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Amtsblatt 1971 Nr. 06 - Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck
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nehme, um auf einige Anliegen,
die uns alle gemeinsam bewegen,
hinzuweisen.

Wir stehen vor einem neuen Fi¬
nanzausgleich. Als Bürgermeister
einer rasch wachsenden Stadt
werde ich stets neu mit der Tat¬
sache konfrontiert, daß sich die
Aufgaben der Gemeinden in einem
bisher nicht gekannten Ausmaß häu¬
fen. Aufgaben, die gelöst werden
müssen, auch dann, wenn die
Kompetenz- und damit auch die
Finanzierungsfrage noch nicht ge¬
klärt ist. Wir leben in einem mo¬
dernen Leistungsstaat. Die Ge¬
meinde hat nicht mehr wie früher
vorwiegend eine Ordnungsfunk¬
tion. Sie muß zunächst und in un¬
mittelbarer Weise gegenüber dem
Bürger jenen Erfordernissen Rech¬
nung tragen, die sich aus den Ver¬
änderungen der individuellen Da¬
seinsbedingungen ergeben. Aus
der fortschreitenden Technisierung
der Umwelt, der zunehmenden Be¬
völkerungsballung, der Verkehrs¬
steigerung, der Sorge um Um¬
welthygiene und Umweltschutz er¬
wachsen ihr Aufgaben, die in ihrem
Umfang und ihrer Bedeutung völlig
neu sind.

Wir sprechen von der .Daseins¬
vorsorge' der Gemeinden und mei¬
nen damit die Verpflichtung, für
jeden einzelnen um Arbeit, Woh¬
nung, Bildung, Freizeitgestaltung,
Krankenpflege, Altersversorgung
und anderes mehr besorgt zu sein.
Alle diese Aufgaben steigen pro¬
gressiv mit der Größe der Ge¬
meinde an.

Bei der Ermittlung des Finanzbe¬
darfes der Gemeinden im Rahmen
der Finanzausgleichsverhandlun¬
gen wird es also nicht mehr genü¬
gen, auf die Erfahrungen früherer
Jahre und Jahrzehnte aufbauend,
bestimmte Entwicklungen und Ge¬
setzmäßigkeiten für die Zukunft
abzuleiten. Zur Gewinnung einer
realistischen Basis wird vielmehr
notwendig sein, einen möglichst
vollständigen Katalog der bereits
bestehenden und bereits absehba¬
ren kommunalen Aufgaben und
der dadurch verursachten Kosten
zu erstellen. Das Ideal eines ge¬
rechten Finanzausgleiches wäre die
Verteilung der Einnahmen auf die
einzelnen Gebietskörperschaften
entsprechend der Summe der je¬
weiligen Aufgaben und der damit
verbundenen Aufwendungen. Die¬
ses Ideal wird nie erreicht werden
können, da die zur Verfügung ste¬

henden Mittel von vorneherein be¬
grenzt, die Aufgaben aber schier
unbegrenzt sind.

Vielleicht aber sollte man sich Ge¬
danken machen, wie eine wirkliche
Gleichrangigkeit der einzelnen Ge¬
bietskörperschaften Bund, Länder
und Gemeinden herbeigeführt
und wie garantiert werden könnte,
daß die Grenzen der Leistungsfä¬
higkeit der beteiligten Körperschaf¬
ten nicht überschritten werden?

Vielleicht könnte man prüfen, wie
die Gemeinden in Zukunft ausrei¬
chend dagegen abgesichert werden
sollten, daß die im Finanzausgleich
bestimmte Verteilung der Staats¬
einnahmen seitens des Bundes
oder der Länder — sei es durch
die Einhebung neuer Steuern ohne
Beteiligung der anderen Finanzaus¬
gleichspartner, sei es durch Zuwei¬
sung neuer Aufgaben ohne Bedek-
kung der dadurch entstehenden
Mehrausgaben - durchbrochen
wird. Wenn man im System der
verbundenen Steuerwirtschaft bei
Steuermindererträgen gegenüber
den Gemeinden auf die beste¬
hende Schicksalsgemeinschaft ver¬
weist, darf man bei der Erschlie¬
ßung neuer Steuereinnahmen diese
Schicksalsgemeinschaft dann nicht
einfach geflissentlich übersehen.

Ein weiteres Anliegen ergibt sich
daraus, daß für die Aufteilung der
im Steuerverbund befindlichen Ab¬
gaben die Bevölkerungszahl ma߬
gebend ist. Diese richtet sich je¬
weils nach dem Ergebnis der alle
zehn Jahre vorgesehenen Volks¬
zählungen. Wenngleich wir uns von
der diesjährigen Volkszählung er¬
warten dürfen, daß sie die schon
lange erforderliche Abstimmung
auf den tatsächlichen Bevölke¬
rungsstand der Gemeinden brin¬
gen wird, so ist ein Zeitraum von
zehn Jahren bei der raschen Zu¬
nahme der Einwohnerzahl vor allem
in den größeren Städten und Bal¬
lungszentren nicht mehr haltbar,
da er, wie nachgewiesen wurde,
Verfälschungen bis zum Ausmaß
von 100 Prozent bringen kann.

Es stellt sich daher die Frage, ob
nicht mit Hilfe elektronischer An¬
lagen der Bevölkerungsstand in
kürzeren Zeitabständen festgestellt
werden könnte, was zu einer ge¬
rechteren Einnahmenverteilung
beitragen würde.

Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Der Europatag, der gestern
begangen wurde, erinnert uns dar¬

an, daß wir als Gemeinden in
einem größeren, die Grenzen unse¬
res Staates sprengenden Verband
stehen. Indem wir dafür Sorge
tragen, daß unsere Gemeinden
eine gesunde Weiterentwicklung
nehmen, den ihnen gestellten Auf¬
gaben gewachsen bleiben und die
Erfordernisse der Zeit erkennen,
leisten wir zugleich unseren besten
Beitrag für ein gemeinsames, von
der Verbundenheit der Bürger ge¬
tragenes Europa der Zukunft. In
diesem Sinn nochmals herzlich
willkommen in der Europastadt
Innsbruck! In diesem Sinne Ihnen
allen meine besten Wünsche nicht
nur für einen erfolgreichen Verlauf
des Städtetages, sondern auch für
einen angenehmen Aufenthalt in
unserer Stadt."

Finanzpolitische Aspekte zum The¬
menkreis Infrastruktur und Wirt¬
schaftswachstum behandelte Fi¬
nanzminister Dr. Androsch. „Unser
Ziel: Die leistungsfähige Ge¬
meinde", war das Thema des Refe¬
rates, das der Generalsekretär des
Städtebundes, Stadtrat Schweda,
hielt. Über die gesellschaftspoliti¬
schen Aufgaben unserer Gemein¬
den referierten Bürgermeister Dr.
Thorwesten aus Krems und in
einem viel beachteten, alle Teil¬
nehmer überaus ansprechenden
Vortrag der Münchener Oberbür¬
germeister Dr. Vogel.

Über Antrag des Innsbrucker Bür¬
germeister-Stellvertreters Direktor
Obenfeldner wurde der Wiener
Bürgermeister Felix Slavik einstim¬
mig zum neuen Obmann des Öster¬
reichischen Städtebundes gewählt.
Zum bevorstehenden Abschluß des
neuen Finanzausgleiches beschloß
der österreichische Städtetag auf
Antrag von Generalsekretär Schwe¬
da nachstehende Resolution:

„Mit dem Ablauf der Geltungs¬
dauer des Finanzausgleiches 1967
ist das erste Dezennium des durch
die Bundesverfassungsgesetzno¬
velle 1962 auf eine neue rechtliche
Basis gestellten Gemeinderechtes
beendet. Mit dieser Novelle zur
Bundesverfassung wurde der Wir-

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