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Mitteilungen des Österreichischen Alpenvereins 1955 (1955)
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Münchner Bcrgßetgcrbttcf

Siebe Kameraden vom Österreichischen Alpenoerein!

Zu Beginn des Winters yalie ich Ihnen meinen
letzten Beil.steigeil'tlei ^eicliriebeii. Ter 'Winter ist
inzioischen veru.imii.eii, luetiti uuch mit dein ScxiifiUjren
Heuer noch lange mchl Schlug jem foli, lie luur ein
Winter ohne größere Hiatastropljen, loenn man von
dem Seilbahn Unglück ani Herzogstand absiebt. Bei
diesem ziemlich neuen Sessellift tin das Seil, und
alle Sessel stürzten den steilen Hang hinao; drei
Tote und mehrere Beilegte waren die Folge, Es
hat aber nicht den Anschein, als ob die Bergbahn»
seuche dadurch einen ;){iicf schlag erbalten hatte. Ter
Deutsche Alpenverein hatte Mitte Januar sogar zu
einer außerordentlichen Hauptausschußtagung ge»
laden, bei der es ausschließlich um Bergbahnen und
Expeditionen ging. In einer der Öffentlichkeit über»
gebenen Resolution erl>ob der TAB abermals
seine warnende Stimme und bal die bäuerische
Staatsiegierung zu verhindern, daß weitere Berg»
bahnen im Hochgebirge, in Natur- und Landschaft^»
schußgebieten und nach Möglichkeit im sonstigen bisher
ursprünglich gebliebenen Bergland gebaut weiden".
Nachdem die Schlacht um die Hochriesbalm ver«
loren gegangen ist. werden weitere Kämpfe um
die Planungen einer Kaiwendelbahn CMittenwald
Westliche Karwendelspitze) und einer Grüntenbahn
(im Aligäu) entbrennen. Neue Bahnen wurden in
diesem Winter in Neil im Winkel, bei Pfronten und
im Kleinen Walsertal auf die - Kanzeliuand er»
öffnet.

Expeditionen kommen und gehen, und selbst der
Fachmann weiß bald nicht mehr, was zur Zeit alles
unterwegs ist. Knapp vor Weihnachten ist die
Expedition Dr. Herrligloffers vom Broad Peak
wohlbehalten zurückgekehrt. Wie sehr München, mit
Himalaya-Poiträgen übersättigt ist, zeigte sich bei
der ersten großen Veranstaltung dieser Expedition,
die nur ganz schwach besucht war. Leider wies auch
eine sehr würdige Gedächtnisfeier für Karl Heckler
nicht den Besuch aus, den sie verdient hätte: geladen
hatten hierzu die Deutsche Himalaya-Stiftung, der
DAB, die Deutsche Gesellschaft für Programmétrie
und die Deutfche Geodätische Kommission. Neben
einer Würdigung Hecklers standen Borträge von
Prof. Dr. Finsterwalder über Wesen und Aufgaben
der wissenschaftlichen Himalana Expeditionen und
von Dr. Pillewizer über die Forfchungen 1954 im
Hunza-Karakorum im Bordergrund.
Wieder standen wir (am 28. März) am Münchner
Hauptbahnhos und winkten einer ausreisenden
Expedition nach. Heinz Steinmetz, Jürgen Wellen»
kamp, Fritz Lobbichler und Harald Biller fuhren als
erste deutsche Bergsteiger nach Nepal. Ziel ist die
7524 m hohe Annapurna TV. Die Deutsche Himalaya»
Stiftung, von der die Expedition ihren Ausgang
genommen, und der DAB, der sie nach Kräften
gefördert hat, verabschiedeten sich einige Tage vorbei
bei einer wohlgelungenen Veranstaltung von den
jungen Bergsteigern; es wurden leine langen Reden
gehalten, sondern Steinmetz und Wellenkamp
lasen je ein Kapitel aus ihrem heuer erscheinenden
Buch über die Anden-Kundfahrt 1953, Lobbichler
hielt einen geologischen Vortrag. Das literarische
Niveau der Dichterlesung" war sehr beachtlich.

Ebenfalls nach Nepal, zu dem bereits bis zur Höhe
von 8UUU m bekannten Dhaulagiri, ist eine deutsch»
sch!ve,zeiische Expedition unter Leitung des Münch»
ners Martin Maier unterwegs; sie wird allgemein
nur als die vegetarische Expedition" bezeichnet,
da sie die sogenannte Reformkost als Grundlage der
Ernährung geiuablt hat. Eine Neuheit stellt auch
die Tatjache dar, daß ein Rundfunkreporter die
Expedition begleitet. Eine dritte deutfche Hima»
lal,a Expedition steht vor der Ausreise; es sind
Frankfurter Bergsteiger unter Leitung von Rein»
hard Sander und Karl Krämer, die in das Berg»
gebiet des Ehugo-Lungma-Gletschers im Kara»
forum gehen wollen. Dr. Herrligtoffer hat für
l!>5? 58 eine Expedition zum Südpol angekündigt,
an der auch die Teilnehmer seiner Himalaya°Ex»
peditionen mitmachen sollen; vorher will er aller»
dings noch die Besteigung des Broad Peak vollenden.
Bor zwei Jahren waren die Münchner, voriges
Jahr die Tiroler in den Anden, heuer sind es wieder
Münchner und zwar eine vielköpfige Gruppe der
Iungmannfchaft des ABS. München; sie fahren
Anfang Mai nach Peru und »vollen die Eordillera
Bianca besuchen. Auf ihr Hauptziel, den schwierigen
Ehacraraju, haben es auch Marti Schließlei und
Dolf Mener abgesehen, die beiden Erstbesteiger des
Siebentausenders in der Batura-Kette 1954; sie
ziehen auf eigene Faust in die Anden, während die
Münchner von ihrer Sektion und dem DAB unter»
stützt weiden. Diese Hilfe haben auch fünf Jung»
mannen der Sektionen Achenfee" (München) und
München gefunden, die am 3. April nach Spitzbergen
abgefahren sind, um dort Bergfahrten zu unter»
nehmen. Daß die deutschen Iungmannen recht
rührig sind hat sich auch bei einigen schönen Winter»
©istbegehungen gezeigt; u. a. wurden die Toten»
kirchl Westwand aus der Peters«Eidenschink°Führe
und die Marmolata»Südwand von jungen Schwaben
durchstiegen.

Bon den alten Münchner Bergsteigern hat uns Josef
Intinger am 10. Februar verlassen. Seine große
Zeit war um die Jahrhundertwende; er hat damals
u. a. die 4. Begehung des Peuterey-Grates und die
3. Besteigung der Guglia di Brenta durchgeführt.
Im alpinen Schrifttum hat ei sich mit verinner»
lichten Beigbüchern einen guten Namen geschaffen.
Vis zum nächsten Mal bleibe ich mit Vergheil
Ihr Dr. Franz Graßler

Zu Heinrich von «chullerns 90. Geburtstag

Ganz Tirol feierte diefer Tage den 90. Geburtstag
des greisen Dichters Heinrich von Schullern. Unter
den zahlreichen Gratulanten aus der Öffentlichkeit,
der Literatur und der Ärzteschaft nimmt der
Österreichische Alpenverein eine ganz besondere
Stellung ein.

Er tonnte nämlich dem Jubilar zusammen mit den
Glückwünschen das Ehrenzeichen für 70jährige Mit»
gliedschaft überreichen. Dieses Zeichen wurde nunmehr
in der Bereinsgeschichte zum vierten Male verliehen.
Heinrich von Schullern trat dem Alpenverein bereits
im Jahre 1884 bei und hat ihm seither über alle
Fährnisse hinweg die Treue gehalten. Darüber
hinaus aber ist Heinrich von Schullern in seinen
Werten ein begeisterter Sänger der Schönheit
unserer Berge und ein Künder ihrer ewigen Größe.

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