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Tiroler Fremdenblatt - Organ zur Hebung des Fremdenverkehrs in Tirol... (1888)
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Organ zur Hebung des Fremdenverkehrs in Tirol nnd Vorarlberg

nnd dem bayerischen Hochland.

Zeitschrift für Fand- und Völkerkunde, Aiterntur, Aunk, Handel und Kewerbe.

und redigi« von M. H. Malten.

Va« Tiroler Fremdenblatt erscheint wäckeittlim eiliüial <Von»erftllg5>. Dasselbe lie« i» allen tiotelz und lenominirte» Restauiantz Veutschla»>« und Venerreich-Ungarns auf unl> wird an
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1.

München, 1. Januar 1888.

IV. Jahrgang.

Zer Unsttz Jimmeilehen.

Von I. C. Platter.

Gar manches Loblied ist den großen Schlössern
und hochragenden Burgruinen in Tirol schon ge¬
sungen morden und es gibt von den alten hervor-
ragenden Ritterueften im Lande bald keine mehr,
..M.mcht schon in Wart l'no Bild wäre verheirlicht
^"rden. Viel weniger dagegen merde< jene kleineren
Itze beachtet, deren es zu Hunderten gibt in
".»ten wie auf dem Lande, bis hienan in das
Hochrevier der Alpengebiete. Keine Zugbrücke, kein
finsterer Thurm mit metertiefen Schießscharten
mahnen an Fehde und
Kerkerelend, auch nicht
tiefe Gräben und klaf¬
terdicke Mauern um¬
spannen diese Adels-
Höfe, schließen sie ab
von der Außenwelt
und drücken ihnen in
ihrer fast unheimlichen
Großartigkeit das Ge¬
präge mittelalterlicher
Feudalherrschaft auf;
nein nichts von alle-
dem und doch wieder
alles das bemerken wir
an diesen Kleinsitzen
altvaterländischer Rit¬
terschaft, aber in an¬
derer, in freundlich-
heiterer Weise erschei¬
nen uns die dünnen,
niedrigen Umfried¬
ungsmauern. Der Hof
ist klein, ein Garten
mit Küchenkraut und
Blumen dicht bestellt;
der das Gebäude alsEdelhof kennzeichnende'TH'ur^l
dient weit mehr zur Zierde als etwa zu kriegerische»
Zwecken und hat letzteren überhaupt wohl nie ge¬
dient, kurz die ganzen Gebäulichkeiten vo» innen
und außen tragen den Stempel Verkleinerten Ritter-
thums, mit all' seinen Reizen an Kunstsinn uno
Minne, aber ohne die düsteren Beigaben blutiIer
Adelsfehden, Bauernbedrückung oder Straßenräuberöj'
freilich auch ohne den Glanz einer prunkvollen Hof¬
haltung.

Als Musterbild eines solchen alttirolischen
Edelhofes erscheint der Ansitz Zimmerlehen zu
Völs am Fuße des Schlern ^n Südtirol, dessen

Bild wir nach einer gelungenen Aufnahme des rühm-
lichst bekannten Landschafls-Photographen I. Gugler
in Bozen unseien Lesern vorführen. Der Ansitz
Zimmerlehen liegt in ungefähr INNO Meter Seehöhe
oberhalb des freundlichen Bergdorfes Völs auf sanft
geneigter Wiesenfläche sehr schim inmitten weitge-
oehnter Aecker und Matten, auf denen sich zwischen
Obstbäumen freundliche Bauelngehofte erheben,
während im Hintergründe 'chaingtuhle Wkldbesudt.
sich hinanziehen bis zu den schwindelnd hohen Steil¬
wänden des hier in all' seiner majestätischen Gro߬
artigkeit sich erhebend?« Schlern. Die Edelherren
von Khüevach zu Zimmerlehen, 3tie« und Haselburg

Der Ansitz

hätten sich fürwahr kaum ein schöneres Plätzchen
r diesen ihren Berghof wünschen können, als ge¬
rade dieses wald- und wiesengrüne Mittelgebirge
hoch über dein Kunterswege", der felsengenMsack-
schlucht, durch welche die Straße, der Fluß uno die
Eisenbahn knapp ihren Weg gefunden. Hier oben
jn der Fußlandfchllft des Schlern herrscht Licht und
.Luft und frei dringt der Blick von der zweigetheilten
^«hochragenden Lmde vor dem Thore von Zimmer¬
lehen weit, hinweg über die tiefe Eisackschlucht hin¬
über auf 1>as Rittener Gebirge, das vom Latzfonser
Kreuz bis .zur blutgetränkten Ruine „Stein am
Ritten" mit «ll' seinen Dörfern und Kirchen, Som-

mervillen und Einzelhöfen wie ein heiteres Relief¬
bild sich ausbreitetet, während im Südwesten die
langgedehnte Mendelgruppe vom blauen Sommer¬
himmel in scharfen Umrissen sich abhebt und vom
maldumschlossenen Kolerenberge der Blick unwillkürlich
wieder herübergelenlt wird auf das nahe Prösels,
die alte stolze Veste der Freiherren von Völs aus
dem uralten Römergeschlechte Colonna. Im Hinter¬
gründe des Hafes erhebt sich der Tschavonberg, daran
schließt sich die Hammerwand, weiter der Schlern-
koloß mit der nadelartigen Lantnerspitze und endlich
die Seiseralue Der Ansitz selbst besteht aus vier
selbstständigen Gebäulichkeiten, welche ein Viereck

bildend, durch Um-
friedungsmauern ver¬
bunden sind. Gleich
rechts von dem auf
der Abbildung sicht¬
baren Hauvtthnre steht
das Herrenhaus, wäh¬
rend links davon der
Thurmbau sich erhebt.
Im Hintergründe ist
das sog.Schenkenberg-
Haus noch sichtbar,
indeßdasWirthschafts-
gcude die vierte
Ecke ausfüllt. Im
Hofraum der plä¬
tschernde Brunnen mit
hellklarem Quell-Was¬
ser und der ziemlich
große Hausgarten,
über welchemdieZmeige
einesPfirsichbaumesim
lauen Abendwinde sich
wiegen.

Ueber deni Eingang
in's Nllirenhaus" ge-
gemahne» allerlei Wappenschilder an die ehemals
adeligen Bewohner des Baues, von welchen Zimmer¬
lehen*» durch Verheirathung des Fräulein Anna
Maria von Khüepach mit einem Bürgersmann Namens
Nabatscher im verflossenen Jahrhundert an die Fa-

*) Der Bestand von Zimmeilehc» kommt nach den
Forschungen von N«b und Atz uikundlich bereits im Jahre
1336 vor. Flitz „der Unbcin" und dessen Hausfrau Adel¬
heid verkauften dieses ginslchen der Brixner Bischöfe
»imo 1836 um 45 Marl Perner dem Herrn Völtlein dem
Völser und seinen Erben. Die Volser verkauften gimmn-
lehen 148N an den Hauptmllnn Feinberger und hundert
Jahre später folgten die Heuen von Kbüepllch im Besitze
des Edelhllfes.