MITTHEILUNGEN
DES
DEUTSCHEN UND OESTERREICHISCHEN ALPENVEREINS.
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1
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i
sind die Verfasser verantwortlich.
Nr. 15.
Wien, 15. August.
1895.
Die Manndlwand in der „Uebergossenen Alm".
Von L. Purtseheller in Salzburg.
(Schiusa.)
Mein erster Besuch in der Kette der Manndl¬
wand, am 25. Mai 1884, galt
;
dem höchsten Punkte
derselben, dem Gamsleitenkopf, den ich vom Gast¬
hause Mitterberg in 2y
2
St. durch die an dessen
Ostseite herabziehende Schlucht erkletterte. Der
Gamsleitenkopf ist von allen grösseren Erhebungen
der Manndlwand die leichtest erreichbare. Der An¬
stieg vollzieht sich auf sehr steilem, aber gut ge¬
stuftem, rasendurchsetztem Fels, der ein rasches Em¬
porkommen ermöglicht; hier und da treffen wir eine
Pfadspur, den „Jägersteig". Man hat bei dieser
schnell fördernden Kletterei das Gefühl, sich gleich
einem Adler über Thäler, Hügel, Wälder und Alpen¬
matten zu erheben; von der Spitze enthüllen sich
die Felsbastionen der Uebergossenen Alm, die aben¬
teuerlichen Zackengebilde der Sattelköpfe, der Schnee¬
klammkopf und der Grosse Thörlwieskopf. In wei¬
terer Ferne aber grüsst die hohe, glanzvolle Welt
der Tauern, vor Allem die Glockner Gruppe, dann
das Dachsteinmassiv mit der Zackenmauer der Go-
sauer Berge, das Tennen- und Hagengebirge.
Zwei Jahre später, 23. Mai 1886, bewerkstelligten
Herr Heinrich Hess und ich die erste touristische
Ersteigung des Grossen Thörlwieskopfes, nachdem
ein früherer Versuch, den ich mit Herrn Ferdinand
Kilger aus München unternommen hatte, wegen
Eintritt der Nacht abgebrochen werden musste. Auch
beim zweiten Versuche mit Herrn Hes« ergab sich
die. kühne Felszinne nicht ohne Widerstreben. Wir
suchten zuerst die Pyramide von der Westseite her
zu erklettern, da wir hier aber auf unüberwindliche
Hindernisse stiessen, wandten wir uns rechts der
schluchtartigen Rinne zu, die sich zwischen dem
Grossen und Kleinen Thörlwieskopf einschneidet. Von
der Rinne erstiegen wir die jähen, rasendurchsetzten
Felsmauern zur Linken, umgiengen den niedrigen
Südgipfel über plattiges Geschröfe an dessen Nord¬
ostrusse und erreichten alsbald die Spitze, die von
der Mitterbergalm in 27
2
—3 St. gewonnen werden
kann. Ein mit voller Gewalt losbrechendes Gewitter
empfierig uns ca. 2 m. unterhalb des höchsten Punktes,
so dass wir zur schleunigsten Umkehr genöthigt
waren. Herr Hess wiederholte einige Wochen später
allein diese schöne, genussreiche Tour, die ebenso
wie der Gamsleitenkopf durch prächtige Einblicke
in die Felscoulissen und Hochkare der Uebergossenen
Alm, durch eine entzückende Schau auf die be¬
nachbarten Kalkstöcke, auf das zu Füssen ausge¬
breitete Salzachthal und die Tauernthäler lohnt.
Das Ziel meines dritten Besuches der Manndl¬
wand, am 3.
October
1888, bildete der an dem West¬
ende der Zackenreihe kühn aufstrebende Hochstell¬
kopf, dessen plattenkahles, scheinbar senkrecht ab¬
fallendes Felsgemäuer nicht sehr einladend aussieht.
In der
That
ist die Ersteigung des Hochstellkopfes
nicht so einfach wie die der anderen Zackengebilde
der Manndlwand, es sei denn, dass man den Gipfel
durch das oberwähnte „Klamml" oder durch das
einen . grossen Umweg bedingende Ochsenkar er¬
klettert. Mich begleitete der damals auf dem Mitter¬
berg bedienstete Imlauer Jäger J. Linschinger,
und diesem Manne und einem alten Hirten auf der
Mitterbergalm, Georg Vierthaler mit Namen, ver¬
danke ich die Ermittlung der beinahe ganz in Ver¬
gessenheit gerathenen Namen. • • .--' ' '" -
Wir verliessen 7 U. 45 morgens die Mitterberg¬
alm und stiegen über die an die Manndlwand sich
anlegenden, steil geböschten, von Wasserrinnen durch¬
furchten Weidehänge gegen die Abbruche des Hoch¬
stellkopfes an. In 1 St. standen wir an dem Fusse
der W
än
de, deren geschlossener Aufbau sich etwas
zu gliedern begann. Ein zur Rechten aufstrebender
riesiger Felsthurm und ein zweiter kleinerer, etwas
tiefer stehender, bezeichnen den Einstieg. Von dem
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