/ 232 pages
Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd. 05 (1879)
Search


— 104 —

Ueber den Bergstock ist wohl nichts Neues zu sagen.
Für und wider Steigeisen ist schon viel geschrieben und gesprochen
worden. Während die Schweizer sie verachten, schätzt man sie in unseren
Alpen überall hoch. Die Schweizer führen dagegen den Eispickel. Es ist
durchaus nöthig, dass jeder Gletscherwanderer seine eigenen Steigeisen
mit sich führt, denn fremde können unmöglich zu jedem Fuss, zu jedem Schuh
passen. Am besten werden sie für die Form des Schuhes eigens gemacht, mit
6 Stahlspitzen, sogenannte Gliedeisen, wie man sie in Stubai fertigt. Auch
im Algäu macht man gute Steigeisen. Die Gebirgsbewohner haben allerlei
Versuche auch mit andern Formen und Ersatzmitteln gemacht. Zum Beispiel
Eisen nur mit 2 Spitzen, Eisenblechzacken, links und rechts am Rande der
Sohle. In den Dolomiten tragen die Leute wahre Hufeisen mit 810 Spitzen.
Wieder andere bringen an der Spitze 2 Stacheln an und ebenso 2 am Absatz*).
Der berühmte Gletscherforscher Hugi in Solothurn hatte an den Sohlen seiner
Bergschuhe eine Vorrichtung zum Einschrauben eiserner Stachel mit einer Art
Schlüssel, welche später von englischen Touristen nachgeahmt wurde.

In der Schweiz spielt der Eispickel eine grosse Rolle. Führer, Alpenclub-
Mitglieder, Engländer, kurz fast alle Touristen führen bei Gletscherwanderungen
nur den Eispickel; aber nicht nur auf Firn und Eis leistet er gute Dienste,
auch auf Fels und steilen Grashalden; wer daran gewöhnt ist, sagt man mir,
macht ohne Eispickel keine Tour mehr, sei sie klein oder gross.

Die gewöhnlichen Schweizer Eispickel haben eine Länge des Holzes in¬
clusive des Stachels von 130—140 cm, die eiserne Spitzbaue und die breite
Haue eine jede eine Länge von 15 cm, unten am Fusse ist eine feste eiserne
konische Zwinge und ein derber Stachel.

Die besten Seile werden aus Manilla oder aus italienischem Hanf ange¬
fertigt. Für das Seil sorgen meist die Führer, gerade aus diesem Grund aber
ist es nöthig, sich vor dem Ausmarsch zu überzeugen, ob das Seil noch fest
und nicht morsch ist.

Da bei der gewöhnlichen Methode des blossen Knüpfens über der Brust
oder gar über dem Magen das Seil auf die Länge höchst lästig wirkt, liess
ich Gurten anfertigen, wie selbe die Feuerwehren tragen, und mit Ring und
Karabinerhacken versehen. Dieselben werden um den Leib geschnallt und
kann hierauf das Seil leicht ein- und ausgehängt werden; es wäre Sache der
Führervereine solche Gurten anzuschaffen.

Wer in der Schneeregion Touren machen will, ist in Gefahr sich eine
Augenentzündung zu holen, wenn er nicht so vorsichtig war, sich mit Schnee¬
brillen zu versehen. Die Sonnenstrahlen auf den weissen Schneefeldern und
Gipfeln, die dünne Luft und das nothwendige beständige Blicken auf den
mit Schnee bedeckten Boden machen das Auge völlig stumpf. Es tragen daher
Gemsjäger, Führer, kurz alle jene, deren Beruf sie da hinaufführt, Schnee¬
brillen; man gebraucht blaue, grüne, gelb-braune Gläser, die besten aber sind
die grauen Gläser, sogenannte Rauchgläser, sie verändern auch die Landschaft am
wenigsten. Die Gläser sollen von einem feinen Drahtgeflecht umgeben sein,
das sich an die Gesichtshaut anschliesst und verhindert, dass Lichtstrahlen
zwischen Glas und Auge einfallen und letzteres dennoch irritiren.

Im Nothfall kann man auch gewöhnliche Brillen grau färben, indem man
sie über den Rauch eines brennenden Zündholzes hält, bis sie mit etwas Russ
beschlagen sind.

Ich schliesse, so reich auch der Stoff noch wäre, um nicht zu ermüden,
lasse aber demnächst noch eine Notiz über Schneeglanz und ein Mittel da¬
gegen folgen.

Mimchen. Carl Seitz.

*) Vgl. die folgende Notiz des Herrn Voll and.