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Amtsblatt 1974 Nr. 07 - Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck
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AM TSC3 BLATT

LANDESHAUPTSTADT INNSBRU

Nummer 7

37. Jahrgang

Juli 1974

Abschied von der Haller Straßenbahn

83 Jahre sind keine ausgesprochene
Jubiläumszahl, aber doch ein sehr
respektables Alter. Eine Zeit, in der
sich ein öffentliches Verkehrsmittel
vom modernsten, was das Jahr 1891
zu bieten hatte, zum liebgewonne¬
nen Museumsstück wandeln konnte,
ein beträchtlicher Abschnitt Inns¬
brucker Verkehrsgeschichte. Der
8. Juni brachte die unwiderruflich
letzte Fahrt der „Haller", der Stra¬
ßenbahnlinie 4, die so lange im „öf¬
fentlichen Dienst" fürdie Verbindung
zwischen Innsbruck und Hall ge¬
sorgt hatte.

Ein Volksfest mit Musik und Böller¬
schüssen, Gemeinderäten, Bürger¬
meistern, mit Freifahrten und Frei¬
bier sorgte für einen stimmungs¬
vollen Abschied. Viel ehrendes In¬
teresse schlug dem betagten Trans¬
portmittel entgegen, das ebenso ins
Innsbrucker Stadtbild gehörte wie
Hofburg, Goldenes Dachl und
Triumphpforte, dessen Attraktivität
nicht mehr am Fahrkomfort, sondern

an Schnappschüssen zu messen
war.

Sechs Triebwagen und zwölf Bei¬
wagen, letztere ausnahmslos Bau¬
jahr 1891, sind in die Remise gefah¬
ren. Zwei Triebwagen werden wei¬
tere Verwendung bei der „Igler" fin¬
den, der Rest geht an Liebhaber
und Nostalgiker. Die Nachfrage ist
groß und wird von den Innsbrucker
Verkehrsbetrieben nach „Würdig¬
keit" gewertet werden. Harte Wäh¬
rung soll ebensolche Rücksicht fin¬
den wie Idealismus, Hobby und Ro¬
mantik auf Schienen, die mit Geld
meist nicht gesegnet sind. Fahrer
und Schaffner, 24 an der Zahl, zum
„Haller Inventar" gehörend, haben
schon ihre neue Bestimmung gefun¬
den. Zum Teil auch weiterhin der
Schiene treu, zum Teil mit neuem
Führerschein auf Omnibusse um¬
gestiegen. Wieder ein Stück altes
Innsbruck weniger, wird mancher
sagen, und viele werden beifällig
nicken. Mit Gefühl allein aber läßt

sich nicht Verkehrspolitik machen
und mit Steuergeldern umgehen.
Eine Erkenntnis, zu der man sich,
trotz Originalitätsverlust für die
Stadt, durchringen muß.
Der unmittelbare Anlaß zur Auflas¬
sung der Haller Straßenbahn liegt
in der Höhe der Reichenauer Brücke.
Hier soll alles anders werden: eine
neue Brücke, eine leistungsfähige
Kreuzung auf der Haller Straße, mit
Verlagerung der ostwärts führenden
Fahrbahn in die zweite Ebene. Eine
dringend notwendige generelle „Be¬
reinigung" der Verkehrssituation an
diesem Punkt mit dem entsprechen¬
den Platzbedarf aber machte den
Gleiskörper der Trambahn zum Hin¬
dernis. Nun ergab sich die Frage —
und man darf versichert sein, daß
sich Innsbrucks Stadtväter sehr
wohl die Alternativfrage nach Bus
oder Bahn stellten — nach einer
eventuellen Neuverlegung. Die Platz¬
frage, wenn man die ins Auge ge¬
faßte Verbreiterung der gesamten
Bundesstraße 171 zwischen Inns¬
bruck und Hall betrachtet, sprach
dagegen, der finanzielle Aufwand
desgleichen. Ein Meter Gleisanlage
mit sogenanntem Ober- und Unter¬
bau kostet 7000. Schilling, ein
Kilometer also 7 Millionen und die
gesamte Freilandstrecke Innsbruck-
Hall mehr als 50 Millionen Schilling.
Eingleisig wohlgemerkt, was Gegen¬
verkehr nur auf Ausweichen erlaubt,
starre Fahrplanintervalle bedingt
und den gesamten Verkehr auf der
Strecke zum Erliegen bringt, wenn
irgendetwas „dazwischenkommt".
Es muß ja nicht die Trambahn selbst
einen Unfall haben, es genügt, wenn
andere auf dem Gleis aus welchem
Grund auch immer zum Stillstand
kommen. Dann tritt und trat bei der
„Haller" der Fall ein, daß ein Schie¬
nenersatzverkehr eingerichtet wer¬
den muß. Zu den finanziellen Erwä¬
gungen gehören auch die Kosten