![]() |
Wann entstand das Pickentor?
Von Archivdirektor Dr. Franz-Heinz
Hye
In einer Urkunde des Stadtarchivs vom 16. Oktober 1348,
kraft welcher Chunrad der Helblinch von Strazfrid dem
Stadtspital sein halbes Haus in der „Paeurer
gazze"
an
der „rinchmaur" vermacht, erscheint als eines der an¬
grenzenden Objekte auch ein Keller, den Radolf „pei dem
niwen
tor"
besitzt.
Diese Nennung eines „neuen Tores" im Bereich der „Pae¬
urer—" (nach dem Kloster Benediktbeuren) bzw. Schlosser¬
gasse wurde bisher sowohl von Konrad Fischnaler (Inns¬
brucker Chronik II, 108), wie auch in jüngster Zeit wieder
von Johanna Felmayer (Österr. Kunsttopographie, Bd. 38,
1972, S. 16) für das am Südende der Herzog-Friedrich-
Straße gelegene Vorstadttor in Anspruch genommen. Fel¬
mayer ist überdies der Ansicht, daß die ursprüngliche nord¬
südliche Durchgangsstraße der Altstadt nicht der Herzog-
Friedrich-Straße, sondern dem Verlauf der Kiebachgasse
entsprochen habe. Wörtlich schreibt sie diesbezüglich in
ihrem „Beitrag zur mittelalterlichen Baugeschichte Inns¬
brucks" (Wiener Jahrbuch f. Kunstgeschichte, Bd. 20, 1965,
S. 112): „Daß sich ursprünglich am südlichen Ausgang der
Kiebachgasse in der Stadtmauer ein Tor befunden hat,
läßt sich nur vermuten, leider aber nicht beweisen. Aus
der Lage der Burg (Anm.: bei der Innbrücke), dem Verlauf
der Gasse und der platzartigen Erweiterung an ihrem süd¬
lichen Ende wäre aber auf die Anlage eines Tores zu
schließen. Die einzige, allerdings nur bedingte Unterstüt-
4 —TIM
Das Pickentor vom Innrain her gesehen. (Unsigniertes, nach älterer
Vorlage im Jahre 1900 im Auftrag des Innsbrucker Verschönerungs¬
vereines gemaltes Ölbild, im Stadtarchiv. Foto: M. Hye)
zung dieser Vermutung ist eine Urkunde von 1348, in der
das Vorstadttor als das niwe, das neue Tor bezeichnet wird.
Eine Verlegung müßte sich im Zusammenhang mit der
Bildung der Neustadt ergeben haben." Auch im bereits
zitierten Band der Kunsttopographie (S. 16 und 210) äußert
sich die Verfasserin in ähnlicher Weise, wenn sie schreibt
(S. 16): „Ob das Vorstadttor immer am südlichen Ende der
Herzog-Friedrich-Straße gelegen war oder ob es sich ur¬
sprünglich am Ende der Kiebachgasse befand, läßt sich
nicht mit Sicherheit sagen. Jedenfalls wird es 1348 als das
niwe (neue) Tor bezeichnet, und der Verlauf der Kiebach¬
gasse legt die Vermutung nahe, daß sie direkt auf ein Tor
zuführte."
Abgesehen nun von der Tatsache, daß sich die Neustadt,
das ist die Maria-Theresien-Straße bis zum Landhaus, nicht
erst im 14. Jahrhundert gebildet hat, sondern schon 1281
als „nova civitas" vorlag, hätte sich, falls die Kiebachgasse
wirklich die ursprüngliche Durchgangsstraße nach Süden
gewesen wäre, die Maria-Theresien-Straße nicht in Ver¬
längerung der Herzog-Friedrich-Straße, sondern im An¬
schluß an die Kiebachgasse gebildet; — mit welchen Be¬
merkungen die Frage der ursprünglichen Hauptstraße zu¬
gunsten der Herzog-Friedrich-Straße geklärt sein dürfte.
Was nun die Rolle des „neuen Tors" von 1348 in diesem
Fragenkreis betrifft, so vermögen wir nunmehr auf eine
drei Jahre ältere Nennung dieses Tores in einer Wiltener
Urkunde von 1345 (KIA. Wilten, Hs. 14, fol. 60 v) hinzuwei¬
sen, worin von einem Stadel die Rede ist, „der gelegen ist
pei
dem In ob des niwen
tors
ze Insprukh." Ein beim Inn
gelegener Stadel aber kann schwerlich zugleich beim Vor¬
stadttor situiert gewesen sein. Diese Lagebezeichnung wird
man dagegen vielmehr mit dem am westlichen Ausgang der
Seilergasse bzw. neben dem Haus Schlossergasse Nr. 27
gelegenen Pickentor in Verbindung bringen müssen.
Radolfs Keller bei dem neuen Tor ist daher nicht im Ver¬
band des Hauses Schlossergasse Nr. 3 (so bei Felmayer
S. 266), sondern im Gebäudekomplex des Hauses Nr. 27
derselben Gasse zu suchen, woraus sich selbstverständlich
noch weitere häusergeschichtliche Konsequenzen ergeben,
auf die einzugehen hier nicht der Platz ist.
Das „Puechentor", welcher bisher noch nicht eindeutig er¬
klärte Name erstmals im Urbar des Stadtspitals von 1410
genannt ist (1420: Pykchentor), dürfte daher, da es 1345/48
noch als „neu" bezeichnet wird, etwa um 1340 entstanden
sein. Seine Errichtung diente weniger dem Verkehr, son¬
dern von allem dem Bedürfnis der Innsbrucker Bürger
selbst, die von hier aus bequemer auf ihre am Wiltener
Feld gelegenen Äcker und Wiesen, wie auch zum Holz¬
rechen und zur „Lennt" am Innrain gelangen konnten.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß eine Identi¬
fizierung des „neuen" Tors von 1348 bzw. 1345 mit dem
Vorstadttor auch deshab ausgeschlossen ist, da letzteres
Tor — von Felmayer offenbar übersehen — bereits Jahre
zuvor urkundlich nachweisbar ist. Eine Urkunde vom 4.
Juni 1328 (StAI, Urk. n. 38) erwähnt nämlich völlig ein¬
deutig die „chapellen des spital ze Inspruk bei dem
obern
tore,
da man ausget gen Willenteyn", welche Kapelle
der Vorgänger der heutigen Spitalskirche in der Maria-
Theresien-Straße war und sich genauso wie das Spital
selbst - nur durch den Stadtgraben getrennt — in unmittel¬
barer Nachbarschaft des Vorstadttores befunden hat.
uajpiipsipDu
BJJiq 'uaßozjSA
ja6up}dui3 s
||Dj
>pruqsuu| 0Z09
}LUD
}sodsßD
|uaA
>pnjqsuu| ^os6unu
;3i
|3S4g
q q d
|
![]() |
---|