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Amtsblatt 1974 Nr. 06 - Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck
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Spitzenfunktionen und besonders in der unmittel¬
baren Berührung mit allen Anliegen der Bevölke¬
rung. Es ist ihm gelungen, sich dieses echte und
herzliche Verhältnis zum Menschen, zum Mitbürger,
auch in seiner neunjährigen Amtszeit als Bundes¬
präsident, auch unter den Verpflichtungen des
Protokolls, die er sehr ernst nahm, zu bewahren.
Bundespräsident Dr. h. c. Franz Jonas, dem in sei¬
ner Jugend eine höhere Bildung verschlossen
blieb, war Zeit seines Lebens, war auch als Bun¬
despräsident stets ein Lernender, ein Strebender.
Machte er zunächst von den Möglichkeiten des
zweiten Bildungsweges reichlich Gebrauch, so un¬
terzog er sich noch im fortgeschrittenen Alter dem
Fremdsprachenstudium und der gründlichen Erar¬
beitung der verschiedensten Sachgebiete. Die Sou¬
veränität, mit der er dann Entscheidungen traf und
Gespräche führte, forderte allgemeinen Respekt
ab.

In seiner Amtsführung wie als Mensch hat Bundes¬
präsident Jonas uns allen ein imponierendes Bei¬
spiel gegeben. Persönlich von großer Bescheiden¬
heit, hat er es in der Wahrnehmung seines Amtes
verstanden, Österreich nicht nur als Gastgeber in
Wien, sondern auch auf dem internationalen Par¬
kett mit Würde zu repräsentieren und in seinen
Anliegen erfolgreich zu unterstützen.
Ein ganzes Leben lang seiner politischen Überzeu¬
gung treu geblieben, war Jonas doch nie Befehls¬
empfänger eines anderen. An der Spitze der Repu¬
blik stehend, wußte er seine Aufgaben als Staats¬
oberhaupt immer als einen Dienst am gesamten
österreichischen Volk wahrzunehmen. Von seiner
eigenen Weltanschauung überzeugt, hat er sich,
wohl auch durch die Wechselfälle harter Prüfungen
im eigenen Leben, als Mann der Toleranz gegen¬
über Andersdenkenden profiliert. Als Mann der
Gewissenhaftigkeit und Pflichterfüllung, der es un¬
ter allen Umständen vermeiden wollte, auch nur
einen haiben Tag nicht im Amt zu sein, weil dann
verschiedene wichtige Akten nicht erledigt werden
könnten, hat Bundespräsident Jonas in seiner
Amtszeit doch nicht weniger als 15 Staatsbesuche
unternommen, darunter den ersten offiziellen Be¬
such eines österreichischen Staatsoberhauptes in
England seit 550 Jahren, oder den Staatsbesuch in
Italien, der in entscheidender Stunde eine gute
Wende in den Beziehungen zwischen Österreich
und Italien brachte.

Seine volle menschliche Größe erreichte Franz
Jonas, der stets mit dem Amt und seiner Verant¬
wortung gewachsen ist, in den letzten Monaten
seines Lebens. Obwohl er um die Unabwendbar-
keit des bevorstehenden Todes wußte, hat er die
Amtsgeschäfte gewissenhaft wahrgenommen und
sein persönliches Los still und im verborgenen
mannhaft getragen, bis ihn seine letzten Kräfte ver¬
ließen.

Es ist mir ein besonderes Anliegen, an dieser Stel¬
le die Versicherung abzugeben, daß sich unser
aller Mitgefühl der Gattin des verstorbenen Bun¬
despräsidenten zuwendet, mit der er in jahrzehnte¬
langer Gemeinschaft Freud und Leid eines von

Prüfungen wahrlich nicht verschonten Lebens ge¬
tragen hat.

Hoher Gemeinderat, meine sehr geehrten Damen
und Herren! Es wäre ein Versäumnis, würde ich in
diesen Gedenkworten nicht auch auf die Erweise
der Verbundenheit zu sprechen kommen, die Bun¬
despräsident Jonas unserer Stadt im besonderen
zugewendet hat. Bereits wenige Monate nach sei¬
ner Wahl zum Staatsoberhaupt stattete Bundes¬
präsident Jonas der Stadt Innsbruck den ersten
offiziellen Besuch ab, wofür eine Promotion sub
auspiciis der äußere Anlaß war. Eine Reihe von
Marksteinen in der Entwicklung und im Geschehen
unserer Stadt wie die Inbetriebnahme der Kraft¬
werksgruppe „Untere Sill", die 300-Jahr-Feier der
Universität, das Jubiläum der Sparkasse der Stadt
Innsbruck, aber auch Promotionen an der Universi¬
tät waren es, die uns immer wieder den Besuch "
des Bundespräsidenten brachten.
Stets galt seine volle Zuwendung den Aufgaben
Innsbrucks und dem Wohle der Bevölkerung. Und
wenn das Staatsoberhaupt bei seinem ersten Inns¬
brucker Besuch anläßlich einer Besichtigung des
Wohnheimes in der Dürerstraße sagte, in diesem
schönen Bau würde er selbst gerne ein Zimmer ha¬
ben, und eine Stadt, die für ihre alten Leute so Vor¬
sorge, sei gewiß auf dem rechten Wege, so war
dies für Franz Jonas gewiß nicht nur wohlmeinen¬
de Höflichkeit.

Hier sprach aus ihm der Bürgermeister, dem einst
das Geschick der Wiener Bevölkerung anvertraut
war und der sich im Amt des Bundespräsidenten
als Bürgermeister aller Mitbürgerinnen und Mitbür¬
ger ganz Österreichs verstand, ihnen allen verbun¬
den in ihren Sorgen und Nöten wie auch in ihrem
Wunsch nach einem friedlichen Verhältnis aller
Menschen in unserem Vaterland Österreich. Hier
sprach der Kommunalpolitiker Jonas, der auch in
der Zusammenarbeit mit den Gemeinden Europas
in seinen früheren Funktionen als Vorsitzender des
Europa-Ausschusses des Internationalen Städte¬
verbandes und als Mitglied des Präsidiums des
Rates der Gemeinden Europas erfahren hatte, wie
sehr die Gemeinden, ob groß oder klein und un¬
abhängig von der jeweiligen Staatspolitik, vor die
gleichen Aufgaben gestellt sind: nämlich um die
alltäglichen aber lebenswichtigen Bedürfnisse der
Mitbürger besorgt zu sein.

Wir stehen in Hochachtung vor dem Lebenswerk
unseres verstorbenen Bundespräsidenten. Sein Mut
zur Mitgestaltung am öffentlichen Leben, seine Ge¬
radlinigkeit, seine Zuwendung gegenüber dem Mit¬
bürger haben ihn an die Spitze der Verantwortung
für die Republik Österreich geführt. Er hat sie ge¬
tragen als oberster Diener des Staates, über allem
Trennenden stehend und stets um fruchtbare Zu¬
sammenarbeit bemüht. Bundespräsident Jonas
wird in die Geschichte eingehen als ein Mann des
Volkes, als ein Mann unermüdlichen und selbstlo¬
sen Einsatzes, als einer der großen Söhne unseres
Vaterlandes Österreich. Die Stadtgemeinde Inns¬
bruck bleibt ihm in Wertschätzung und Dankbar¬
keit verpflichtet."

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