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Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd. 62 (1931)
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Cine Bergfahrt in das nordalbanische Gebirge (1930) 161

ii selbst liegt prachtvoll. Ich möchte es mit seinen herrlichen, lichtgrünen Alpen»
matten, zu denen steile Felswände jäh niederstürzen, am liebsten mit unserem schönen
Seefeld i. T. vergleichen. Aber der Vergleich fällt genau genommen zuungunsten des
weltbekannten Tiroler Vergdörfchens aus: freilich der kleine See, der im Winter eine
spiegelnde Eisfläche, im Sommer kühles, labendes Vad bietet, fehlt dem albanischen
Weiler, es sei denn, daß man einen klaren, forellenbelebten Vergbach mit eiskaltem
Wasser als Ersatz dafür ansehen will. Aber der Talboden liegt in Ilietbi tiefer, die
Verge dagegen find höher und näher, so daß das Landschaftsbild noch großartiger
und ergreifender wirkt. Ich werde die Abendstimmung in ilieUii — das Tal bereits
in Schatten getaucht, die Wände der Kalkberge im Norden noch hell von der Sonne
beleuchtet — niemals vergessen. Ein paar armselige Hütten ducken sich in die sorg»
fältig gepflegten Maisfelder, nur Pfarrhof und Kirche, wie gewöhnlich ein Ge-
bäude, ein Neubau für den vor wenigen Jahren dem Feuer zum Opfer gefallenen,
macht einen bescheiden-behäbigen Eindruck.

Der Pfarrer p. I^eonkalt, ein Franziskaner, nahm uns — in Albanien selbstver»
ständlich — mit offenen Armen auf. Er hat unserem erkrankten Gefährten jede nur
mögliche Hilfe gewährt, ihm sogar das eigene selbstgefertigte Vett überlassen. Wir
möchten ihm für seine uneigennützige, wahrhaft menschliche Hilfe und Anteilnahme
auch an dieser Stelle bestens danken. Auch sein nur während der Sommermonate
anwesender Ordensbruder, der feingebildete Studienpräfekt des äkutiu-iuer Franzis«
kanergymnasiums, der zwei Dutzend künftige Franziskanerlein hier in den Ferien zu
betreuen hatte, war uns nicht nur ein angenehmer Gesellschafter, sondern unterstützte
uns, wo es nur in seinen Kräften stand.

I'netki kommt, wie gesagt, als Standort für den höheren östlichen Teil des nord«
albanischen Gebirges vor allem in Frage. Von hier ist in einem halben Tagmarsch
der Hata e ?eje8 (sprich Ojaka H wie im Französischen^ e ?ej5, Sattel von Ipek
etwa 1700 m) leicht zu erreichen, in dessen unmittelbaren Umgebung wir unser Stand»
lager für Bergfahrten in die ^exei-Igruppe^) (höchster Gipfel der nordalbanischen Verge)
östlich und in die NaäokineZgruppe') westlich des Passes gewählt haben. Das ganze
Gelände dieser Verge ist verkarstet, besonders die westliche Gruppe eine ununter,
brochene Aufeinanderfolge von Mulden und Trichtern, die durch scharfe Nippen
voneinander getrennt werden. Da der Vaumwuchs hier schon bei etwa 1500 m seine
obere Grenze findet, wären wir auf recht erhebliche Schwierigkeiten in der Iubrin»
gung von Holz gestoßen, hätten uns nicht unsere Venzinkocher davon unabhängig
gemacht. Auch die Wasserverhältnisse sind ungünstig, denn fließendes Wasser ist
nirgends zu finden. Der ()aka e ?eje8 hat zwei annähernd gleich hohe Übergangsstellen,
zwischen denen ein Vecken etwa 70—80 m eingetieft ist. Hier befinden sich zwei kleine,
anscheinend zu» und abflußlose Seelein mit trübem, ziemlich warmem Wasser, in dem
wir schwarze und graue Lurche bemerkten. Da diese Seen etwa N Stunde von unserem
Lager entfernt waren und wir außerdem wenig Gefäße hatten, blieben sie unbenutzt.
Ferner liegt im ersten großen Kar auf der ^e-eraseite ein Tümpel, der Nest eines
fast verlandeten Sees, aus dem die Almbewohner und die Soldaten der Grenzwache
den größten Teil ihres Wasserbedarfes decken. Da die Lache, wie die Spuren zeigten,
auch Schafen und Ziegen zur Tränke und Schwemme dient, zogen wir es vor, ihr
Wasser nur in gekochtem Zustande zu genießen. Endlich holen die Almbewohner ziem,
lich weit her Firnschnee, von dem sie auch uns gerne mitteilten. Aber auch in dem
Schmelzwasser ist nicht wenig Schmutz zu finden und der Geschmack ist, mindestens
durch Kleider und ebenso ungewaschene Hände der Träger, ungünstig beeinflußt.

l) Von uns erstiegene Gipfel: P. 2580 südl. der le-era. je-era. 2692 m, Mali i 71,ät, 2610 /n.
-) Von uns erstiegene Gipfel: ^ali i äntoxut, 2250 m, klali i dliznkut, 2600 m.