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Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins 1919 (1919)
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Mitteilungen des Deutschen und österreichischen Alpenvereins.

Nr. 11 u. 12

(jetzt Major) C. v. Orel der Stereoautograph erfunden, der
in der ganzen hochgebirgsaufnahme eine vollkommene Um
wälzung verursachte. Von den Endpunkten einer je nach der
Fernsicht größeren oder kleineren Standlinie, z. V. von zwei
dicht benachbarten Gipfeln, werden zwei Vilder aufgenommen,
deren Bildebenen vollkommen parallel sind. Sie werden zu
Hause in einen komplizierten stereoskopischen Apparat gelegt.
Das Bild erscheint, durch das Stereoskop betrachtet, über»
plastisch, ist doch die Augendistanz bei der photographischen
Aufnahme durch die Länge der Standlinie ersetzt. Durch ein
System von Kurbeln wird nun eine"optische Marke der Ober»
fläche, z. V. des Plastisch geschauten Verges entlang stets in
gleicher höhe bleibend geführt. Dabei überträgt sich durch
«in Stangensystem nach Art des Pantographen die Bewegung
auf einen Stift, der die Schichtenlinie oder in einem andern
Fall die horizontalprojeltion eines Weges, die Begrenzung
eines Waldes uff. automatisch auf dem Kartenblatt aufzeich»
net, das neben dem Apparat aufgespannt ist. Eine Arbeit,
die früher viele, viele Monate in Anspruch nahm, wird so
in wenigen Wochen und dabei mit weit größerer Genauigkeit
geleistet.

Ganz besonders groß sind die Verdienste des Instituts
auch um die Entwicklung des ^Produktionsverfahrens für
Karten. Früher wurden Karten stets entweder in Kupfer
oder in Stein gestochen und von der Kupferplatte oder vom
Stein gedruckt. Vor 50 Jahren wurde im Militärgeographi»
schen Institut zum ersten Male ein anderes Verfahren das
photomechanische eingeschlagen, das durchweg auf der Ver»
Wendung der Photographic, kombiniert mit verschiedenen
chemischen Prozessen, beruht, und heute werden alle Karten
nur noch auf Papier gezeichnet, was viel rafcher und doch
in tadellofer Schärfe geschehen kann. Die Zeichnung wird
photoaraphiert, mit Hilfe des gewonnenen Negativs das
Vild auf ein lichtempfindliches Gelatinepapier übertragen und
von diesem auf eine Kupferplatte aufgequetscht. Nach erfolg»
ter Entwicklung der Kopie in warmem Wasser erscheinen alle
Striche, die in der Originalzeichnung schwarz waren, erhaben,
weil die Gelatine, wo sie belichtet worden war, unlöslich
blieb. Von dieser Kupferplatte mit ihrem Gelatinerelief wird
dann ein galvanoplastischer Abzug gewonnen, der die Zeich»
nuna vertieft wie beim Kupferstich wiedergibt. D.ie ltber»
tragung erfolgt rafch und mechanisch, während früher der
Stich außerordentlich viel Zeit beanspruchte. Das ist die
Methode der Heliogravüre, die zuerst im Militärgeographi'
schen Institut erfunden worden ist. Ähnlich findet die Über»
traauna von Kartcnzeichnungen auch auf einen lithographi»
schen Stein statt. Gedruckt wird weder von 8er so gewönne»
nen Kupferplatte, noch vom Stein, fondern es werden von
der Kupferplatte wie vom Stein Umdrucke, heute meist auf
Aluminiumblech, ausgeführt. Diefe Aluminiumplatten ge»
statten eine Verwendung in Schnellpressen. So ist es möglich,
in kurzer Zeit gewaltige Auflagen von Karten zu drucken.
Direkt von der Kupferplatte vermag man in der Stunde
8 bis 10 Drucke abzuziehen, in der Schnellpresse vom Um»
druck auf Stein oder Aluminium 400. Seit 1910 find Gummi»
rotationspressen in Verwendung, hier wird die Farbe von
der um die Walze gewickelten Äluminiumplatte auf ein Kaut'
schuktuch übertragen, das um eine zweite Walze gelegt ist,
und erst von diesem Kautschuktuch erfolgt der Druck der Karte
auf Papier. Diefe sogenannte Ofssetpresse liefert in der
Stunde 2000 Drucke, und da bei den Größenverhältnissen der
Walzen gleichzeitig 4 Kartenblätter gedruckt werden können,
belauft sich die Leistungsfähigkeit dieser Gummidruckrota'
tionspresse auf 8000 Kartenblätter in der Stunde. Es ist das
die taufendfache Geschwindigkeit gegenüber dem Handdruck
von der Kupserplatte. Nur dadurch sind die riesenhaften
Leistungen des Militärgeographischen Instituts während des
Krieges möglich geworden. Bulgarien und die Türkei druck»
ten überhaupt keine Karten; die Karten für die Gebiete von

Nußland find zum guten Teil im Militärgeographifchen In»
stitut hergestellt worden. Insgesamt wurden im Militär»
geographischen Institut während des Krieges 310 Millionen
Karten gedruckt, von denen ein sehr großer Teil mehrfarbig
war, also mehrmals durch die Presse laufen mußte. Diefe
Kartenblätter aneinander gelegt, würden die Erde am Äqua»
tor fünfeinhalbmal zu umwickeln gestatten und aufeinander»
gelegt eine Papierfäule von rund 28.000 Meter höhe bilden,
d. i. mehr als dreimal fo hoch wie der höchste Gipfel der
Erde, der Mt. Everest im Himalaja. Der Papierblock faßt
10.741 Kubikmeter und besitzt ein Gewicht von 10,850.000
Kilogramm, entsprechend 1085 Waggonladungen.

Wie schon eingangs gesagt, wird sich in Zukunft die Tätig»
keit des Militärgeographischen Instituts im wesentlichen aus
Deutschösterreich beschränken müssen. Es werden zwar auch
von auswärts Aufträge einlaufen, wie ja auch vor dem Kriege
aus den verschiedensten Teilen Europas Aufträge kamen;
aber das Schwergewicht der Arbeit wird doch in der Heimat
liegen. Visher war der Großteil der Arbeiter Soldaten, die
hier ihren Militärdienst ableisteten. Selbstverständlich wur»
den nur technisch befähigte und dann auch künstlerisch veran»
lagte Mannschaftspersonen an das Institut gezogen, wo sie
durch ein vorzüglich geschultes Offizierskorps ausgebildet
wurden. Jetzt vollzieht sich eine Änderung in der Stellung
des Militärgeographischen Instituts. Es wird dem Staats»
amt für' öffentliche Arbeiten, jetzt Staatsamt für Industrie,
Handel, Gewerbe und Verkehr unterstellt. Mit ihm sollen
sämtliche Institutionen vereinigt werden, die sich früher, auf
verfchiedene Ministerien verteilt, mit Vermessungen befaßten,
fo die Internationale Gradmessung, der Kataster, die Ver»
Messungsabteilung des Cisenbahnministeriums usf. In diefer
seiner neuen Stellung wird das Institut noch mehr als bisher
auch Zwecken dienen können, die fernab vom Militärwesen
liegen.

Solange der D. u. O. Alpenverein Karten bearbeiten läßt
und als Beilagen zur „Ieitfchrift" seinen Mitgliedern in die
Hand gibt, ist' ihm das Militärgeographische Institut stets
in ausgedehntem Umfange entgegengekommen. Für die Mehr»
Zahl unserer Karten würde die ganze qeodätifche Grundlage
unserem Kartographen vom Institut zur Verfügung gestellt, des»
gleichen auch Kopien der Originalaufnahmen des Instituts im
Maßstab 1:25.000. Unserem Kartographen blieb freilich immer
noch genug zu tun: er mußte den Anfprüchen gemäß, die die
Bergsteiger an unsere Karten zu stellen berechtigt sind, das
hochgebirgsgelände, vor allem die Felsen, ausnehmen und
zeichnen und so den Stempel feiner Kunst der Darstellung
des Hochgebirges den Karten aufdrücken. Aber ohne das
Entgegenkommen des Instituts wäre die Mehrzahl unserer
Harten überhaupt kaum möglich gewesen. Nur unsere Dach»
steinkarte beruht auf einer völligen Neuaufnahme, die von
wenigen trigonometrifchen Punkten abgesehen auch die geo»
dätische Gründlage neu schuf. Wir dürfen hier die Hoffnung
aussprechen, daß das Militärgeographische Institut auch in
seiner neuen Gestalt uns das gleiche Entgegenkommen er»
weisen möchte wie früher. Ja vielleicht werden sogar unsere
Mitglieder aus der Umgestaltung des Instituts dadurch Vor»
teil ziehen, daß das Institut seinerseits Gebiete neu auf»
nimmt, die bisher aus militärischen Gründen mehr vernach»
lässigt wurden. Der Alpenverein selbst hat von jeher seine
kartographische Tätigkeit auf das eigentliche Hochgebirge b
schränkt und wird auch in Zukunft diefem Grundfatze treu
bleiben. Gebiete, die für den Fremdenverkehr von hoher V
deutung sind, wie das Salzkammergut, viele Teile der Steier»
mark usf., die aber den hochturisten nicht in dem Maße an»
locken, werden nun an Stelle der alten Blätter der Spezial»
karte neue Karten erhalten, wie sie der Wanderer im Tale
und aus den Bergen mittlerer höhe braucht. So nimmt der
Alpenverein an dem weiteren Gedeihen des Militärgeographi.
schen Instituts den wärmsten Anteil.

Johann Stüdl.

Zu seinem 80. Geburtstage (27. Juni 1919) von Dr. A. Dreyer.

Es ist schwer zu sagen, was wir an „unserem Stüdl"
höher schätzen sollen: den lauteren, liebenswürdigen, allzeit
hilfsbereiten Menschen oder den begeisterten, unermüdlichen

Alpenfreund, der an der Gründung und Entwicklung unferes
Alpenvereins einen fo hervorragenden Anteil genommen hat.
Denn neben Karl hofmann, Theodor Trautwein und Franz