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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd. 21 (1895)
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Mittheilungen des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins.

Nr. 20.

tigen Höhen grausame und schreckliche Berge", und man
merkt, wie er fröhlich aufathmet, wenn er die „bösen, stei-
nichten und fürchterlichen Wege" wieder im Kücken hat.
— Aus dieser kleinen Blumenlese mögen die geehrten Leser

ersehen, dass Herr Martin Zeiller in seinem „Raißbuch" ein
so verdienstvolles Werk geschaffen hatte, dass Avir Ursache
haben, ihn als einen würdigen Vorgänger der heutigen
Schöpfer der Reiseliteratur zu betrachten.

Touristische Mittheilungen.

Lcclithaler Alpen.

Rothe Wand (2701 m., I. Erst, über die Südwand). Am
22. September d. J., morgens 6 U. 20, stiegen die Herren Josef
und Eichard Gassner-Feldkirch, J. Haeffely-Hard, sowie W.
Rüsch und B. Hämmerle-Dornbirn von der Freiburgerhütte
an dem Formarinsee zur Schwarzen Furka und von hier nach
kurzem Aufenthalte in den untersten Theil der Südwand der
„Rothen Wand" ein, und zwar auf einem bequemen Felsbande,
das ungefähr in gleicher Höhe wie die Furka sich von Westen
nach Osten in die Wand hineinzieht. Etwa 3040 m. vor dem
Abbruche dieses Bandes wurde dasselbe verlassen, die Gesell¬
schaft kletterte in einer nahezu senkrechten Einne ungefähr
50 m. aufwärts und erreichte damit den oberen Eand des Fels¬
absturzes. Dieses Stück ist das einzig schwierige an der ganzen
Südwand und hat ein paar bedenkliche Stellen. Nun gieng es
immer steil, aber verhältnissmässig unschwierig in der gleichen
Richtung aufwärts bis zur Erreichung eines mit Gras bewach¬
senen Kammes, nicht mehr weit unter dem Gipfel, und von
hier horizontal unter den Wänden östlich bis zur grossen Mittel-
. rinne, welche die ganze Wand durchzieht. Dann westlich von
dieser Einne auf den Hauptkamm, wobei neuerdings kurze
Kletterei zu überwinden war, und über den Kamm östlich in
einigen Minuten auf den Gipfel. Ankunft 11 U. 20 mittags,
also in 5 St., wovon eine Stunde auf Aufenthalt entfällt. Mit
dem Suchen von Weg und Eichtung gieng ziemlich viel Zeit
verloren, ebenso durch den Umstand, dass fünf Personen an
der Partie theilnahmen; bei geringerer Betheiligung und Kennt-
niss des Weges lässt sich die Tour jedenfalls in bedeutend
kürzerer Zeit ausführen. Geübten Kletterern ist dieselbe zu
empfehlen; bei der Kletterstelle gleich vom Bande aus leisten
Kletterschuhe und Seil gute Dienste, weiter oben auf den
Easenpäcken können auch Steigeisen nothwendig werden, wenn
der Boden hartgefroren ist. B. Hämmerle, Dornbirn.

Eimsthaler Alpen.

Lugauer über die Südostwand (durch den „Rauchfang"). Ich
hatte schon voriges Jahr den unteren Theil des „Eauchfangs",
eines kolossalen Kamins, welcher die 1000 m. hohe Südostwand
des Lugauers von unten bis oben durchzieht, recognosciert und
denselben unpassierbar gefunden. Deshalb erstieg ich (allein)
am 18. Juli 1895, durch den vom kaiserlichen Jagdschlosse
Eadmer emporziehenden Graben ansteigend, den Bergrücken,
welcher rechts (östlich) bis hoch an die Wand des Lugauers
emporzieht. Von diesem gieng ich über ein breites, terrassen¬
förmiges Band nach links, und da dieses gegen den „Rauchfang"
zu mit Abstürzen endet, auf der rechten Seite des Eauchfangs"
über steile Schrofen und erst weiter oben zum Theile in ihm
selbst über ähnliches Terrain direct auf den mit Gedenkbuch
versehenen und von diesem später über die Scharte auf den
anderen, höheren Gipfel. Uebrigens kann auch direct in die
Scharte emporgestiegen werden. Von Station Eadmer bis zum
Jagdschlosse l 1 ^ St., von hier hinauf im Ganzen 5 3 / 4 St., von
welchen Zeiten sich aber die zweite bedeutend kürzen lässt.
Es ist eine ziemlich schwierige, aber verbunden mit dem
Abstiege durch den Waggraben höchst dankbare Partie, die
übrigens von Einheimischen (wohl Wildschützen) schon gemacht
worden sein soll.*

Tamischbachthurm über die Nordwand (HI. Erst, auf meiner
Eoute). Man hört fast gar nicht, dass diese dankbare Partie
gemacht würde. Nur ein Herr Hartmann aus Wien soll sie
voriges Jahr wiederholt haben. Ich will daher noch einmal in
grossen Zügen die Eoute skizzieren, welche ich allein aufs

* Nach einer dem Schriftleiter dieser Blätter seinerzeit
gemachten ganz flüchtigen Mittheilung dürfte der seither ver¬
storbene Wiener Bergsteiger A. Faschingbauer anfangs der
Siebzigerjahre den Anstieg durch den Rauchfang ausgeführt
haben.

Neue am 21. Juli 1895 begieng. Am Fusse der Nordwand,
gerade unter der Spitze des Berges, befindet sich ein wohl
unpassierbares Couloir, welches links von einer plattigen Wand
begrenzt wird, über die ich diesmal den Einstieg bewerkstelligte.
Am besten erfolgt derselbe aber über eine etwas links be¬
ginnende und nach rechts emporziehende Bergrippe, welche an
ihrem Eücken mit Latschen bewachsen ist und hier sogar eine Art
Steig erkennen lässt. Die eben erwähnte Wand bildet die rechte
Flanke dieser Bergrippe, während mein und meiner Gefährten
erster Aufstieg in dem sanft ansteigenden Couloir erfolgte,
welches sich an der linken Flanke derselben befindet. Ueber das
„Feldl" (eine Art Terrasse) geht es dann direct empor, aber
nicht auf das breite Latschenband, welches, von ihm beginnend,
die ganzen Nordabstürze des Tamischbachthurmes wagrecht
durchzieht. Im innersten obersten Winkel des „Feldls" steigt
man nach rechts auf einen Felskopf, dann geht es über ein
zum Theile unter Ueberhäugen hinführendes, von unten nicht
sichtbares Band noch weiter nach rechts und, sobald dies möglich
ist, schwierig über steile Schrofen mit Wandeln und kleinen
Kaminen direct empor. Es scheint mir übrigens nicht ausge- .
schlössen, dass einige tüchtige Kletterer gemeinsam auch die Ab¬
stürze im innersten Winkel des „Feldls" direct bewältigen und so
geradeaus auf die Spitze gelangen könnten. Ich hatte diesmal
um 7 U. 30 den Einstieg begonnen und erreichte um 12 U. die
Spitze. Diese Tour scheint mir etwas schwieriger zu sein als
die Südostwand des Lugauers und auch schwieriger als der ge¬
wöhnliche Weg auf den Eeichenstein. Dr. E. Witlaczil,Vf ien.

Oetzthalcr Gruppe.

RauhenkopfhütteSchwarzwandspitzeHochvernagtspitze
Hinterer Brochkoge! Vent. Im „Hochtourist" von Purt-
scliollor und Hess ist bemerkt (S. 91), dnss Ap.r äirp.c.ta TJp.hor-

gang von der Schwarzwandspitze in der Oetzthaler Gruppe zur
Hochvernagtspitze noch nicht versucht sei. Da mir nicht be¬
kannt ist, dass diese Tour inzwischen von anderer Seite gemacht
worden ist, theile ich die meinige mit, die ich am 17. August
dieses Jahres mit dem Führer J. J. Penz aus Feuchten aus¬
geführt habe. Bei kaltem, klarem Wetter marschierten wir
4 U. 55 früh von der Rauhenkopfhütte ("2731 m.) ab. Die Nieder¬
schläge der vorherigen Tage hatten eine 23 dm. dicke Schicht
Neuschnee auf die Gletscher gelegt. Wir überquerten den Ge¬
patschferner gerade nach Osten, suchten mühsam einen Durch¬
gang durch die stark zerklüfteten Eismassen südlich der Schwarzen
Wand und stiegen dann rasch zum Gepatschjoche (3243 m.) auf,
wo wir 6 U. 40 anlangten. Nach kurzer Rast giengen wir 0 U. 50
auf den Grossvernagtferner hinunter nach Osten, wo wir in
ca. 3100 m. Höhe nach Norden in die von der Schwarzwand¬
spitze östlich zum Grossvernagtferner herabkommende Gletscher¬
bucht einbogen. In dieser wendeten wir uns dem Nordostabhange
der Schwarzwandspitze zu und kletterten an ihm über steilen
Firn, zuletzt über einige vereiste Platten und Blöcke zum
Gipfel (3470 m.) hinauf, wo wir 7 U. 55 ankamen. An dem
soliden Steinmanne des Gipfels rasteten wir wegen des schnei¬
denden Windes nur 5 Min. Dann gieng es hinab auf den im
guten Schnee unschwer zu begehenden Grat, der nordwärts zur
Hochvernagtspitze hinaufführt. Bei der ersten felsigen Stelle,
in geschützter Einsattlung, gönnten wir uns Rast von 8 U. 10
8 U. 30 zum Frühstücken. Ohne Schwierigkeiten vollzog sich
der Weitermarsch. Nachdem 8 U. 55 die auf der Sim on 'sehen
Karte mit Cote 3503 m. bezeichnete runde, dem Grat aufge¬
setzte Firnkuppe südlich der Hochvernagtspitze überschritten
war, erreichten wir 9 U. 10 den mit einem kleinen Steinmanne
gekrönten aperen Felsgipfel der Hochvernagtspitze (3531 m.).
Aber über ihn steigt im Ostnordosten der Firngrat noch 67 m.
höher an, so dass diese letztere Erhebung als höchster Gipfel
der Hochvernagtspitze (3538 m.) anzusehen ist. Wir betraten
ihn 9 U. 20. Von hier fällt der Berg nach Ostnordosten zwischen
dem Ost- und Nordostgrat sehr steil zum Grossvernagtferner ab.
9 U. 30 stiegen.wir mit vorsichtigem Stufenschlagen an dieser