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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd. 10 (1884)
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arm, der Atlasgraben, fliesst dem Hauptgraben von 0. her in etwa 860 m
Meereshöhe zu, welcher von hier an aufwärts Birnlochgraben heisst
Sein Name stammt von einer Höhle, dem sogenannten Birnloch, welches
im östlichsten Arm dieses Grabens, 1228 m ü. M., liegt; es ist ein
Loch von 3 m Weite, 1 '/ 2 m Höhe und einigen Metern Tiefe. Im
Hintergrund dieser Höhle zieht sich ein weiter Schacht nach abwärts,
aus welchem eine mächtige Quelle emporsteigt, welche unter normalen
Verhältnissen den Boden der Grotte bis zu einer Höhe von 30 cm bedeckt.
Nur bei ganz niedrigem Wasserstand kann man die Höhle betreten und
bis an den Eand des tiefen Schachts vordringen; im Herbst und Winter
soll die Quelle mitunter vollkommen versiegen. Ihre Temperatur ist
ziemlich constant 3 # 9° C. —Der westliche Arm des Birnlochgrabens besteht
wieder aus drei Hauptrinnen und wird der Kessel genannt. Bis zu
1120 m reichen hier die Schiefer und Sandsteine der Werfener Serie,
darüber lagern Muschelkalke und Wettersteindolomite; die Muschelkalke
bilden das felsige Gebiet bis an die Steilwände, diese aber bestehen bereits
aus Wettersteindolomit; sie haben grosse Quantitäten von Schutt im
Kessel angehäuft, und durch diesen Schutt haben sich die Gewässer die
besprochenen drei Rinnen ausgewaschen. In jener Einne nun, welche
dem Birnloch zunächst liegt, befindet sich die fragliche Eismasse. Sie
ist ein grosser Lawinenrest, der sich von einem Jahr zum anderen
erhält und selbst im Herbst noch ansehnliche Dimensionen zeigt. Im
August 1880 befand sich das untere Ende des Eisfeldes in 1184 m
Meereshöhe, hatte eine Länge von 65 m aufwärts in der Eichtung der
Einne bei einer Breite von 25 bis 40 m und einer Neigung von 35°.
Unter dem Eisfeld hat sich der Bach sein Bett ausgewaschen und bildete
an einer Spalte ein prachtvolles Eisthor von gegen 20 m Weite und
6 m Höhe, welches auf seiner Innenseite schüsseiförmige Aushöhlungen
zeigte. Die einzelnen Höhlungen, welche Kugelsegmenten glichen, waren
wabenartig nebeneinander gereiht und hatten etwa 30 cm Durchmesser.
Sie glichen vollkommen den Eisschüsseln, welche man in der Eiskapelle
am Königsee beobachten kann. Etwa 15 m unterhalb dieses Eisthores
befand sich das Ende der Eismasse, und zwar ebenfalls mit einem Thor,
jedoch von kleineren Dimensionen. — Im August 1881 war das Eisfeld
bedeutend mächtigpr als das Jahr vorher; das Eisthor, welches sich am
unteren Ende des Lawinenrests, in 1170 m Höhe, befand, war sehr klein,
aber mit wohl entwickelten Eisschüsseln; im August 1882 war das
Schneefeld von geringer Ausdehnung, nicht über 30 m lang und höchstens
20 in breit; auch im August 1883 waren seine Dimensionen nicht viel
grosser, das untere Ende der Lawine, welche diesesmal gar kein Eisthor
zeigte, befand sich in 1190 m Höhe.

Ganz ähnliche Bildungen wie diese Eismassen des Kessels sind die
Eiskapelle am Königsee, welche jedoch in geringerer Höhe (844 m)
liegt und im September 1879 die kolossale Ausdehnung von 600 m
Länge und 350 m grösster Breite zeigte; dann die Eiskapelle bei der