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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd. 21 (1895)
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Nr. 20.

Mittheilungen des Deutschen und Oesterreichischen Alpeiivereins.

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eine Stadt, M. ein Marktflecken, D. ein Dorf, Kl. ein Kloster
und M. die Meile bedeuten, etwa Folgendes erfahren:

Von Muerau auf D. Bänten 1 M. In diesem Dorf liegt
ein Schloss, den Herren Egartnern zuständig, hat eine vor¬
nehme Pfarrkirche, so sammt dem Pfarrhof auf einem Berg¬
lein liegt. D. Seebach 1 M. D. Klausen 1 M. Es gibt hierum
ein ziemlich hohes Gebirg, allda sich das Land Steier und
das Erzstift Salzburg scheiden. M. Damsweg, so ein schöner
Salzburger Flecken und wird die Gegend das Lunkgöw
(Lungau) und vom Lazio Vallis Lingonttm genannt : M.
Mauerdorf 1 M. Allhie kommt man zur Landstrassen, so
von Salzburg auf Villach gehet. D. Im Gweng 1 M. Von da
sein wir über das hohe Gebirg, der Rastatter Tauern ge¬
nannt, gereist und in einem schönen Wirthshaus, so zu
höchst oben liegt, über Nacht geblieben. 1 M. D. Unter-
Taurn, so jenseit unten am Berg liegt, D. Altenmarkt, 1 M.,
eine vornehme Pfarr. Wir haben Rastatt, eine Stadt an der
Enns gelegen, unten im Thal liegen lassen. D. Eben, 1 M.
Hütten, 2 grosse M. Ist nur eine Kirch und ein Wirthshaus.
M. Werfen, 2 M. ist ein feiner Ort, so ein schönes Berg-
schloss hat. Von da nach M. Golling durchs Lueg. 2 M.
Zwischen hier und Werfen hat der Erzbischof Johann Jakob
von Salzburg anno 1572 einen Weg zwischen hohe Felsen
bauen lassen, wie der Stein allda mit seinem Wappen an¬
zeiget. St. Hall 3 M. Dazwischen liegt der Markt Küchel,
•1 M. von Golling. Gedachter Ort ist eine kleine Salz¬
burgische Stadt, allda viel Salzpfannen sein, und wird das
Salz, so allhier gemacht wird, weit verführt. St. Salzburg,
2 M. Dies ist eine bischoffliche Eesidenzstadt, die bei den
Alten Juvavia genannt wurde."

Es ist begreiflich, dass Zeiller der schönen Alpenstadt,
die einen ausgezeichneten Eindruck auf ihn macht, eine
längere Besprechung widmet und namentlich der vielen
schönen Kirchen gedenkt, wobei er z. B. auch das Grab¬
denkmal von Paracelsus in der Sebastianskirche erwähnt
und den Lesern, die in der Sprache der alten Körner nicht
mehr sattelfest sein sollten, mit folgender deutschen Ueber-
setzung der Grabschrift entgegenkommt: „Hier liegt be¬
graben der fürtreffiiche Doktor der Arzenei Theophrastus
Paracelsus, welcher die abscheulichen Krankheiten: den Aus¬
satz, das Podagram oder Zipperlin, die Wassersucht und
andere unheilsame Leibsgebrechen mit einer wundersamen
Kunst geheilet, und in seinem Testament seine Güter den
Armen auszutheilen und zu geben, geordnet hat. Er ist ge¬
storben im Jahr Christi 1541, den 24. Septembris." — Nach
den städtischen Merkwürdigkeiten auch noch die erzbischöf¬
lichen Lustschlösser der Umgebung berührend, kommt der Ver¬
fasser zu dem Schlüsse: „In Summa, es ist ein herrlicher
Ort, dieses Salzburg." — Dieser Auszug aus einem Capitel
des Reisewerkes liefert jedenfalls den Beweis, dass der
Reiseschriftsteller in der Anlage seines Buches praktisch
zu Werke gieng und es verstanden hat, seinen Stoff in an¬
regender Weise zu behandeln. Wenn an manchen Stellen
anderer Abschnitte der freiwillige und unfreiwillige Humor
seine Blüthen trieb, so gereichte dies dem „Raißbuch" sicher¬
lich nicht zum Nachtheile. So lesen wir an einer Stelle über
Brandenburg: „Es ist dies an sich selbsten ein hübsches
und fruchtbares Getreidland, hat Fischreichthum und großen
Vorrath an Wildbret. Aber die Leut, sonderlich in Flecken
und Dörfern, sein so unanstellig, dass sie ihnen diese herr¬
liche Gelegenheit nicht zum Vortheil zu machen wissen.
Es gibt in etlichen Dörfern so freigebige Wir the, dass sie
den Gästen die Suppen mit Wasser schmalzen, und wann
sie Eier sieden, die Brühe um Gottes Willen geben. Wer
ein frisches Stroh zu seinem Nachtlager haben kann, der
mag sich glücklich schätzen und für einen grossen Herrn
halten."

In seinen ethnographischen Betrachtungen versäumt der
Autor nie, abfällige Urtheile von anderen Eeiseschriftstellem

anzuführen und diese dann, soweit es ihm möglich ist, abzu¬
schwächen. „Der Autor des französischen Buches: ,Les Estats,
Empires und Principautez du Mond,' schreibt Zeiller im
VII. Capitel, „sagt von den Böhmen, dass sie niemals an
ein Gesetz gebunden gewesen seien, welches sie zur Tugend
gewiesen, und dass sie im Uebrigen gross und stark von Leib
seien, einen guten Schmerbauch und weisse Haare hätten,
auch ehrgeizig, aufgeblasen und ruhmredig seien und andere
Leute neben sich verachteten. Ich halte zwar auch dafür,
dass die Böhmen kühn, ruhmredig und stolz seien, sich zu
viel auf ihre Macht verlassen, den Deutschen gram seien
und sie übel tractiren, aber gleichwohl muss man bekennen,
dass das, was oben gesagt worden, zu viel ist und man
viele gute, ehrliche Leute unter ihnen findet, wie ich sol¬
ches selbsten erfahren und rühmen kann." — Und in einem
anderen Capitel, wo das Herzogthum Bayern besprochen
Avird, äussert sich unser Oesterreicher : „Der schon öfter ge¬
nannte Franzose schreibet von den Sitten der Innwohner
seiner Art noch grob genug, indem er sagt: So viel die
Bayern betrifft, so sein sie so unhöflich, ungeschickt und
grob, dass, wann man sie gegen die anderen Deutschen
vergleichen will, man sie mit gutem Fug barbarische Leute
nennen könnte. Aber ich vermeine, man werde in Bayern
allwegen so viel Höflichkeit, sonderlich im Essen, Trinken,
Bekleiden, Waschen und dergleichen mehrers als in Frank¬
reich lernen. Wer dieses mir nicht glauben will, der be«-.,
trachte einen Franzosen, so erst aus seiner Heimat kommt,
und einen Bayern gegen einander." Wie spassig liest sich
der Schlusspassus über die Universitätsstadt Wittenberg:
„Sonsten ist die Luft da nicht zum Besten und sein die Vers
bekannt, so also lauten:

Wer kommt von Wittenberg mit g'sundem Leib,
Von Leipzig und Tübingen ohn' ein Weib,
Auch von Jena und Helmstatt ungeschlagen,
Der kann mit Fug von gutem Glücke sagen!"
Und erheiternd mag es auf die Bewohner der Stadt
Halle a. S. wirken, wennn sie vernehmen, dass Zeiller über
| ihre Vorfahren folgendes Urtheil abgegeben hat: „Man redet
in dieser Stadt gar schön deutsch und gibt es da schöne
Weibsbilder, auch feine Vorstädte, aber wie mich bedünkt
hat, so ist das Volk insgemein sehr stolz daselbst, möchte
aber, nachdem etliche Jahre Unruhe dorten gewesen ist,
ganz anders geworden sein." — Mitunter stossen ,wir auch
auf Stellen, die einen interessanten Beitrag über gewisse
Culturzustände damaliger Zeit liefern. So heisst es in einem
Capitel, das Mähren behandelt: Es war noch zu meiner
Zeit ein seltsamer Brauch in diesem Lande, indem man
denjenigen, so dem Urtheil und Ausspruch, der von den
Landrechten ergieng, nicht nachkommen wollte, eine gewisse
Anzahl Armer vom Adel in ein Wirthshaus legte auf seine
Kosten, welche alleweil aßen und tranken, bis der Ungehor¬
same sich gebührlich einstellte. Ich habe einen Alten vom
Adel zu E. gekannt, welcher sich von dieser Hantierung
ernährt hat und in zwei Jahren kaum einige Wochen zu
Hause geblieben ist." — Dass ein Prakticus wie unser Ge¬
lehrter auch Sorge trug, über die Verpflegung in den Her¬
bergen Aufschlüsse zu ertheilen, davon geben folgende
Stellen Zeugniss: „Das Wirthshaus zum gulden Hirschen hält
man für das beste allhier (Enns). Im Einhorn (Speier) sein
wir fürtrefflich wohl tractirt worden. Hier (Baden) sein wir
teuer gehalten worden. Der Wirth (Südtirol) hat uns, sonder¬
lich mit dem Wein übel tractirt und er soll bisweilen selbst
mit den Banditen auf die Beute reiten." — Ganz als Sohn
seiner Zeit erweist sich der Verfasser, indem er, der mehr¬
mals die Schweiz und ganz Tirol durchreist hat — immer
zu Pferd oder zu Wagen — niemals ein Wort der Bewun¬
derung, womit er bei der Schilderung von Flachlandschaften
keineswegs kargt, für die landschaftlichen Schönheiten des
Hochgebirges zum Ausdrucke bringt. Für ihn sind die mäch-