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Bergfahrt in das nordalbanische Gebirge (1930)
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(Georg Kastriota, 1443—1468) der unerfüllte Traum der Albaner ist: die Einigung
der Stämme und die Bildung eines starken Staates, den er von auswärtigen Ein»
flüssen unabhängig zu machen sucht. Allerdings sind der Gefahren und Schwierigkeiten
noch viele zu überwinden, ehe dieses Ziel wird erreicht werden können. Immerhin ist
im Innern des Landes eine Wandlung deutlich erkennbar: Stammesfehde und Blut«
räche sind eingeschränkt; an die Stelle der Todfeindschaft zwischen den Stämmen
tritt wachsend die Erkenntnis der Schicksalsverbundenheit aller Albaner und damit
zunehmende Ordnung und Sicherheit. Der Anschluß an den Weltverkehr wird zwar
an der fürchterlichen Armut und tiefen Lebenshaltung dieser Menschen bessern, leider
aber auch die Ursprünglichkeit und Eigenart des Landes verwischen.
Noch liegt jedoch der Iauberschleier der Unzugänglichkeit über dem Lande, noch
hat nicht einmal die wissenschaftliche Forschung recht ernstlich begonnen, die Nebeb zu
durchdringen. Ein Beispiel dafür: Fünf ernste Werkes, alle aus 1928/30, liegen mir
vor. Drei davon geben die Größe Albaniens mit 27 538 6m', die beiden anderen
mit 44 997Hm2 an. Auf Grund einer oberflächlichen Kartenvergleichung möchte ich
der erstgenannten Zahl den Vorzug geben. Es scheint mir aber bezeichnend für die
Unkenntnis über Albanien, daß um 70 v. K. auseinandergehende Größenangaben
unterlaufen können. Ob dies wohl sonstwo auf unserem Erdbälle noch vorkommt,
wenn wir etwa von den Ländern jenseits der Polarkreise absehen?
Unsere Annahme bezüglich der Größe, als richtig vorausgesetzt, ist Albanien etwas
kleiner wie Belgien, etwas größer wie die preußische Provinz Niederschlesien. Das
Land ist sehr gebirgig, mit Ausnahme des fruchtbaren, aber malariaverseuchten
Schwemmlandes im Westen. Die höchste Erhebung trägt das nordöstliche Rand»
gebirge, das im Korab, 2725 m, gipfelt, jedoch — soweit ich Bilder zu Gesicht bekam —
runde, den Bergsteiger wenig erfreuende Linien zeigt. Der Norden des Landes aber
ist von einem Kalkgebirge erfüllt, das 2700 m erreicht, also wenig niedriger ist, und
wilde, alpine Formen aufweist. Ihm galt unser Unternehmen.
Anmarsch, Standorte, Lagerplätze
Da war nun vor allem die Frage zu lösen, wie wir überhaupt an unsere
Verge
herankommen konnten. Als Ausgangspunkt kam natürlich nur Llcutari (Llilcocler) in
Frage, die zweitgrößte Stadt des Landes (23 800 Einwohner) und Sitz der Verwal.
tungsbehörde (Präfektur) für Nordalbanien. 8lcuwri ist verhältnismäßig leicht zu
erreichen und zwar auf drei Wegen: die schnellste Verbindung führt über LoloxnI
nach
Lari in
Süditalien und von dort zu Schiff nach 8an (iiovanni 6i Aleäua, das
durch eine recht gute Autostraße mit Lkuwri verbunden ist. Den angenehmsten und
wohl auch schönsten Iufahrtsweg stellt die Schiffslinie Zusaic-Xotol- ((Ätt^o) — 8an
Qiovanni dar. Endlich kommt auch die — landschaftlich ebenfalls größtenteils hervor«
ragende schöne — Eisenbahnfahrt ^^ram—LoLnisek-Lroä—sarajevo—
sostar—
Lrce-
Piovi
in Betracht, von wo 3lcutari entweder über See (Kotor—8. Qiovanni) oder
über Oetiuje—Njelca (Auto) und über den 3kuwrisee (Schiffslinie) erreicht werden
kann. In ganz Albanien gibt es derzeit keinen Kilometer Eisenbahn. Dagegen sind
3kut2lj, Tirana, Kor^a, Valona, Ojinolcastla untereinander und mit
Lrinclisi (Ita«
lien)
durch Flugzeugverkehr verbunden. Ferner bestehen eine Anzahl von Autover«
bindungen, z. T. auf Straßen, die nach mitteleuropäischer Anschauung für Kraftwagen
kaum befahrbar wären. Indessen fahren die einheimischen Wagenführer mit großer
l) Geogr. Zeitschrift 1930, h. 9, S.553 (27 539 Hm'), hübners
geogr.-statist.
Tabellen 1929
S. 96, ebenso auch Baedeker, Dalmatien und die Adria, 1929, S.227 (27538 «m»). Tke
8tate3M2n'g Vearbaalc 1929, S.641 (17374 <M) und ähnlich „Die landwirtschaftliche Produktion
der Welt", 1928, herausgegeben vom kgl. ung. Ackerbauministerium, S. 29 und 523 <4499? ^m').
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