert, kein
Grabmal, kein Schloß, keine Gedenksäule wird von
unserer Zeit der Rachwelt Kunde tun. Es wird aber
heißen, es steht eine Brücke in den Bergen Tirols,
Symbol des Zeitalters der Technik. Man gab ihr
den Ramen Europabrücke, weil man die Hoffnung
hegte, es werde zur Errichtung eines europäischen
Staatenbundes kommen. Über Tirols Brücken und
Pässe werden weiterhin in Gegenwart und Zukunft
Völker und Menschen ziehen, so wie es seit 2000 Ja
ren und mehr der Fall war: in der Römerzeit, in der
Völterwanderungszeit, in der Zeit der römisch-deut¬
schen Kaiser. Triumphierend hat Rudolf der Stifter
kurz nach der Erwerbung Tirols an den Dogen von
Veiled ig geschrieben.' „Alle Straßen, die nach Italien
führen, sind in unserer Hand." Das ist zwar übertrie¬
ben, aber gestern war es der Brenner und das Re-
schenscheideck, morgen kommt das Timmclsjoch dazu,
übermorgen wird man uon München durchs Ziller-
lal nach Venedig fahren. Gastland für Hundert¬
tausende und Durchzugsland für Millionen Menschen
jährlich ist heute Tirol und wird es bleiben, bedingt
durch seine glücklich-unglückliche Lage zwischen Nord
und Süd. Politisch ist Tirol heute getrennt, halb bei
Wien und halb bei Rom. Wir tragen dieses unver¬
diente Schicksal schwer, denn Bergvölker sind freiheits¬
liebend.

Aber am heutigen Tag wollen wir im Geiste unserer
Väter laut und deutlich der Welt eines sagen.' „Wir
wollen leine abhängige Provinz sein, weder im Ror-
den noch im Süden, sondern ein selbständiges Land,
wie es im H 1 der Tiroler Landesordnung geschrie¬
ben steht,"

Landeshauptmann Dr. Hans Tschiqgfrcy ergriff
nach einer feierlichen Zwischenmusik als dritter und
letzter Festredner das Wort, um das Verhältnis Tirols
zum Bundesstaat Österreich darzustellen. Eingangs er¬
innerte er an den freiwilligen Beitritt Tirols als
österreichisches Bundesland! „Als das alte Österreich
in den Stürmen des l. Wellkrieges anseinanderbrach
und eine Reihe uon Rationeil ihre eigenen Wege ging,
waren es die Länder, die 1!N8 durch ihre Beitritts¬
erklärung die Bildung eines neuen Staates, unseres
jetzigen Vaterlandes Österreich, ermöglichten. Aus
ebenso freiem Entschluß wurde dieser Bund nach
Ende des 2. Weltkrieges, im September l!»l.'), im Sit¬
zungssaal des niederösterreichischen Landtages, feier¬
lich erneuert. Niemals werden daher die Länder auf
ein ausgeprägtes Eigenleben verzichten, denn sie sind
nicht nur älter als der Staat, sondern sie repräsen¬
tieren auch die Vielfalt Österreichs und sind ein be¬
währter Schutz vor jeder zu starken Machttonzentra-
tion. Jede zu große Machtzusammenballung in den
Händen einzelner oder weniger verleitet stets zum
Mißbrauch der Macht und stellt so eine Gefahr für die
persönliche Freiheit des Menschen dar. Wir sehen im
Bundesstaat daher einen Garanten für die Erhaltung
lebendiger Freiheit durch ein Gleichgewicht der Kräfte,
für die Schaffung uud Erhaltung eines Znstandes
des Friedens und der Zusammenarbeit, nicht dnrch
Zwangsgewalt, sondern durch gegenseitiges Einver¬
ständnis."

Ein Lob des Föderalismus bedeuten folgende Sätze!
„Der Föderalismus ist aber auch eine Gemeinschafts-
form, welche für den an Freiheit gewöhnten Menschen
die Unterordnung unter die Staatsgewalt am erträg¬
lichsten macht. Bei der Vielfalt der europäischen R
tionen und Völker wird er auch die beste Form des
Zusammenlebens für ein Europa der Zukunft sein.
So wie heute die Länder vom Staat ein Eigenleben
verlangen, so werden auch einst die europäischen
Staaten im Rahmen einer europäischen Gemeinschaft
gewisse Freiheiten begehren und sich dennoch zum
Ganzen als eine Einheit bekennen. Kompetenzuertei-
lung und Finanzausgleich stellen daher heute schon
eine Generalprobe der Negierungstunst für ein künf¬
tiges Europa dar. Der Föderalismus findet seine
stärkste Rechtfertigung im Grundsatz der Subsidiarilät.
Beide streben eine Verteilung der Macht an, durch
beide wird ein richtiges Verhältnis zwischen gesamt¬
staatlicher Einheit und örtlicher und menschlicher Frei¬
heit geschaffen."

Landeshauptmann Dr. Tschiggfrey schlug dann die
Schaffung einer technischen Hochschule in Innsbruck
zur bleibenden Erinnerung an dieses Gedenkjahr vor.'
„Sowohl der Tiroler Landlag als auch die Tiroler
Landesregierung sind sich der Tatsache vollauf be¬
wußt, daß die würdigste Forin der Begehung eines
Gedenkjahres nicht die Abhaltung von zahlreichen
Feiern, sondern die Schaffung oder Förderung von
Einrichtungen für die Zukunft unseres Volles ist. Die
Zukunft nnseres Voltes aber ist die Jugend. Daher
wurde im Finanzierungsprogramm des Gedenkjahres
der Schaffung gemeinnütziger Einrichtungen vor
allein fiir die Jugend ein besonderes Augenmert .i>ige
wandt. Darüber Iiinans scheint mir ein A