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Amtsblatt 1971 Nr. 06 - Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck
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kungsbereich der Gemeinde und
die damit im Zusammenhang ste¬
hende Regelung des Aufsichtsrech¬
tes in den Angelegenheiten des
eigenen Wirkungsbereiches einer
Neuordnung unterzogen.

Untrennbar mit diesem Akt des
Verfassungsgesetzgebers auf dem
Gebiet der Gewährleistung des
autonomen Aufgabenkreises ver¬
bunden ist der Anspruch der Ge¬
meinden auf eine finanzielle Aus¬
stattung, die sie in die Lage ver¬
setzt, den ihnen überantworteten
vielfältigen Aufgaben im Interesse
der Bevölkerung in optimaler Weise
gerecht zu werden.

Die Verpflichtung für eine ausrei¬
chende finanzielle Ausstattung der
Gemeinden fällt nach dem Auftrag
der Finanzverfassung, die Vertei¬
lung der Besteuerungsrechte und
der Abgabenerträge in Überein¬
stimmung mit den Lasten der
öffentlichen Verwaltung zu regeln
und darauf Bedacht zu nehmen,
daß die Grenzen der Leistungsfä¬
higkeit der beteiligten Gebiets¬
körperschaften nicht überschritten
werden, in den Verantwortungsbe¬
reich des Bundes. Diesem Auftrag

wurde jedoch bei Beschlußfassung
der bisherigen Finanzausgleichs¬
gesetze nur unzureichend entspro¬
chen. Dazu kommt, daß während
der Geltungsdauer des gegenwär¬
tigen Finanzausgleiches das Ge¬
füge der Mittelaufteilung durch ver¬
schiedene einseitige Maßnahmen
des Bundes eine einschneidende
Veränderung zu Lasten der übrigen
Finanzausgleichspartner erfahren
hat.

Auf der anderen Seite wirkt sich
der Wandel von der Ordnungs- zur
Leistungsverwaltung, also der Auf¬
bau eines lückenlosen Netzes einer
Daseinsvorsorge auf allen Gebieten
des täglichen Lebens, in erster
Linie auf die Gemeinden, und hier
wieder mit besonderer Wucht auf
die Städte und sonstige Entwick¬
lungszentren aus und führt zu
einer immer stärkeren Diskrepanz
zwischen dem Finanzbedarf und
den zur Verfügung stehenden fi¬
nanziellen Mitteln.

Einen Schwerpunkt der wachsen¬
den Aufgaben stellen die Anforde¬
rungen an die kommunale In¬
vestitionstätigkeit und die daraus

resultierenden Folgebelastungen
dar. Zu einem erheblichen Teil han¬
delt es sich um nicht rentierliche
Investitionen im Bereich der Infra¬
struktur, durch welche den Ge¬
meinden keine kostendeckenden
Einnahmen entstehen, die aber
durch ihren wachstumsstimulieren¬
den Effekt einen überragenden
Beitrag zu einer günstigen Ent¬
wicklung der gesamten Volkswirt¬
schaft leisten.

Der Österreichische Städtetag 1971
richtet daher an die zuständigen
Organe des Bundes und der Län¬
der den dringenden Appell, die
Verhandlungen für einen neuen
Finanzausgleich so zeitgerecht auf¬
zunehmen, daß er bis zum Ende
des Jahres 1972 einvernehmlich
abgeschlossen werden kann. Da¬
bei wäre die Größe der im kommu¬
nalen Bereich zu erbringenden
Leistungen dadurch anzuerken¬
nen, daß echte Lösungen ange¬
strebt und die Gemeinden durch
mehr Mittel in die Lage versetzt
werden, die ihnen überantworteten
großen Aufgaben im Dienste der
Allgemeinheit, im Sinne moderner
Erkenntnisse zu erfüllen."

Historische Sitzung der beiden Tiroler Landtage

Ort eines historischen Ereignisses
wurde Innsbruck am 14. Mai 1971,
als die Abgeordneten zum Südtiro¬
ler Landtag mit den Mitgliedern
des Landesausschusses Bozen (der
Südtiroler Landesregierung) in
Innsbruck vor dem Landhaus ein¬
trafen, hier von Landtagspräsident
Bürgermeister Dr. Lugger und Lan¬
deshauptmann Ök.-Rat Wallnöfer
herzlich begrüßt wurden und sich
anschließend die Landtage von
Süd- und Nordtirol im Landtags¬
sitzungssaal des Alten Landhauses
zu einer gemeinsamen Sitzung ver¬
sammelten. In diesem Kleinod
unter den österreichischen Land¬
tagssitzungssälen hatte am 4. Juli
1914 der letzte vereinigte Tiroler
Landtag beraten. Wie damals wa¬
ren auch am 14. Mai Deutsch und
Italienisch gleichberechtigte Ver¬
handlungssprachen. Die Sitzung
der beiden Landtage, die unter
dem Thema „Regionale Zusam¬
menarbeit" stand, eröffnete Land¬
tagspräsident Dr. Lugger. „Es ist
mir eine außerordentliche Freude",

so sagte er, „hier in diesem histori¬
schen Landtagssaal im Landhaus,
das 1725 als Symbol der Landes¬
autonomie gegen den Absolutis¬
mus errichtet wurde, heute die Ab¬
geordneten des Südtiroler Land¬
tages mit ihrem Präsidenten Nico-
lodi, den Präsidenten des Landes¬
ausschusses Dr. Magnago und die
Mitglieder seiner Regierung begrü¬
ßen zu können.

Mein Gruß gilt der hohen Beamten¬
schaft und den Vertretern der Mas¬
senmedien, die dankenswerter¬
weise in so großer Zahl hier die
Öffentlichkeit repräsentieren.

Vor nicht ganz 57 Jahren, am 4.
Juli 1914, tagte in diesem Räume
der letzte volle Alt-Tiroler Landtag,
damals zusammengesetzt aus den
historischen Kurien, einer allge¬
meinen Wählerkurie sowie den Ab¬
geordneten der Handelskammern
von Innsbruck, Bozen, Trient und
Rovereto.

Wenn seither viel Leid in zwei
Weltkriegen und Änderungen man¬

cherlei Art auch diesen Teil Mittel¬
europas getroffen haben, so ist es
um so schöner, wenn in diesen
siebziger Jahren immer klarer wird,
daß das gemeinsame Europa
gerade an den Zerreißstellen lang¬
sam zusammenzuwachsen beginnt.
Es geschieht dies nicht aus politi¬
schen Erfordernissen, sondern aus
geographischen Gegebenheiten
aus wirtschaftlicher und kultureller
Notwendigkeit.

Mehr und mehr zeigt sich, daß die
in Zeiten nationalen Denkens zu
Verteidigungsstellungen umgeform¬
ten Grenzregionen dies nicht sein
dürfen, sondern vielmehr gemein¬
same Räume zu bilden haben, um
in ihnen die Grenzen der Staaten
abzubauen.

Wenn ich beim Treffen in Bozen
der Hoffnung Ausdruck verliehen
habe, daß die Tiroler und Italiener
in diesem in zwei Staaten geteil¬
ten Raum, diesseits und jenseits
des Brenners, ein Modell moder¬
ner, ehrlicher Zusammenarbeit
über Staatsgrenzen hinweg schaf-

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