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Amtsblatt 1970 Nr. 07 - Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck
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denn je hineinverwoben in das ge¬
samte Leben der Gesellschaft. Wis¬
senschaft und Hochschulen haben
darin eine notwendige, geistig be¬
lebende, fördernde und umgestal¬
tende Funktion.

Zugleich nehmen sie desto inten¬
siver Anteil am Leben und Wandel
der ganzen Gesellschaft. Zwischen
Wissenschaft und Gesellschaft be¬
steht ein Wechselverhältnis gegen¬
seitiger Entwicklung und Fortbe¬
stimmung, das aber nur sinnvoll
und fruchtbar sein kann, wenn
Wissenschaft eben Wissenschaft
ist, allein der Wahrheit verpflichtet,
wenn die Hochschulen in ihrer we¬
senseigenen Funktion erhalten
und gefördert werden, wissen-
schaft'iche Forschung zu leisten
und akademische Bildung zu ver¬
mitteln, nicht aber, wenn sie pseu-
dopoiitisch umfunktionalisiert wer¬
den und damit, zum unermeßlichen
Schaden der gesamten Gesell¬
schaft, zu sachfremden Zwecken
mißbraucht und ihrer eigenen We¬
sensfunktion entfremdet werden."

Aus der Sicht der Stadtgemeinde
traf Bürgermeister Dr. Lugger in
seiner Ansprache bei der Eröffnung
der Technischen Fakultät dazu
grundsätzliche Feststellungen, die
nicht zuletzt auch die Leistungen
der Innsbrucker Bevölkerung für
ihre Universität in die Zusammen¬
hänge dieser gegenseitigen Ver¬
pflichtungen stellten: „Als Bürger¬
meister der Stadt Innsbruck", so
sagte Dr. Lugger, „darf ich mit
Freude und Genugtuung den Tag
der feierlichen Eröffnung unserer
Fakultät für Bauingenieurwesen
und Architektur als einen Mark¬
stein in der Entwicklung nicht nur
der Universität, sondern auch un¬
serer Stadt bezeichnen. Universi¬
tät und Stadtgemeinde standen ja
schon seit der Gründung unserer
Alma Mater Oenipontana in einer
lebensvollen gegenseitigen Bezie¬
hung, die sich in guten wie in
schlechten Zeiten immer wieder
bewährt hat. Erlauben Sie mir, daß
ich im Hinblick auf die 300-Jahr-
Feier der Universität, als deren Auf¬
takt die Eröffnung der Technischen
Fakultät gelten soll, nur auf einige
wenige Fakten dieser Verbunden¬
heit von Universität und Stadt hin¬
weise.

Schon für die Errichtung der Uni¬
versität war, wie wir der kaiser¬
lichen Entschließung entnehmen
können, das geistige, auf zwischen¬
staatliche Verständigung und gro߬

räumiges Denken angelegte Klima
dieser Brückenstadt am Inn aus¬
schlaggebend. In ihm konnte sich
jener weitverzweigte Baum der
Universitas zu Blüte und Frucht
entfalten, der einerseits dann nicht
nur der Stadt selbst, sondern über
die Grenzen des Landes hinaus
auch dem europäischen Raum zu
Ehre und Ansehen gereichte.

Die Stadigemeinde wußte zu
kämpfen, wenn es galt, dieses
Zentrum geistiger Ausstrahlungs¬
kraft zu erhalten. So etwa, als es
darum ging, daß die von Kaiser
Josef !!. zu einem Lyzeum herab¬
geminderte Universität wiederher¬
gestellt werde. Oder als sie infolge
der Besetzung Tirols nach dem
Freiheitskrieg des Jahres 1809 auf¬
gelöst worden war und dann ihre
Wiedererrichtung betrieben werden
mußte, wofür Innsbrucks Bürger¬
meister in Wien eine sehr klar for¬
mulierte Petition überreichen ließ.
Und schließlich auch in der Aus¬
einandersetzung im Tiroler Land¬
tag, als mit der Virilstimme des
Bürgermeisters die Theologische
Fakultät wieder für die Universität
Innsbruck zurückgewonnen werden
konnte.

Die Stadtgemeinde wußte aber
auch zu helfen, vor allem, wenn
die wirtschaftlichen Fundamente
der Alma mater zu sichern waren.
Durch finanzielle Beiträge, durch
Förderung der Universitätsbauten
oder, um auch hier eines der vielen
möglichen Beispiele konkret zu er¬
wähnen, die Überlassung des Bür¬
gerspitals als Stätte der Ausbil¬
dung, was eine der Voraussetzun¬
gen für die Errichtung unserer
Medizinischen Fakultät war.

Kehren wir aber in die Gegenwart
zurück: Die Studiengebäude der
Technischen Fakultät stünden nicht,
stünden noch nicht hier im
Weichbild Innsbrucks, hätten nicht
Land und Stadt die Initiative für
die Verwirklichung eines schon
sehr lange bestehenden Wunsches
ergriffen. Sie haben die Hauptlast
der Finanzierung übernommen.
Die 100 Millionen Schilling, die von
der Stadtgemeinde Innsbruck dafür
geleistet wurden, entsprechen kei¬
ner gesetzlichen Verpflichtung,
wohl aber der Bereitschaft, sich
des Rufes als Universitätsstadt
würdig zu erweisen. Einer Bereit¬
schaft, die das bewußte Bekenntnis
nicht nur der Gemeindeführung,
sondern auch unserer ganzen Be¬
völkerung dazu einschließt, daß die

Auszeichnung unserer Stadt mit
einer Hohen Schule auch finan¬
zieller, auch materieller Opfer wert
ist.

Ich möchte die feierliche Eröffnung
dieser Fakultät daher zum Anlaß
nehmen, gerade unserer Bevölke¬
rung dafür herzlich zu danken.
Es steht außer Frage, daß Ent¬
scheidungen, wie sie in den demo¬
kratischen Instanzen unserer Ge-
meindeführung zugunsten der
Technischen Fakultät zu treffen
waren, die Bevölkerung heute weit
mehr berühren als in früheren Jahr¬
hunderten. Damals war der Bau¬
grund noch nicht so knapp, erfor¬
derte der Einwohnerstand der
Stadt nicht so viele Wohnungen
und war von der Notwendigkeit
einer Gewerbe- und Industrieför-
derung noch gar nicht die Rede.
Heute setzt die Entscheidung dar¬
über, ob ein Grundstück für ein
Universitätsgebäude, zur Industrie¬
förderung oder für den Wohnbau
bereitgestellt und erschlossen wer¬
den soll, eine viel schwerwiegen¬
dere Überlegung der Verantwort¬
lichen und weit mehr Verständnis
und Mitgehen seitens der Bevölke¬
rung voraus.

Alle die materiellen Opfer, die von
der Bevölkerung für die Universi¬
tät erbracht werden, erhalten dann
ihre innere Rechtfertigung, wenn
die Studentinnen und Studenten,
die sich hier auf ihre spätere Be¬
rufsarbeit in der Gemeinschaft der
Mitbürger vorbereiten, dies tun im
Bewußtsein, daß mehr Bildung
auch mehr demokratische Mitver¬
antwortung zur Folge haben muß.

Die Entwicklung hat es zwangs¬
läufig mit sich gebracht, daß wir
einander näherrücken, daß auch
Universität und Bevölkerung, Uni¬
versität und Gemeindeführung
ihr Zugeordnetsein in einer sich
zunehmend integrierenden Welt
neu erkennen und wahrnehmen.
Wenn wir diese Realitäten ins Auge
fassen, werden wir erfahren, wie
viel mehr Gelegenheiten sich uns
bieten, um die rasch sich weiten¬
den Zukunftsräume unserer ge¬
sellschaftlichen Entwicklung mitzu-
gestalten. Wir werden sie mit Ziel¬
setzungen ausstatten können, die
dem Menschen in seiner Ganzheit
gerecht werden. Und wir werden
dafür sorgen müssen, daß es nicht
einigen wenigen aus einer Ano¬
nymität heraus, sondern der Ge¬
samtheit der Bevölkerung in Wahr¬
nehmung des durch die Demokra-

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