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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd. 10 (1884)
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Neue Touren in den Zillertlialer Alpen.

(Fortsetzung.)

4. Olperev 3480 m und Fussstein 3380 m. Der Olperer
wird wie der Greiner jetzt weit öfter erstiegen als früher; auch er
musste sein stolzes- Haupt unter den Fuss der Frau Kauer beugen.
Gegenwärtig haben die Führer die zwei schlimmeren Stellen mit Stiften
versehen, so dass nun jeder geübte Steiger den Gipfel erreichen kann.
Der Aufstieg über den SO.-Grat wurde schon wiederholt geschildert von
Grohmann (Zeitschrift IL), Löwl. Schneider (Zeitschrift VIEL), wess-
halb ich nur erwähne, dass ich am 13. August 1884 von der Olperer-
Hütte, welche günstig gelegen und gut ausgestattet ist, 4 XL 45 aufbrach
und im dicksten Nebel um 7 U. 45, also nach genau 3 Stunden auf
dem Gipfel stand. Die A.-V.-K. westl. Bl. zeichnet anstatt eines messer¬
scharfen Felsgrats ein breites, secundäres Schneefeld, dagegen fehlt ihr
der charakteristische »Schneegupf« unter dem Grat und sie bezeichnet
nicht den obersten Endpunkt des SO.-Grats als Olperergipfel, sondern den
westlichen Vorgipfel.

Der Nebel wogte vom Wind getrieben über die Tuxer Schneide;
dann und wann aber lichtete sich das Terrain, um sich alsbald wieder
zu umhüllen. Ich wollte das schon vielfach angeregte Problem der
Olperer-Fusssteinschneide lösen und stieg 8 XL 45 dem nebelum¬
hüllten Ziel zu. Leicht ging es über Blöcke zum westlichen Vorgipfel
und leicht hinab zu einer scharfen, steilen Schneeschneide, welche damals
einige Stufen erforderte. Hier begannen die Hindernisse, welche diesen
Grat zur schwierigsten unter den bisherigen Touren in den
Zillerthaler Alpen machen: Ein Gratthurm hing hornartig gegen den
Olperer und das Schrammacher Kees zu über, aber einige schmale Bänder
auf der Wildlahner Seite leiteten um ihn herum auf eine schmale Grat¬
strecke, beiderseits mit imposanten Abstürzen, aber oben wie gepflastert
mit bequemen Platten. Nun musste ein zweiter Felsthurm direct erklettert
werden, der die höchste Erhebung im ganzen Grat bildet. Auf den Vor¬
gipfel desselben ging es mit einigen Klimmzügen- ganz gut, dann aber
sass ein kugelrunder Block im 'Wege, der ohne Griff und Tritt durch
blosses Aufdrücken der Handflächen und Knie zu erobern war. Auf dem
Culminationspunkt angelangt, erbaute ich einen kleinen Steinmann mit
Deponirung meiner Karte. Jenseits stieg ich leicht über Blöcke hinab
zu einer sehr bösen Stelle, welche mich ausserordentlich aufhielt. Es
sind dies 56 Gneissplatten, die stufenförmig unter einander liegen und
von denen jede folgende stärker geneigt ist. Links der Absturz gegen
das Schrammacherkees, rechts jener gegen das Wildlahnerkees, vor mir
links als Fortsetzung der Platten eine sehr steile Eishalde, welche in ein
stark geneigtes, später abbrechendes Eiscouloir zum Schrammacherkees
fühlte, und nur vorne eine schmale Schneide, die erreicht werden muss.
Im Sprung gelangte ich über die obersten Platten, entledigte mich dann
der Schuhe, Hess Kucksack und Pickel an einer Rebschnur auf die Schneide