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Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd. 57 (1926)
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Marktbild aus Sarntal von H. Atzwanger

Das Bauernjahr im Garntal

Von Or. Paul Tschurtschenrhaler, Bozen-Gries

ie folgenden Aufzeichnungen sind vom Verfasser während seines sechsjährigen
Aufenthaltes im Sarntal selbst gesammelt worden. Besonders wurden darin
die Angaben des Josef Mehner, Haberle, eines echten Sarnerbauern alten Schlages,
dem ich sehr zu Dank verpflichtet bin, benützt.

Wie man aus den nachfolgenden Zeilen ersehen wird, die durchaus nicht das ganze
Material erschöpfen, haben wir es mit einer Bevölkerung zu tun, die an Eigenartig-
keit von Brauch und Sitte kaum von einer anderen Gegend unseres Landes übertraf-
fen wird. Dazu hängt diesen Bräuchen das noch Echte, Ländliche und Urwüchsige an.
Andere deuten wieder auf uralte Einrichtungen, die kaum anderswo noch erhalten
sind. Die Abgeschlossenheit des Tales, besonders in früheren Zeiten, der rein bäuer¬
liche Charakter der Bevölkerung ergeben auf diesem Boden eine Konservierung der
Zustände, die selbst unsere rasch ummodelnde Zeit nicht ganz zu beseitigen vermochte.
Breschen sind freilich auch hier gelegt, und zwar ganz bedeutende, und diese werden
von Jahr zu Jahr mehr erweitert, je mehr sich der Verkehr zwischen Tal und Stadt
verbessert. Der gute Kenner des Tales weiß aber, daß eine Grenze auch hier einmal
eintreten wird.

Vorliegenden Aufschreibungen liegt die Schilderung der Zustände von ungefähr
1880—1890 hauptsächlich vor Augen. Änderungen, die seither eingetreten sind, wur-
den soviel als möglich berücksichtigt, soweit sie den Blicken offenbar werden. Denn
tiefer greifende Veränderungen gehen im Innern eines Volkes vor sich und entziehen
sich dem gewöhnlichen Beobachter. Es mag darüber geklagt werden, daß der gute
Volkscharakter immer mehr schwindet, dabei wird aber übersehen, daß der Volks-