/ 254 pages
Mitteilungen des Österreichischen Alpenvereins 1979 (1979)
Search


Der Oesterreichische Alpenverein trauert um sein einziges Ehrenmitglied:

UNIV.- PROF. EM. DDR. H.C.HANS KINZL
è + K

Sachwalter für Wissenschaft, Kartographie und Veröffentlichungen von 1947-1952,

Vorsitzender des Verwaltungsausschusses von 19531957,

Erster Vorsitzender des OeAV von 1958-1967 und 1971-1972,

Ehrenmitglied der OeAV-Sektion Freistadt i.M.

der am 23. Oktober 1979 im 81. Lebensjahr nach kurzem schwerem Leiden in Innsbruck verstorben ist.

Am 29. Oktober 1 979 nahmen die Universität Innsbruck, das Land Tirol, der österreichische, der Deutsche und
der Südtiroler Alpenverein Abschied von dem international anerkannten Gelehrten, dem hochgeschätzten aka¬
demischen Lehrer und dem langjährigen, für die Entwicklung des Alpenvereins bedeutsamen Vorsitzenden.

Der Erste Vorsitzende, Prof. Louis Oberwalder sprach im Namen aller Mitarbeiter und Mitglieder nachfo
gende Abschiedsworte:

Verehrte Angehörige liebe Mitarbeiter und Mitglieder im Alpenverein!

Neben Kinzl-Schülem aus aller Welt, die in Trauer von ihrem Meister Abschied nehmen, steht der Oesterrei-
'chische Alpenverein am offenen Grab seines vielleicht bedeutendsten Vorsitzenden und einzigen Ehrenmi
gliedes, wie ein erwachsenes Kind, das seinen Vater verloren - bis in die Seele traurig.

Zugleich auch von Herzen dankbar, daß wir diesen Menschen haben durften, der Mitarbeitern und Mitglie¬
dern schon längst zu einer Leitgestalt geworden ist.

Als Alpengeograph von Anfang an mit dem Alpenverein verbunden, unternahm Kinzl schon 1932 eine Exp
dition in die Peruanischen Anden, die er neben den Alpen zum Ziel seiner Hochgebirgsforschung machte. In
weiteren vier ausgedehnten Expeditionen in die Südamerikanischen Kordilleren arbeitete er an vergleichender
Hochgebirgsforschung. 1947 übernahm Professor Kinzl die Sachgebiete Wissenschaft, Kartographie und Veröf¬
fentlichungen in der Gesamtvereinsleitung, 1953 zusätzlich den Vorsitz im Verwaltungsausschuß, bis er 1958
zum Ersten Vorsitzenden gewählt wurde. Zehn Jahre führte er den Verein in dieser Funktion.

Freies Auftreten, klare Sprache, souveräne Vorsitzführung verbunden mit Zuhören, Beobachten, am Beitrag
des Partners teilhalben können, waren Ausdruck einer Werthaltung, die Hans Kinzl in den Alpenverein hinein¬
gelebt hat. Er vermochte so viel an Lebenswissen, Mut und Freundschaft zu investieren, daß der große Brücken¬
schlag gelang. Unter seiner Führung entwickelte sich der einst elitäre Bergsteigerverein, vom Krieg in seiner
Substanz tief getroffen, zum großen, zeitgemäßen Volksverein. Dies es war Kinzls besonderes Anliegen in
enger Verbindung zum Deutschen Alpenverein und zum Alpenverein Südtirol, die mit aus der gemeinsamen
Wiege kommen.

Dem Alpenverein gab Kinzl auch sein gewandeltes Selbstverstandnis. Wie in Forschung und Lehre sah er
auch bei den Zielsetzungen des Vereins den Menschen im Mittelpunkt. Den Menschen, in seiner Abhängigkeit
von der Natur und in seiner Einflußnahme auf diese. Dem gesrten Gleichgewicht, dem Identitätsverlust des
Menschen und der folgenden Heimatlosigkeit setzte er die Werte des natürlichen Lebens, der Gemeinschaft, der
Heimat als Bindung und Aufgabe entgegen. Auch das verlorene Ideal des Vaterlandes, das nur Vaterland sein
kann, wenn es ein Kinderland ist.

Kinzls Alpenverein ist so kein Nur-Bergsteigerverein, Nur-Naturschutz-, Nur- Alpenforschungsverein. Er ist
umfassender Kulturverein, eine Alpenvereinsfamilie - als solche sprach er seine Mitarbeiter und Mitglieder
gerne an.

Die bedeutsamen materiellen Leistungen der Ara Kinzl, wie etwa die Errichtung des Alpenvereinshauses in
Innsbruck, die Entwicklung der Alpenvereinskartographie, die Rückführung der Schutzhütten deutscher Se
tionen in den Besitz des Deutschen Alpenvereins sind Episode gegenüber der ideellen Vaterschaft.

Wer mit Professor Kinzl persönlich in Kontakt kam, erfuhr einen Menschen von seltener Rechtschaffenheit und
Güte, einen Menschen, der fast frei war von Eitelkeit, die uns alle bedrängt. Die vielen Ehrungen, die er erfuhr,
auch im Alpenverein, nahm er mit der Schüchternheit des Bauembuben entgegen, um dann Titel, Bänder und
Gold auf einen Platz zu verweisen, der für ihn ohne Bedeutung war. Dem Rechnung tragend, blieben meine Ge¬
denkworte ohne Superlative.

Das Abschiednehmen heute kann für den Alpenverein nur körperlicher Natur sein. Hans Kinzls Ideale bleiben
Zielkonzept des Vereins.

Letztlich weisen seine Markierungen über die Berge der Welt hinaus zu unser aller Schöpfer Gott, zu dem er
selbst nunmehr heimgekehrt ist. Uns aber laßt in seinen Spuren den gewählten Weg dankbar und als Freunde
weitergehen!