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Mitteilungen des Deutschen und Osterreichischen Alpenvereins.
Nr.
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sich dabei so schwere Verletzungen zu, daß sie nach
3
Stunden
verschied. Das Unglück erfolgte dadurch, daß die Turistin mit
dem Nock hängen blieb. Im alpinen Gebiet, abseits von den
bewohnten Stätten, sollten auch Damen in der praktischen
Turistenhose steigen.
An der Gufel auf der
5)
öf
ats
(Allgäuer Alpen) stürzte
der Arbeiter I. Nädler von Schelldorf bei Kempten ab;
er konnte nur als Leiche geborgen werden. Die höfats ge»
hört allerdings zu den schwersten Türen des Allgäus.
Zum Absturz von der Bischofsmütze. Vom Augenzeugen des
traurigen Unglücks, Herrn Al. Iibura, Wien, ging uns nach»
folgender Bericht zu, der jugendlichen Bergsteigern eine Mah»
nung sein möge, trotz Vergbegeisterung Warnungen und Rat»
schlage erfahrener Alpinisten zu beherzigen.
Am Mittwoch, den
6.
August, um
9
U.
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vormittags stürzte
von der Großen Bischofsmütze der 18jährige Realgymnasiast
Kurt Schmied aus Linz ab und blieb mit zerschmettertem
Kopfe, Bruch der Wirbelfäule und einiger Nippen unterhalb
der steilen Schneerinne, welche zum Einstieg auf die Große
Bischofsmütze führt, liegen.
Kurt Schmied war in Gesellschaft von
3
Damen und
4
Herren in das Dachsteingebiet gekommen, von der ein Herr
am
5.
August die Bischofsmütze allein bestieg, was natürlich
bei Schmied den Ehrgeiz wachrief. Am nächsten Tag zeitlich
früh machte sich auch Schmied bereit, dieselbe Tur allein zu
unternehmen. Er wurde gewarnt und aufmerksam gemacht, daß
die Tur für ihn allein wegen feiner Kleinheit viel zu schwer
sei. Trotz Warnung und Äbmahncns machte sich Schmied auf
den Weg und traf unterhalb des Einstieges mit dem Berg»
führer Johann Seethaler aus hallstätt zusammen, der
eben vom Gipfel der Bischofsmütze kam, wohin er einen
Wiener Turistcn geführt hatte. Schmied richtete an See»
thaler die Frage, wie weit es noch bis zum Einstieg sei,
worauf ihm letzterer die Auskunft erteilte und zugleich auf»
merksam machte, daß die Tur schwierig sei und er deshalb
rate, sie allein zu zu unterlassen. Schmied hörte jedoch auch
auf diese gutgemeinten Worte des gewiß erfahrenen Berg»
fi'.hrers nicht, sondern setzte den Anstieg fort.
Seethaler mit feinem Begleiter hatte die steile Schneerinne
passiert. Meine Gesellschaft und ich waren nur noch einige
Minuten von der Schneerinne entfernt, als ein Schrei von
der Wand zu uns drang. Alles blickte empor. Ein Körper
sauste in großem Bogen nieder, fiel auf die vorerwähnte
Schneerinne und in räfendem Tempo ging es in die Tiefe.
Eeethaler und ich machten uns fofort auf die Suche nach dem
Gestürzten, fanden auch bald die Leiche, die mit dem Kopfe
aus einen Felsblock aufgefallen war, und bargen sie im Ver»'
ein mit meinen Begleitern.
Absturz am Hohen Göll. Die Leiche der verunglückten Frau
Anna Wegner (nicht Werner, wie es in Nr.
15/16,
S.
96,
hieß) aus Berlin wurde vier Tage nach dem Unglücksfall ge»
funden und nach Verchtesgaden gebracht. Die Frau hatte sich,
für eine Hochtur ungenügend ausgerüstet, einer andern Ge-
fellschaft angeschlossen. Unterhalb des Göllgipfels glitt sie
auf einer Schneezunge aus und stürzte über die weiter unten
befindlichen Wände ab, wobei sie sich das Genick brach.
Schlechtes Wetter mit Neuschnee verzögerten die Vergungs»
arbeiten.
Hofrat Dr. Bruno v. Wagner-Freynsheim vermißt. Hof.
rat Wagner begab sich am
24.
August früh von Salzburg, wo
er feit feiner Versetzung in den Ruhestand lebte, angeblich in
die Gegend von Grödig; er wollte keine größere Bergpartie,
sondern nur einen Ausflug machen und dabei angeblich an den
hängen des Untersbergs Beeren pflücken, rüstete"sich auch dem»
entsprechend nur mit leichtem Schuhwerk und geringem Mund»
Vorrat aus. In Grödig scheint er noch zu.Mittag gegessen zu
haben; seither fehlt von ihm jede Kunde. Spuren, die ins
Nosittcntal und in die Gegend von Fürstenbrunn zu führen
schienen, haben sich als irrig erwiesen. Die Nachforschungen,
die die alpine Rettungsstelle Salzburg und die Gendarmerie
Grödig anstellten und die der Sohn des Vermißten unter Zu»
hilfenahme eines Polizeihundes mit größtem Eifer fortfehte,
hatten kein Ergebnis; eine Prämie von
1000
X,
die die
Familie für die Auffindung des Vermißten ausfetzte, loste
viele Leute hinaus, auch die Volkswehr und die zahlreichen in
Niedcralm zur Erholung weilenden Wiener Lehrlinge machten
sich auf die Suche, aber bisher ohne Erfolg. Es liegt daher
die Vermutung nahe, daß hofrat Wagner nicht einem alpinen
Unglück, fondern einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist.
hofrat Wagner war eine in Wiener Vergsteigerkreisen bestens
bekannte Persönlichkeit; er war seinerzeit ein eifriger Berg»
steiger, der auch schwere Schweizer Türen gemacht hat, ein
begeisterter Naturfreund und Jäger und erfreute sich auch noch
als angehender Siebziger einer eisernen Gesundheit und un»
gewöhnlichen Ausdauer, die ihn befähigte, noch vor kurzem die
beschwerliche Überschreitung des Tennengebirges durchzu»
führen.
Auf der Raxalpe verunglückte anfangs September das
18
jährige Fräulein Leopoldine Müller aus Wien durch Ab»
stürz, vom „Iimmersieig" im Großen Höllental infolge Ver-
sagens der Kräfte. Die Verunglückte war in Gefellfchaft
mehrerer Herren gegangen und unangefeilt geklettert.
Vom Habicht (Stubaier Alpen) ist, nach einer Meldung
des „Neuen Wiener Abendblattes" vom
10.
September, die
Buchhalterin M. Dufchhalter aus Innsbruck tödlich abge»
stürzt.
Vom höchstein (Niedere Tauern) ist am
22.
August der
Privatbeamte Franz Straßnitzky aus Wien tödlich abgestürzt.
Er soll angeblich ein guter Bergsteiger gewesen sein und hat
den Gipfel, von der Hans-Wödl»hütte ausgehend, als letzter
von drei verschiedenen Partien erreicht. Beim Abstieg von
einem Gewitter überrascht, verfehlte er vermutlich im Nebel
den Weg, geriet in die Nordflanke und dürfte auf einem
nassen, steilen Grasband
—
vielleicht durch den mit dem Ge»
Witter losgebrochenen starken Sturm verursacht
—
zu Fall ge»
kommen sein. Der Leichnam wurde am
24.
August gefunden
und geborgen.
Im Adangkamin (Tschierspitzen, Grödener Dolomiten) ist
der Handelsangestellte Fritz Gritsch aus Meran tödlich ver»
unglückt („Neues Wiener Abendblatt").
Mahnruf. Zur beklagenswerten Häufung alpiner Unglücks'
fälle im heurigen Jahre fühle ich mich verpflichtet, warnend
darauf hinzuweifen, daß nicht nur die mangelhafte Ernährung
und die Behinderung der Instandhaltung der alpinen Steig»
anlagen bei den diesjährigen ungünstigen Schnee» und Wetter.
Verhältnissen, die die subjektiven und objektiven Gefahren
gesteigert haben, allein schuld sind, sondern vor allem die
leichtfinnige oder gleichgültige Unterschätzung des hochgcbir»
ges, die durch den langen Aufenthalt vieler Kriegsteilnehmer
in den alpinen Negiönen herbeigeführt worden ist und sie
zu selbstsicher gemacht hat.
Wer unter schwierigen, ja schwierigsten Verhältnissen
—
dazu noch bei feindlicher Einwirkung und fogar im Winter!
—
im Gebirge standgehalten hat, dünkt sich, nur zu begreif»
lich infolge der abstumpfenden Wirkung der Gewohnheit,
gegen alle Unbill gefeit. Und diefe Überschätzung seiner
Fähigkeiten im Verein mit der Unterschätzung der Eigenheiten
des Hochgebirges verleitet nur zu leicht zu Sorglosigkeit und
Unterlassungssünden gegenüber alpinistischcn Grundregeln, die
dann zum Verderben führen müssen.
Möge niemand vergessen, daß die Verhältnisse des hoch»
gebirges im Krieg und Frieden grundverschieden sind, daß
damals hochgelegene Unterkünfte, Verbindunasmöglichkeitcn
und Sicherungsänlagen bestanden, die heute fehlen oder un»
brauchbar geworden sind; daß damals das Hochgebirge bis
in seine höchsten und entlegendstcn Einöden besiedelt und weg»
sam war, aber heute dort wieder fast überall die große, ur-
wilde Einsamkeit herrscht, in der jedermann mehr oder minder
allein auf sich selbst gestellt ist und nur der körperlich wie
geistig und fachlich aufs beste Ausgerüstete und Ausgebildete
den alpinen Fährnissen sich auszusetzen wagen darf.
hüte sich also jeder, diesen falschen Maßstab an sich und
die Berge anzulegen!
Hanns Barth.
Personalnachrichtenl
Alpenmaler Gustav Jahn, Wien -Z-. Noch nie hat allgemeinere
Bestürzung in Alpinisten» und Wintersportkreisen geherrscht
als bei der unglaublich klingenden Trauernachricht: Gustav
Jahn ist im Gesäuse am Großen Ödstem tödlich verunglückt!
Er war der Beste der Wiener Kletterer und Schiläufer und
mit ihm fank, der im Wiener Sportleben standartenartig
ragte, ein Idol unfehlbarer Sicherheit, ein Glückskind der
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