/ 20 pages
Amtsblatt 1972 Nr. 02_03 - Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck
Search


Ich hatte in der Untersuchung der
letzten Jahre über die Ursachen
dieser fatalen Entwicklung bereits
mehrfach Gelegenheit darauf hin¬
zuweisen, daß es immer dieselben
Gegebenheiten sind, auf die man
stößt. Wenn ich sie auch diesmal
und vermutlich auch in Zukunft
kurz zusammenfasse, so nur

deshalb, weil ich der Meinung bin,
daß man der Öffentlichkeit, also
unseren Bürgern und den überge¬
ordneten Organen Land und
Bund die ernste Gefahr, die auf
die Gemeinden zukommt, nicht oft
und nicht eindringlich genug schil¬
dern kann.

Der Gemeinde wachsen Aufgaben zu, die ihre Kräfte übersteigen

Ich sagte schon, daß ein erhebli¬
cher Teil der Problemstellung
strukturbedingt ist. Während früher
die Gemeinden primär eine Ord¬
nungsfunktion ausgeübt haben, er¬
wartet man von einer Gemeinde¬
führung heute die Befriedigung
aller jener Bedürfnisse, die durch
den rasch steigenden Wohlstand,
durch die sich entwickelnde Indu¬
striegesellschaft, durch die Techni¬
sierung der Umwelt und durch das
rasante Bevölkerungswachstum
und deren Konzentration in einzel¬
nen Räumen enstanden sind. Auf
einen kleineren Nenner gebracht,
könnte man sagen, daß der Wandel
in unserem Gesellschafts- und
Wirtschaftssystem der Gemeinde
neue, bedeutend vergrö¬
ßerte Aufgaben, um nicht zu
sagen die Hauptaufgabe in
der gegenwärtigen Zeit gebracht
hat.

Der Begriff der Daseins¬
vorsorge, der die Ordnungs¬
funktion früherer Gemeindever¬
waltungen weitgehend abgelöst
hat, wird diesem Wandel in der
Aufgabenstellung am ehesten ge¬
recht. Diese immer höhergestell¬
ten Anforderungen an die Städte
und Gemeinden sind es, die zu
einer Überforderung füh¬
ren. Dazu kommt, daß eine Reihe
von diesen neuen Aufgaben von
den Städten und Gemeinden zu
besorgen sind, ohne daß hie¬
für eine rechtliche Ver¬
pflichtung vorliegt. Sie sind
eben der Stadt im Rahmen dieser
Daseinsvorsorge unter dem Druck
der Allgemeinheit zugewachsen.
Andere neue Aufgaben wiederum
sind in ihrer Größenordnung
noch gar nicht abzusehen. Ich
denke da in erster Linie an den
Umweltschutz, der für die
Stadt geradezu eine Palette neuer
Problemstellungen, Kosten und
Ausgaben bereithält und von dem
mit Sicherheit gesagt
werden kann, daß er
unsere Kräfte über¬
steigen wird, wenn nicht

bald gesetzliche Regelungen für
die Zuteilung entsprechender Mit¬
tel oder für die Entlastung der
Stadt sorgen.

Nun hatte ich schon in den ver¬
gangenen Jahren Gelegenheit aus¬
zuführen, daß viele dieser neuen
Aufgaben und Investitionen gera¬
dezu in einer Kettenreak¬
tion neue Kosten mit sich
bringen: Hat man früher schlicht
und einfach von Folgekosten
gesprochen, so kennt man heute
schon eine ganze Skala von der¬
artigen Folgekosten. Man spricht
von laufenden Folgekosten,
von unmittelbaren Folge¬
kosten, von den mittelbaren
Folgekosten und schließlich von
den Ersatzinvestitio¬
nen... Als eine der weiteren nicht
unwesentlichen Ursachen der Über¬
forderung muß man auch die Kon¬
zentration in Ballungszentren se¬
hen, die sich stetig vollzieht.

Die Feststellung, daß es immer
schwieriger wird, ein ausgegliche¬
nes Budget zu erstellen, läßt sich
am besten von der Tatsache ab¬
leiten, daß der von den Abteilun¬
gen des Magistrats an Hand der
dort kalkulierten und für notwendig
gehaltenen Erfordernisse und auf

Grund von vorsichtig präliminier-
ten Einnahmen in den einzelnen
Bereichen zu bisherigen Tarifen er¬
stellte erste Entwurf des
Budgets für 1972 einen noch
nie dagewesenen Ab¬
gang von 75 Mill. Schil¬
ling aufwies.

Eine erste Reduzierung dieses Be¬
trages konnte dadurch erreicht
werden, daß — entgegen der bis¬
herigen Budgetpolitik, das Ein-
nahmenpräliminare eher vorsichtig
anzusetzen, da im Laufe des Jah¬
res erfahrungsgemäß mit einer
Reihe von unvorhergesehenen
Ausgaben und Mindereinnahmen
zu rechnen ist — die Einnah¬
men bis an die Grenze
des gerade noch vertret¬
baren und die Ertragsan¬
teile sogar über jene, uns
von übergeordneter Stelle vorerst
als Richtpunkt genannte Ziffer hin¬
aus angesetzt werden mußten. Da¬
mit konnte das Defizit aber erst
annähernd auf 50 Mill. Schilling
abgebaut werden.

Es mußten also die einmali¬
gen Ausgaben", das sind
die kleinen Investitionen, die
nicht im außerordentlichen
Haushalt aufscheinen, erheblich
reduziert werden. Da aber auch
mit dieser schmerzlichen Opera¬
tion und einer sorgfältigen Durch¬
sicht aller Haushaltsposten auf
Einsparungsmöglichkeiten das
Gleichgewicht auch
noch nicht annähernd
erreicht werden konnte, mu߬
ten die Tarife, Gebühren
und Abgaben überprüft
und nahezu in allen Spar¬
ten neu festgesetzt und
nachgezogen werden.

Qualifiziertere Leistung erfordert Berücksichtigung in den Tarifen

Man war sich darüber im klaren,
daß man mit dieser Maßnahme, die
man erst in der letzten Phase der
Bemühungen und nach sorgfältig¬
ster Überlegung gesetzt hat, kei¬
nesfalls immer auf Verständnis, ge¬
schweige denn auf einhellige Zu¬
stimmung stoßen könne, auch
dann, wenn es sich bei manchen
Tarifen und Gebühren um solche
handelt, die in einer falsch verstan¬
denen Vertretung der Interessen
der Allgemeinheit gegenüber der
Stadt von den zuständigen Abtei¬
lungen des Magistrats zum Teil
seit 20 Jahren nicht nachgezogen
wurden.

Es sei mir gestattet, an dieser Stel¬
le zur Frage der Tarife im allge¬
meinen einigen Überlegungen
Raum zu geben. Aus den Reak¬
tionen der Öffentlichkeit müßte
man oft zur Auffassung kommen,
daß die Stadt ein imaginäres Ge-

AMTSBLATT DER LANDESHAUPTSTADT
INNSBRUCK. Eigentümer, Herausgeber und
Verleger: Die Stadtgemeinde Innsbruck —
Für Verlag und Inhalt verantwortlich: Redak¬
teur Paul Gruber, Innsbruck, Rathaus, Tele¬
fon 26 7 71. — Das Amtsblatt erscheint mo¬
natlich und ist ab 5. jeden Monats bei den
Rathausportieren erhältlich. Einzelpreis S 6.—,
Jahresabonnement S 60.—. (Bestellungen für
das Abonnement werden im Rathaus-Presse¬
referat entgegengenommen.) Nachdruck nur
mit Genehmigung. Herstellung Buchdruckerei
Frohnweiler, Innsbruck.

2