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Amtsblatt 1971 Nr. 04 - Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck
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Die erste und konstituierende Gemeinderatssitzung"

Nachdem somit alle Hürden über¬
wunden waren, konnte der Ge¬
meinderat am 4. April 1946 nach
zwölfjähriger Unterbrechung — die
letzte Gemeinderatssitzung wurde
am 19. Jänner 1934 abgehalten —
zu seiner „Ersten und konstituie¬
renden Sitzung" zusammentreten.

Rein verfassungsmäßig gesehen ist
der damalige Gemeinderat, da
seine Mitglieder ernannt und nicht
durch Gemeinderatswahlen ge¬
wählt worden sind, allerdings nur
als „provisorischer Gemeinderat"
zu bezeichnen, wie dies auch vom
Landesgesetzgeber z. B. im Gesetz
vom 2. Juni 1949 über das Stadt¬
recht der Landeshauptstadt Inns¬
bruck getan worden ist, doch än¬
dert dies nichts an der Tatsache,
daß am 4. April 1946 die Geschicke
Innsbrucks nach langen Jahren
endlich wieder in die Hände eines
nach demokratischen Grundsätzen
konstituierten Gemeinderates ge¬
legt worden sind.

An dieser ersten und konstituieren¬
den Sitzung des Innsbrucker Ge¬
meinderates, an die der vorliegen¬
de Aufsatz erinnern soll, nahmen
folgende von den drei Parteien
nominierte Gemeinderatsmitglieder
teil:

ÖVP

Abfalterer Johann
Bader Herbert Ing.
Falger Nikolaus Prof.
Dr. Greiter Franz (StR.)
Hirsch Ferdinand
Kotter Franz (2. Vbgm.)
Loreck Rudolf
Martinstetter Anton (StR.)
Mayr Josef Anton
Mayr Otto Dipl.-Ing.
Dr. Melzer Anton (Bgm.)
Oberhammer Sonja
Primus Peter
Schneider Ernst
Sigi Gottfried (StR.)
Stolz Alois
Süß Heinrich
Thoma Julius (StR.)
Weber Karl
Würtele Ernst
Zschiegner Hermann

SPÖ

Bertsch Josef
Flöckinger Hans (1. Vbgm.)
Gastl Burgi
Hüttenberger Hans
Kaiser Maria
Klappholz Max (StR.)

Kraus Anton

Kummer Robert Dipl.-Ing.
Ledermüller Franz (StR.)
Schöpf Wendelin
Speibenwein Franz
Stenico Peter
Strobl Josef
Tissner Martin
Trager Alois
Wilberger Josef (StR.)

KPÖ

Pettauer Felix

Frau Maria Rapoldi (SPÖ) und
Herr Karl Zimmermann (ÖVP) wa¬
ren an der Teilnahme verhindert
und ließen sich entschuldigen. Ort
dieser „Ersten konstituierenden
Sitzung des Innsbrucker Ge¬
meinderates" war der Musikver¬
einssaal, nachdem das traditionelle
Sitzungslokal, der „Adlersaar', in¬
folge schwerer Bombenbeschädi¬
gung des Stadtsaalgebäudes nicht
benützt werden konnte.

Die unter dem Vorsitz des kom¬
missarischen Bürgermeisters Dr.
Melzer abgehaltene Sitzung wurde
um 16 Uhr eröffnet. Erster Punkt
der Tagesordnung war das Gelöb¬
nis des Vorsitzenden und die An¬
gelobung des gesamten Gemeinde¬
rates, der hierauf für konstituiert
und beschlußfähig erklärt wurde.
Dem Bericht des kommissarischen
Bürgermeisters über seine Amts¬
tätigkeit vom 5. Mai 1945 bis zum
Tage der Konstituierung schloß
sich nun in alter Gewohnheit die
Wahl des Bürgermeisters und sei¬
ner beiden Stellvertreter an. Alle
Wahlen verliefen mit einstimmi¬
gem Ergebnis, wobei Dr. Anton
Melzer (ÖVP) zum Bürgermeister,
Hans Flöckinger (SPÖ) zum 1. Bür¬
germeister-Stellvertreter und Franz
Kotter (ÖVP) zum 2. Bürgermeister-
Stellvertreter gewählt worden sind.
Die Angelobung des neugewählten
Bürgermeisters nahm nach kurzen
Dankesworten desselben gemäß
den Bestimmungen des „Ge¬
meindestatuts" von 1921 der Lan¬
deshauptmann von Tirol, Dr. Ing.
Alfons Weißgatterer vor, die Ange¬
lobung der beiden Bürgermeister-
Stellvertreter, ebenfalls statutenge¬
mäß, Bürgermeister Dr. Melzer.

Nachdem hierauf auch der Stadt¬
rat sowie die gemeinderätlichen
Ausschüsse durchwegs einstimmig
gewählt worden waren, unterbrach

der Vorsitzende bis zum Eintreffen
der Gouverneure der französischen
Militärregierung die Sitzung. Letz¬
tere fanden sich dann, angeführt
von Generalgouverneur Voizard,
um 17.45 Uhr im Musikvereinssaal
ein, worauf die Sitzung fortgesetzt
wurde. Nach einer kurzen Begrü¬
ßung gab Dr. Melzer als neuge¬
wählter Bürgermeister seine pro¬
grammatische Erklärung über die
von ihm geplante Amtsführung ab,
welche starken Beifall fand. Nun
folgten offizielle Ansprachen des
Landeshauptmannes und der drei
politischen Parteien, als deren
Sprecher Stadtrat Dr. Franz Grei¬
ter, 1. Bürgermeister-Stellvertreter
Hans Flöckinger und Gemeinderat
Pettauer fungierten.

Am Ende bzw. als 12. Punkt der
Tagesordnung dieser ersten Ge¬
meinderatssitzung legte schließlich
Stadtrat Dr. Greiter im Namen aller
drei Parteien dem Gemeinderat
den Entwurf einer Resolution mit
dem Appell zur Wiedervereinigung
Nord- und Südtirols vor, die mit
starkem, anhaltendem Beifall ein¬
hellig beschlossen worden ist.
Der Wortlaut dieser mutigen Reso¬
lution der „Hauptstadt des ganzen
Landes (Tirol)", abgefaßt in einer
Zeit größter Not, aber auch grö߬
ter Hoffnung war folgender:
„In diesen für die Zukunft unserer
Heimat entscheidenden Tagen
wendet sich der neu konstituierte
Gemeinderat der Landeshauptstadt
Innsbruck mit dem dringenden Ap¬
pell an die Alliierten, Tirol Ge¬
rechtigkeit zuteil werden zu lassen.
Trotz der Zerreißung unseres Lan¬
des durch die Abtrennung seines
Stammschlosses Tirol, ist Innsbruck
die Hauptstadt des ganzen Landes
geblieben.

Von hier aus ist der geistige
Kampf für seine Wiedervereinigung
geführt worden, hierher haben un¬
sere unterdrückten Südtiroler Brü¬
der hoffnungsvoll geblickt, Inns¬
bruck war die Eingangspforte für
die von den Italienern aus ihrer
Heimat vertriebenen Landsleute.
Wir waren Zeugen ihrer Not und
die Innsbrucker fühlen mit ihnen
zusammen das Heimweh nach dem
schönen Landesteil südlich des
Brenners. In der Zeit der national¬
sozialistischen Unterdrückung ha¬
ben hier die Nordtiroler mit den
Südtirolern gemeinsam für die Be¬
freiung gearbeitet und gemeinsam
mit unseren Südtiroler Brüdern
haben wir dann wieder das Ban¬
ner der alttiroler Freiheit entfaltet.

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