/ 161 pages
Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins 1920 (1920)
Search


8

Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins.

Nr. 1—8

fiedlungen die höhe über dem nächsten Stück der Talsohle mit»
zuteilen. Vei geschlossenen Orten genügt die höhe der Kirche,
deren Zahl ja meist unnnttelbar der Karte entnommen werden
kann. Vci weit zerstreuten Gemeinden ist natürlich die Höhe
der obersten Höfe und Weiler das Wichtigste.

Zu Punkt 4: Die Herkunft der einzelnen Angaben wird
meist verschieden sein, darum wurde gebeten, die Quellen an»
zugeben. Solche sind:

a) die benutzten Karten (möglicherweise auch Schriften);

b) die Namen der Auskunfterteiler, wozu sich meist die
Einheimischen mit und ohne Rang und Würden gerne bereit»
finden;

c) eigene Beobachtungen, in günstigen Fällen auch Messun»
gen. Niemand ist gehindert, auch über Einwohnerzahlen, Ge«

schichte, Wetterlage, Voocnformen und Anbauverhältniffe
einer obersten Siedlung kurz zu berichten. Im Gegenteil wer»
den alle'solche Mitteilungen nur begrüßt, und wenn sic, wie
gewöhnlich, Unbekanntes bringen, ebenfalls abgedruckt.

Zum Schluß kann im Namen der heimatlichen Erdkunde
nur noch einmal betont werden, daß jedem Helfer in der Sache
diefes Aufrufes der Dank der Wissenschaft und aller Alpen«
freunde sicher ist. ,

i'lber die wissenschaftlichen Ergebnisse auf Grund der Ein»
fendungen wird in den „Mitteilungen" des D. u. S. Alpe».
Vereins Bericht erstattet werden. Sie werden um so rascher
zutage treten, je mehr Erfolg diefem Aufruf beschieden sein
wird.

Das Versichern beim Klettern.

Von Herman,» Am ans hauser, Salzburg.

kin trauriger Unglücksfall, den ich im Vorjahr erlebt
habe, ist der unmittelbare Anlaß zu dieser Abhandlung, die
hoffentlich dazu beitragen wird, das Gefühl für Vcrant»
wortlichkeit und die Kenntnis scharsumschriebener Siche»
rungsvorschriften zu verbreiten.'

Das Versichern im Fels wurde bisher fast allgemein fo
betrieben, daß zwar der Zweite bei der Bewegung gesichert
war, nicht aber der Erste; auch war meist der Zweite in Ge»
fahr, beim Sturz des Ersten mitgerissen zu werden. Das
Seil wurde entweder mit der Hand gehalten oder über Fels»
zacken gelegt; nur wenige trugen Mauerhaken bei sich, die
entweder unförmig oder zu leicht gearbeitet und deren Ein«
schlagen, das meist mit einem Stein geschah, höchst mühselig,
ja oft unmöglich war. Der Umstand, daß gute Kletterer ein
ausgesprochenes persönliches Sicherheitsgcfühl zu haben
pflegen, verhinderte, daß man energisch daranging, die Ge»
fahr des Sturzes zu bekämpfen. Falscher Ehrgeiz, der die
Anwendung „künstlicher Hilfsmittel" als Eingeständnis eige»
ner Schwäche ansah, arbeitete geradezu dagegen. Daß die so
geübte Art zu klettern eine Brutalität gegen sich selbst, vor
allem aber gegen den Zweiten ist, scheinen bis heute nur
wenige erkannt zu haben. Während man sonst für jedcg
fährliche Beschäftigung, sei es die des Bergmannes, des Ma¬
schinisten oder fönst eine, wohldurchdachte Sicherungsvor»
schriften hat, ist man beim Klettern vollauf damit zufrieden,
„ohnehin am Seil zu gehen", und findet in der Kenntnis von
Seilknoten, die ihren Mann nicht erwürgen, fchon einen
hohen Grad von Vollkommenheit.

So ist es nicht mehr als natürlich, daß immer wieder !ln»
glücksfälle sich ereignen wobei beide Teilnehmer stürzen, immer
wieder das Seil reißt und der Zweite (wie in dem eingangs
erwähnten Falle) Gott dankt, daß dies gefchah, weil er sonst
unfehlbar mitgerissen worden wäre.

Es ist daher notwendig, daß wir uns in unserem Taumel
von Selbstbewußtsein besinnen und uns eine Methode zurecht,
legen, die unserem Beginnen das größtmögliche Maß der
Sicherheit verleiht. Wem sein Leben gleichgültig ist, wer
außer den Bergen die gewiß viel sind nichts hat in
der Welt, der mag meine peinlichen Vorsichtsmaßregeln ver»
achten, der mag feine Freude daran finden, der Gefahr un»
mittelbarer, nackter gegenüberzustehen aber der gehe auch
allein und bringe nicht harmlose Menschen, die sich seiner
Autorität anvertrauen, in Gefahr.

Nun zur Sache!

Das Seil : Das sicherste ist ein gedrehtes Seil aus
grauem Hanf. Alle Nachteile, die gedrehten Seilen nach»
gesagt werden, sind bei erstklassigem Material nicht stich»
hältig. Ein gutes gedrehtes Seil kringelt nicht, ist nicht bock»
steif, aber es ist zugfester, griffiger in der Hand, nützt sich
weniger ab und ist billiger. Allerdings find gute Seile diefer
Art fast nirgends zu haben, weil jedermann den geflochtenen,
und wären sie der größte Schund, den Vorzug gibt. Selbst»
verständlich sind geflochtene oder gewebte Seile aus gutem

grauen Hanf nicht zu verachtm; sie werden infolge ihrer
auf jeden Fall vorhandenen Vorzüge immer wieder benutzt
werden. Es fei jedoch eindringlichst darauf aufmerksam gc>
macht, daß geflochtene Seile durch und durch geflochten
sein müssen; sie dürfen keine gedrehte Seele haben Es gibt
Seile, deren halber Inhalt „Seele" ist, die mit dem geflochte»
nen oder gewebten Mantel keine Verbindung hat, fo daß
bei besonderer Beanspruchung infolge ungleichmäßiger Del
nung erst der eine Teil, dann der andere reißt.

Alles übrige über die Beschaffenheit des Seiles ist ja
wohlbekannt, nur über die zu verwendende Länge fei noch ein
Wort gesagt: Auf nicht allzu schwierigen, bekannten
Türen und zu zweit tut man gut, nur 20 Meter mitzu-
nemen; dann wirkt das Seil nicht mehr als Ballast und man
erspart sich das zeitraubende und anstrengende Einziehen
der nicht ausgckletterten Länge. Vei reichlich vorhandenen
natürlichen Sichcrungspunkten ist es klug,, wenn der Erste
nicht allzu weit vorausklettert; dadurch wird die höhe eines
immerhin möglichen Sturzes verringert und vor allem kann
der Zweite besser geleitet werden. Vei neuen oder sehr
schwierigen Türen sei (immer zu zwei) das Seil 30 bis
40 Meter lang. Diese Länge wird zwar selten gebraucht,
aber wenn, dann ist sie um so vorteilhafter. Ist das Seil
dann doch zu lang, fo wird es von einem der Kletterer um
Schulter und Achsel genommen. Das Überwerfen der Schlw»
gen um die Schulter geschieht mit einer fehr flinken Vewc.
gung beider Hände, die ähnlich wie ein Gewehrgriff geübt
und genau ausgeführt werden muß. Die linke Hand hält
das Seil, die rechte gleitet an ihm eine ganz bestimmte
Strecke, auf Schlingenlänge, nach rechts, und im nächsten
Augenblick fchon wird es durch einen Nuck über die linke
Schulter und unter den rechten Ellenbogen geworfen, worauf
die linke Hand an die Stelle der rechten faßt und sich alles
wiederholt. So einfach das ist, fo wenig wird es angewandt;
die meisten Nettem lieber mit überflüssiger Seillänge oder
tragen in leichtem Fels die Schlingen in der Hand, was aus
alle Fälle gefährlich ist und nur bei kurzen leichten Strecken
angewandt werden soll, hat man das Seil um die Schul»
ter geschlungen, so muh es an der Vrustschlinge befestigt
werden, damit bei einem Sturz die Schlingen nicht zusam»
mengezogen werden können. (Fritz Drasch fand fo den Tod.)
Dies geschieht, indem man von dem freien Seil eine Schlinge,
fo groß wie eine Vrustfchlinge, doppelt durch die Vrustschlintze
zieht, um das freie Seil mit dem doppelten einen Knopf
macht, fodann die Schlinge zu den anderen um Schulter und
Achfel legt.

Damit.find wir von der Beschaffenheit des Seiles schon
ein gut Stück in die Anwendung gekommen. Weil wir aber
fchon bei den Schlingen sind, fei noch rasch empört gesaat
über das Ablegen des Seiles: Das Seil wird um Knie und
Fuß oder sonstwie in gleiche Schlingen gelegt, fodann nicht
durch allerhand Knöpfe gefaßt, fondern" durch zwei kleine
Riemen mit Schnalle, die ständig zu ihm gehören, an den