Nr. 1.
Salzburg, Samstag 19.
October
1895.
Jahrgang
Fremden-
Autorisirtes Organ
des Wiener Vereines f&r Stadt-Interessen
nnd Fremdenverkehr.
Central-Organ
zur Förderung des Fremdenverkehrs
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Oesterreich
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Die „Fremden-Zeitung" wird in der Reisesaison an das reisende Publicum
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den
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der k.k privileg. Südbahn in den Stationen : Kufstein, Innsbruck, Franzensfeste, Bozen undTrient,
durch Organe der k. k. Staatsbahnen und der k. k. priv. Südbahn gratis vertheilt, ebenso
durch die Agentien in Passau, Linz, Wien und Budapest auf allen Schiffen der k. k. priv.
Donau-Damptachifffahrts-Gesellschaft und den k. k. österr. Bodensee-Dampfschiffen dem Reise-
Tublicum übermittelt.
Antorisirtes Organ des Verbandes der Gnrorte and Sommerfrischen des Salzkammergutes, des Verbandes
der Sommerfrischen des Ättersee's, der Vereine znr Hebnng des Fremdenverkehrs in Steiermark, Ober-
krain (Sitz Yeldes) nnd Salzburg, sowie derFremdenyerkehrs-Section des deutsch. Böhmerwald-Bnndes.
Autorisirtes Organ
des Landes-Verbandes der tirolischen
Fremdenverkehrs-Vereine.
Erscheint
47 mal Im Jahre.
Den Fremdenrerkehr be¬
treffende Nachrichten,
sowie
allfallige
Beschwer¬
den des reisenden Publi-
cumß,fernerMittheilangen
der Saisonvereine und
alpinen Sectionen
finden unentgeltliche
Aufnahme.
Bedactions-Schluss einen
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tot
dem Erscheinen.
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retonmirt.
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für Karaten und Tirol:
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und Administration: Salzburg",
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Liegt in den Lesecabineten der hervorragendsten Badeorte und in den ersten Cafes und Hotels der Residenz, Provinz und des Auslandes auf.
An der Adria.
i.
Der
Lido
von Venedig.
•ur römischen Zeit galt die Lagune zwischen
*
Ravenna
und Aquileja als ein besonders ge¬
sunder Aufenthalt. Die Gladiatoren wurden dahin
gesandt, um ihren
Körper zu kräfti¬
gen, das von Attila
zerstörte Altinum
hatte seine Gärten
und Landhäuser an
der Lagune stehen,
deren Annehmlich¬
keit der Epigram¬
matiker
Martial
mit
dem verführeri¬
schen Bajä ver¬
gleicht; ihrer Ge¬
sundheit wegen
wählte die Kaiserin
Livia Aquileja zum
Aufenthalte. Da¬
mals scheint die
Malaria in der La¬
gune ebenso unbe¬
kannt gewesen zu
sein, als sie es an
derlstrischenKüste
bis zum vierzehn¬
ten Jahrhunderte
gewesen ist. Doch
sehen wir schon im
achten Jahrhundert
den Patriarchen
wegen des Fiebers
Aquileja verlassen
und nach Cividale
übersiedeln ; viel
später tritt in ein¬
zelnen bewohnten
Theilen der Lagune
von Venedig das
Sumpffieber auf.
vom Palaste Mocenigo ein junger Engländer herüber¬
kam, der durch seine tollen Streiche und galanten
Abenteuer die Venezianer lebhaft beschäftigte. Lord
Byron war damals der Löwe der Gesellschaft, der
unerschöpfliche Gesprächsstoff aller
Conversazioni.
Ein ganzer Legendenkreis umgab die Person des
epicuräischen Nihilisten, der hier den Strand entlang
seinen täglichen Spazierritt machte oder als tollkühner
Schwimmer sich von der Brandung weit in die See
hinaustragen Hess. Da erzählte man sich die Ge¬
schichte der Kaufmannsfrau Marianna Segati, die
Heran. Zum Artikel:
XXVI.
General-Versammlung des internat. Vereines der Gasthofbesitzer.
Seine Keime ent¬
wickeln sich vor¬
zugsweise in der
aus Brakwasser bestehenden sogenannten todten La¬
gune.
In Venedig selbst und auf den Dünen hat der
Fremde von der Malaria nichts zu fürchten. Die
Lagunenstadt bildet nicht nur im Winter, sondern
auch im Sommer einen sehr angenehmen Aufenthalt.
"Wie vor dem kalten Winde, so ist man auch vor
den sengenden Sonnenstrahlen in den engen Gässchen
geschützt und auf der leichtbewegten Wasserfläche
empfindet man die hohe Tagestemperatur viel weniger
als auf dem heissen Boden des Festlandes. Auf dem
Lido
weht den ganzen Sommer hindurch regelmässig
des Morgens Nordost- und des Abends Südostwind.
Die mittlere Temperatur der Luft beträgt 23° R.,
jene des Wassers 20° R.
Die Annehmlichkeit und die Heilwirkung der
Seebäder ist merkwürdiger Weise erst im achtzehnten
Jahrhunderte erkannt worden. Die Engländer waren
es, welche das Baden im Meere in die Mode brachten.
Im Jahre 1793 wurde das älteste deutsche Seebad in
Doberau errichtet und um diese Zeit dürfte auch das
Baden am Strande des
Lido
von Venedig in Ge-
den flatterhaften Engländer kurze Zeit fesselte, den
Streich der verliebten Bäckerin
Margarita Cogni,
die
den treulosen Verführer in seinem Hause belagerte
und hundert andere Liebeshändel. Da fielen auch
die ersten Anspielungen auf Byrons Verhältniss zur
Gräfin Guiccioli und die malitiösen Bemerkungen
über die Gastfreundschaft ihres alternden Gatten.
Seither hat sich der Strand am
Lido
immer mehr
zu einem fashionablen Vereinigungspunkte der vor¬
nehmen Welt entwickelt, ohne dass deshalb die Kosten
des Aufenthaltes eine unerschwingliche Höhe er¬
Villen (Chalets), welche zusammen 100 Zimmer ent „
halten, angenehme Unterkunft für den Preis von 3
bis 5 Lire per Tag. Die Wochenpension beträgt
7 Lire per Tag, wofür das Frühstück, dann ein Gabel¬
frühstück, bestehend aus Gebackenem oder Fisch oder
Mehlspeise, Fleisch mit Gemüse, Obst, Käse und einer
halben Flasche Wein und ein Diner, bestehend aus
Suppe, Fischen, Fleisch mit Gemüse, Braten mit Salat,
Mehlspeise, Obst, Käse und einer halben Flasche
Wein geboten wird. Man kann aber als Curgast des
Lido
eben so gut in Venedig wohnen, denn die täg¬
lichen Ueberfahrts-
kosten fallen hiebei
gar nicht in's Ge¬
wicht. Wer sich
z. B. ein Abonne¬
ment für die ganze
Saison von vier Mo¬
naten nimmt, der
zahlt für die freie
Fahrt auf dem
Dampfboote und
die freie Benützung
des Bades zusam¬
men 50 Lire, das
sind zwanzig Gul¬
den. DieTageskarte
für Bad, freie Fahrt
auf Schiff und
Tramway
stellt sich
auf lJLire 30,Cente-
simi und das Dutz¬
end dieser Kar¬
ten auf 14 Lire,
also per Tag auf
weniger als eine
Krone. Im Bade-
Etablissem ent, wel¬
chem der Curarzt
Dr. Guido Vivante
vorsteht, befindet
sich auch eineKam-
mer für Seewasser-
Inhalation.
Ein eigenartiges
Bild bietet der
Strand zu beiden
Seiten des Bade-
Etablissements. In
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dessen Verlänger-
I
ung ist je eine Reihe
von Strohhütten
aufgestellt nach der Art jener, welche sich vor vierzehn
Jahrhunderten die ersten Ansiedler in der Lagune
erbauten. Jede dieser Hütten wird von je einer
Familie bewohnt, welche da halbe oder ganze Tage
lang sich dem Genüsse der Sand- und Luftbäder
hingibt. Der Miethpreis eines solchen Lusthauses
am Meere beträgt für den Tag vier Lire, für den
halben Tag 27, Lire.
Hinter dieser Häuserzeile aus Stroh führen, mit
der Aussicht auf das fröhliche Strandleben und die
hohe See, Spazierwege einerseits nach S.
Nicolo
reichten. In der abgelaufenen Saison wurden auf anderseits nach Malamocco. Für Vergnügungen ist
dem
Lido
150.000 Badekarten verabfolgt. Das Bade¬
publikum bestand aus Italienern, Deutschen, Ungarn,
ausreichend gesorgt. Nebst dem Theater, in welchem
Opern und Operetten aufgeführt werden, finden wir
Polen, Russen etc. Halbstündlich bringt ein Dampf- ! auf dem
Lido
eine Radfahrbahn (Ciclodromo), Wägen
boot
von der
Riva Degli Schiavoni
die Badegäste
nach dem Lagunenufer des
Lido,
welches mit dem
Strandbade durch
Tramway
verbunden ist. Die
Dampferfahrt dauert 12 Minuten, die Tramwayfahrt
und Reitpferde für Ausflüge nach S.
Nicolo
und
Malamocco stehen zur Verfügung und die zierlichen
Gondeln locken uns zu Lustfahrten in der Lagune.
Auch bevor die Strandbäder aufkamen, war der
5 Minuten. Das Badeetablissement enthält 500 Ca-
Lido
zu allen Zeiten der beliebteste Erholungsplatz
binen, gegen das Meer hinaus eine
grosse
Terrasse,
weiters einen Concertsalon, ein Theater, Cafe und
der venezianischen Jugend. Kümmerliche Binsen¬
hütten standen noch auf der Insel
Rialto
und drüben
brauch gekommen sein, welcher bereits den Sammel- Restaurant, Post, Telegraphenamt, Apotheke. Wer auf Forcello, als die jagdlustige Jugend sich hier
punkt der vornehmen Gesellschaft bildete, als täglich : nicht in Venedig wohnt, findet in einer der fünf mit der Schleuder übte; vor tausend Jahren schon
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