Ich hatte in der Untersuchung der
letzten Jahre über die Ursachen
dieser fatalen Entwicklung bereits
mehrfach Gelegenheit darauf hin¬
zuweisen, daß es immer dieselben
Gegebenheiten sind, auf die man
stößt. Wenn ich sie auch diesmal
und vermutlich auch in Zukunft
kurz zusammenfasse, so nur
deshalb, weil ich der Meinung bin,
daß man der Öffentlichkeit, also
unseren Bürgern und den überge¬
ordneten Organen
Land
und
Bund
die ernste Gefahr, die auf
die Gemeinden zukommt, nicht oft
und nicht eindringlich genug schil¬
dern kann.
Der Gemeinde wachsen Aufgaben zu, die ihre Kräfte übersteigen
Ich sagte schon, daß ein erhebli¬
cher Teil der Problemstellung
strukturbedingt ist. Während früher
die Gemeinden primär eine Ord¬
nungsfunktion ausgeübt haben, er¬
wartet man von einer Gemeinde¬
führung heute die Befriedigung
aller jener Bedürfnisse, die durch
den rasch steigenden Wohlstand,
durch die sich entwickelnde Indu¬
striegesellschaft, durch die Techni¬
sierung der Umwelt und durch das
rasante Bevölkerungswachstum
und deren Konzentration in einzel¬
nen Räumen enstanden sind. Auf
einen kleineren Nenner gebracht,
könnte man sagen, daß der Wandel
in unserem Gesellschafts- und
Wirtschaftssystem der Gemeinde
neue,
bedeutend
vergrö¬
ßerte
Aufgaben,
um nicht zu
sagen die
Hauptaufgabe
in
der gegenwärtigen Zeit gebracht
hat.
Der
Begriff
der
Daseins¬
vorsorge,
der die Ordnungs¬
funktion früherer Gemeindever¬
waltungen weitgehend abgelöst
hat, wird diesem Wandel in der
Aufgabenstellung am ehesten ge¬
recht. Diese immer höhergestell¬
ten Anforderungen an die Städte
und Gemeinden sind es, die zu
einer
Überforderung
füh¬
ren. Dazu kommt, daß eine Reihe
von diesen neuen Aufgaben von
den Städten und Gemeinden zu
besorgen sind,
ohne
daß
hie¬
für
eine
rechtliche
Ver¬
pflichtung
vorliegt. Sie sind
eben der Stadt im Rahmen dieser
Daseinsvorsorge unter dem Druck
der Allgemeinheit zugewachsen.
Andere neue Aufgaben wiederum
sind in ihrer Größenordnung
noch gar nicht abzusehen. Ich
denke da in erster Linie an den
Umweltschutz,
der für die
Stadt geradezu eine Palette neuer
Problemstellungen, Kosten und
Ausgaben bereithält und von dem
mit
Sicherheit
gesagt
werden
kann,
daß
er
unsere
Kräfte
über¬
steigen
wird,
wenn nicht
bald gesetzliche Regelungen für
die Zuteilung entsprechender Mit¬
tel oder für die Entlastung der
Stadt sorgen.
Nun hatte ich schon in den ver¬
gangenen Jahren Gelegenheit aus¬
zuführen, daß viele dieser neuen
Aufgaben und Investitionen gera¬
dezu
in
einer
Kettenreak¬
tion
neue
Kosten
mit sich
bringen: Hat man früher schlicht
und einfach von
Folgekosten
gesprochen, so kennt man heute
schon eine ganze Skala von der¬
artigen Folgekosten. Man spricht
von
laufenden
Folgekosten,
von
unmittelbaren
Folge¬
kosten, von den
mittelbaren
Folgekosten und schließlich von
den
Ersatzinvestitio¬
nen...
Als eine der weiteren nicht
unwesentlichen Ursachen der Über¬
forderung muß man auch die Kon¬
zentration in Ballungszentren se¬
hen, die sich stetig vollzieht.
Die Feststellung, daß es immer
schwieriger wird, ein ausgegliche¬
nes Budget zu erstellen, läßt sich
am besten von der Tatsache ab¬
leiten, daß der von den Abteilun¬
gen des Magistrats an Hand der
dort kalkulierten und für notwendig
gehaltenen Erfordernisse und auf
Grund von vorsichtig präliminier-
ten Einnahmen in den einzelnen
Bereichen zu bisherigen Tarifen er¬
stellte
erste
Entwurf
des
Budgets für 1972
einen
noch
nie
dagewesenen
Ab¬
gang
von
75
Mill.
Schil¬
ling
aufwies.
Eine erste Reduzierung dieses Be¬
trages konnte dadurch erreicht
werden, daß — entgegen der bis¬
herigen Budgetpolitik, das Ein-
nahmenpräliminare eher vorsichtig
anzusetzen, da im Laufe des Jah¬
res erfahrungsgemäß mit einer
Reihe von unvorhergesehenen
Ausgaben und Mindereinnahmen
zu rechnen ist —
die
Einnah¬
men
bis
an
die
Grenze
des
gerade
noch
vertret¬
baren
und die
Ertragsan¬
teile
sogar
über
jene, uns
von übergeordneter Stelle vorerst
als Richtpunkt genannte Ziffer hin¬
aus angesetzt werden mußten. Da¬
mit konnte das Defizit aber erst
annähernd auf 50
Mill.
Schilling
abgebaut werden.
Es mußten also die
„einmali¬
gen
Ausgaben",
das sind
die kleinen Investitionen, die
nicht
im außerordentlichen
Haushalt aufscheinen, erheblich
reduziert werden. Da aber auch
mit dieser schmerzlichen Opera¬
tion und einer sorgfältigen Durch¬
sicht aller Haushaltsposten auf
Einsparungsmöglichkeiten das
Gleichgewicht
auch
noch
nicht
annähernd
erreicht
werden konnte, mu߬
ten die
Tarife,
Gebühren
und
Abgaben
überprüft
und
nahezu
in
allen
Spar¬
ten
neu
festgesetzt
und
nachgezogen
werden.
Qualifiziertere Leistung erfordert Berücksichtigung in den Tarifen
Man war sich darüber im klaren,
daß man mit dieser Maßnahme, die
man erst in der letzten Phase der
Bemühungen und nach sorgfältig¬
ster Überlegung gesetzt hat, kei¬
nesfalls immer auf Verständnis, ge¬
schweige denn auf einhellige Zu¬
stimmung stoßen könne, auch
dann, wenn es sich bei manchen
Tarifen und Gebühren um solche
handelt, die in einer falsch verstan¬
denen Vertretung der Interessen
der Allgemeinheit gegenüber der
Stadt von den zuständigen Abtei¬
lungen des Magistrats zum Teil
seit 20 Jahren nicht nachgezogen
wurden.
Es sei mir gestattet, an dieser Stel¬
le zur Frage der Tarife im allge¬
meinen einigen Überlegungen
Raum zu geben. Aus den Reak¬
tionen der Öffentlichkeit müßte
man oft zur Auffassung kommen,
daß die Stadt ein imaginäres Ge-
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