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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd. 09 (1883)
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gmppen, die das Thal umgrenzen: die bleichen, schroffen Kalkzinnen des
Ehätikon, die mächtigen Gletscher und die kühnen, meist nicht leicht zu
erklimmenden Gipfel der Silvretta-Gruppe, endlich die Verwall-Gruppe,
welcher trotz der massigen Höhe ihrer auf gemeinsamem, breitem Sockel
ruhenden Spitzen die Lage zwischen dem wilden Kalkzug der Lechthaler
Alpen und der Gletscherwelt der alpinen Centralzone besonders wechsel¬
volle Kundsichten sichert. "Wie das Land sind auch die Leute der Be¬
achtung der Eeisenden werth. Den Ethnographen mahnen die merkwür¬
digen, bald deutlich romanischen, bald räthselhaft klingenden Ortsnamen an
die älteste Völkermischung auf diesem Boden, an . die Ueberwältigung der
Ehäter durch die Eömer. Auch im Körperbau und dem Gesichtstypus
der Leute verräth sich noch der alte Grundstock der Bevölkerung, den
die einwandernden Deutschen, hauptsächlich Alemannen, aber auch zahl¬
reiche Walser (Burgundionen aus dem Oberwallis?) germanisirten. Auch
dem Freunde alter Sitte und alter Freiheit bietet das Montavon manch
bemerkenswerthe Eigenthümlichkeit. Kurz, Natur -und Volk rücken in
gleichem Grade das Montavon in erste Linie unter all den bisher von
dem Haupttouristenzug seitwärts gelassenen Thälern, welche die Vollendung
der Arlbergbahn unserer Wanderlust näher rücken wird.

Darmstadt. In den Monats-Versammlungen am 6. März und
3. April sprach Herr Ober-Medicinalrath Dr. Vix über Oberegypten und
Nubien. Unter fortwährenden Vergleichen zwischen dem fernsten Alter-
thum und der Gegenwart und eingehendster Berücksichtigung der im
Laufe der Zeiten eingetretenen Umwälzungen verbreitete er sich über
Ausdehnung und geologische Beschaffenheit des Landes, Klima, Ertrags¬
fähigkeit und Ausnützung des Bodens, Kassenunterschied der Bewohner,
deren Geschichte, Sitten, Eeligion, Gewerbe und Kunstthätigkeit. Ebenso
mannigfaltig waren die Gegenstände, welche Herr Dr. Vix zur Erläute¬
rung seines Vortrags im Versammlungslocal aufgestellt hatte: Gesteine
und Versteinerungen, Muscheln, Thongefässe aus alter und neuer Zeit,
Waffen und Schmucksachen, mit Hieroglyphen bedeckte Scaratäen und Sta¬
tuetten u. s. w. ; ferner Landkarten und vorzügliche photographische An¬
sichten. Nicht minder interessant waren die Schilderungen seiner Reise¬
erlebnisse während seines sechsmonatlichen Aufenthalts in dem Reiche der
Pharaonen und die seiner Fahrt nach den Nilkatarakten, ein fast uner¬
schöpfliches Thema, weil dem Reisenden dort auch bei den unwesent¬
lichsten Dingen der Eindruck des Fremden und Eigenartigen überall ent¬
gegentritt. Der Herr Vortragende wusste durch die bewunderungswürdige
Klarheit, mit welcher er das ungeheure Material beherrschte, seine schwie¬
rige Aufgabe in eleganter oratorischer Form zu lösen. Als besonders er-
wähnenswerth seien noch seine Bemerkungen auf dem Gebiet der Ethno¬
logie und die Schilderung seines durch seine Eigenschaft als Arzt sehr
erleichterten Verkehrs mit den Eingebornen hervorgehoben; was den Vor¬
trag noch besonders anziehend machte und ihm gewissermaassen einen
stimmungsvollen Hintergrund verlieh, waren die überall eingestreuten