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Innsbruck 1977 Nr. 08 - Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck
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Steinkästen und
Schmiedeeisen

Ins Gerede ist sie nun gekom¬
men, altersschwach und der täg¬
lichen Last nicht mehr gewach¬
sen, nachdem sie und etliche
Vorgängerinnen seit rund 800
Jahren an der gleichen Stelle
stehen und der Stadt den Na¬
men gegeben haben: die „alte
Innbrücke". Wann sie zum er¬
stenmal die Furt und Fähre er¬
setzte und den europäisch wich¬
tigen Verbindungsweg zwischen
Nord und Süd erleichterte, ist
nicht gesichert, doch wird das
erste Exemplar der Innbrücke
wohl mit der Gründung Inns¬
brucks 1180 in zeitlicher Verbin¬
dung stehen.

Die älteste Innbrücke besaß

Dr. Walter Frenzel

fünf Pfeiler - das alte Stadt¬
wappen zeigt drei davon -
wuchtige Kästen aus Baumstäm¬
men, die mit schweren Steinen
aufgefüllt waren. Ihr Abstand
zueinander wurde bestimmt von
der möglichen Länge eines
„Ensbaumes", der tragenden
Längsbalken also, auf welchen
die Querbalken der Fahr-, Reit-
und Gehbahn lagen, über die
fünf Pfeiler, die zusammen ein
Drittel des Flußlaufes versperr¬
ten, reichte die alte Innbrücke
bis an das Inntor, wo heute
zwischen Ottoburg und Innka¬
serne eine Bresche klafft.
Auf dieser ersten Innbrücke
teilten sich Freud und Leid. Das
Leid der „malefizig" geworde¬
nen Innsbrucker, die auf dem
mittleren Brückenpfeiler, der
Stadtgrenze, dem Landrichter
von Vellenberg übergeben wur¬
den, und das Leid der Kauf¬
leute, die hier den großen Zoll
an die Haller und den kleinen
Zoll an Innsbruck abliefern
mußten. Freude, als Kaiser Ma¬
ximilian ein „sommerhäusl" auf
der Brückenmitte errichten ließ,
um Almosen an die Armen von
diesseits und jenseits der Brücke
zu verteilen. Freude sicher auch,
als die erste Quellwasser-Röh¬
renleitung über die Brücke von
Hötting in die Stadt eingeleitet
wurde.

Überschwemmungen setzten der
Innbrücke im Lauf der vielen
Jahre immer wieder arg zu und
erforderten ständige Reparatu¬
ren, die sich nach folgendem
Schlüssel verteilten: die Stadt
Hall, Hauptnutznießerin des
Zolleinkommens, hatte für die
Erhaltung der Brücke im ganzen
aufzukommen, für die Joche
und das Balkenwerk. Die Stadt

Innsbruck lieferte die Streu für
die Fahrbahn und betreute die
Schranken. Hötting brachte das
Steinmaterial und Wilten die
Taxen und Fichtenäste zum Fül¬
len der Archen. Bei Hochwasser¬
gefahr war zudem mit „guten
und schweren Steinen" die
Fahrbahn zu beschweren, damit
sie nicht fortgeschwemmt wer¬
den konnte.

Letzteres allerdings blieb oft
ein frommer Wunsch. Im Juli
1762 wurden die drei Mittel¬
pfeiler samt Tragwerk vom
Hochwasser mitgerissen. Nach
erfolgter Reparatur und Verstär¬
kung ereilte die Innbrücke zehn
Jahre später erneut dasselbe
Schicksal. Ein Neubau mit elf
Pfahljochen aber gefiel den
Innsbruckern auch nicht lange,
und weil inzwischen der Brük-
kenbau als Reichsagende auf
Wien übergegangen war, plä¬
dierte man umso eifriger für
einen totalen Neubau. Ein Weg¬
inspektor, der sich als Histori¬
ker den bedeutenderen Namen
machte, Franz Karl Zoller, und
Baumeister Paul Nahr übernah¬
men 1789 diesen Neubau aus
drei Pfeilern, Hängewerk und
71 Fuß breiten Brückenfeldern,
wobei die Stadt als Beitrag die
Quadern des Innbrückentores
lieferte. Doch die Brücke stand,
obwohl sie der Konfrontation
von Bayern und Tirolern am
12. April 1809 recht gut stand¬
hielt, unter keinem guten Stern,

So sehr freute man sich auf die neue „alte" Innbrücke, daß man sie bereits
im Planungsstadium als Neujahrsgruß verschickte. Der Beginn des tedi'
nisclien Zeitalters wird mit Eisenkonstruktionen und Innverbauung ohne
Sehen veransdiaididit. (Repro : Murauer)

und es kursierte das geflügelte
Wort: „Die Brücke hat ein Narr
erbaut." Die Pfeiler sanken ein
und mußten nach und nach mit
so vielen Stützpfeilern versehen
werden, „daß sie schließlich
zum erschreckenden Bilde der
Hinfälligkeit alles Irdischen her¬
absank", wie der Zeitgenosse
David von Schönherr vermerkte.

VOR HUNDERT JAHREN

19. August: „In der Schwimman¬
stalt in Büchsenhausen erschien
am Sonntage Nachmittags ein
Fremder, um zu schwimmen.
Der Schwimm-Meister fragte ihn,
ob er wohl schwimmen könne,
und folgte ihm auf dessen be¬
jahende Antwort die Badewä¬
sche aus. Der Unbekannte muß
jedoch in der Kunst, das gefähr¬
liche Element zu beherrschen,
noch ein ganzer Neuling sein,
denn kaum hatte er sich dem
Wasser überlassen und etwa
vier Tempo gemacht, als er
untersank ... Es ist ohne Zwei¬
fel der Geschicklichkeit des
Schwimm-Meisters zu danken,

daß der Untergesunkene geret¬
tet ward."

25. August: Der Hausbesitzer
Alois Schrott öffnet eine Passage
durch sein Haus zwischen Maria-
Theresien-Straße und Erlerstra-
ße „dem großen Publikum". Er
gedenkt „die Stöcklgebäude,
welche den Hofraum seines
Hauses einsäumen, nach dem
Muster großer Städte (Wien,
Prag) in einen sogenannten Ba¬
zar umzugestalten, in der Weise
nämlich, daß die Souterains für
Werkstätten, die Erdgeschosse
für Verkaufslokalitäten einge¬
richtet . . . würden".

Dies galt schon für 1830.
Lange ächzte sie trotzdem noch
durch die Jahre, bis sie schlie߬
lich im August 1870 der heuti¬
gen Innbrücke den Platz räu¬
men mußte. Diese stand nun
ganz im Zeitalter der Technik:
Stahlfachwerk aus schmiede¬
eisernen Bestandteilen, 50.000
Nieten, 4400 Zentner Gewicht,
zwei Pfeiler mit 1,90 Meter Kro¬
nenbreite, Gesamtlänge 82,74
Meter, Gesamtbreite 12,50 Me¬
ter, Tragfähigkeit 12 Tonnen,
Kosten 53.917 Gulden. Das wa¬
ren die nüchternen Zahlen einer
stolzen Leistung, die am 18.
März 1873 im Rahmen einer
„Corso-Fahrt" gewürdigt wurde,
über 20 Equipagen und doppelt
so viele Reiter, Statthalter, Bür¬
germeister, Landesschützen und
Garnison, Klerus, Adel und Bür¬
ger und ganz hintendrein ein
„von einem Hunde gezogener
Kinderwagen, dem aber die
Theilnahme an der Corso-Fahrt
alsbald von der Polizei einge¬
stellt wurde", ließen sich die Ge¬
legenheit nicht entgehen, die
neue Brücke bei Böllerknall und
Kaiserhymne unter die Räder
oder Hufe zu nehmen. Wer sich
das Vergnügen aber zu Fuß
machte, der wurde von „an der
Brücke postierten Polizeidienern
aufmerksam gemacht, daß über
die Brücke immer rechts gegan¬
gen wird, was als immerwäh¬
rende Norm zu gelten hat".

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Innsbruck - Offizielles Mitteilungsblatt der Landeshauptstadt - Jahrgang 1977/Nr. 8